Auf der Skipiste von Großerlach entstehen zurzeit neue Downhill-Strecken für Mountainbiker und Mountainboarder. Eine Erdbaufirma modelliert die Anlage – das Material stammt aber entgegen der Gerüchte nicht von der Stuttgart-21-Baustelle.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Großerlach - Wann wird’s mal wieder richtig Winter? Diese Frage stellt sich Fieder Mauß, seit er vor rund fünf Jahren das Freizeitgelände inklusive Skilift in Großerlach für rund 160 000 Euro ersteigert hat, des öfteren. Die Hoffnung auf Schnee satt hat der 47-jährige Gartenbautechniker zwar noch nicht ganz aufgegeben, doch der allmorgendliche Blick gen Himmel ist seit Wochen arg deprimierend.

 

Künftig soll es an dem Hang am Ortsrand zumindest während der Sommermonate rund gehen. Ein paar Mountainbiker und sogenannte Long- und Crossboarder haben den alten Lift entdeckt. Longboards sind längere Skateboards, Crossboards eine Offroad-Variante dieser Rollbretter. Einige Funsportler aus dem weiteren Umkreis lassen sich im Frühling, im Sommer und im Herbst gerne mit dem Skilift des Herrn Mauß hoch ziehen. Anschließend rauschen sie mit einem Affenzahn die Piste hinunter. Die Longboarder sind bereits ganz gut bedient, sie nutzen die vom Vorbesitzer angelegte Downhill-Kartbahn. Für die Biker und die Mountainboarder werden zurzeit spezielle Pisten angelegt.

„Das Erdmaterial stammt nicht von der Stuttgart-21-Baustelle“

Philipp Heinle ist einer dieser Mountainboarder, die das Freizeitgelände entdeckt haben. Der 26-jährige Industrieelektrotechniker aus Schwäbisch Hall hat Frieder Mauß nicht lange überreden müssen, er hatte sehr gute Argumente. Eine Erdbaufirma modelliere die komplette Anlage, die spätestens Anfang Mai eröffnet werden soll, kostenfrei, erzählen Mauß und Heinle an diesem Wintertag, der sich ehr wie Frühling anfühlt. Der Clou bei der Sache: Ein Mitarbeiter dieser Firma sei zugleich Beauftragter des Württembergischen Radsportverbands (WRSV) für 4-Cross. Beim 4-Cross treten immer vier Mountainbiker auf einer mindestens 250 Meter langen Piste gegeneinander an.

Die Firma spare sich auf diese Weise die Entsorgungskosten. Das Erdmaterial sei völlig unbedenklich, es stamme aus Waiblingen, sagt Mauß, und keinesfalls – wie Kritiker behaupteten – von der Stuttgart-21-Baustelle. Für den Endausbau der Piste – also für alle Gerätschaften, die nicht aus Erde modelliert werden – habe er rund 20 000 Euro eingeplant, erzählt der Skiliftbesitzer. Heinle und seine Kumpels haben fest versprochen, dass sie viele Arbeiten in Eigenleistung erbringen. Mauß hofft, dass künftig in der warmen Jahreszeit noch viel mehr Biker und Boarder zu ihm nach Großerlach pilgern und regelmäßig Tageskarten für den betagten Skilift kaufen.

„Die Strecke hat WM-Potenzial“

Zurzeit gleicht das Gelände einer große Baustelle. Einige Konturen der beiden geplanten, etwa 600 bis 700 Meter beziehungsweise 700 bis 800 Meter langen Strecken sind bereits zu erkennen. Die 4-Cross-Strecke sei möglicherweise auch im Winter für Skifahrer und Snowboarder geeignet, sagt Heinle. Das müsse aber erst noch getestet werden. Ferner werde eine sogenannte Freestyle- und Slopestyle-Area mit Sprüngen und Hindernissen gebaut.

Bereits 2012 und 2013 sind auf der Skipiste im Sommer Rennen und Wettbewerbe ausgetragen worden, unter anderem ein World-Mountainboard-Day und die Mountainboarding German Open. Obgleich bis dato nur eine provisorische Strecke zur Verfügung gestanden habe, sei dieses Rennen international besetzt gewesen. Die Besucher seien unter anderem aus der Schweiz, aus Polen, Holland und sogar aus Russland gekommen. Heinle ist zuversichtlich, „dass wir – wenn die Strecke fertig ist – einen Lauf der Europa- oder sogar der Weltmeisterschaften austragen“. Die Strecke habe jedenfalls „WM-Potenzial“, schwärmt er. Fest geplant seien für diese Jahr unter anderem ein Longboarder-Treffen Anfang Mai, die Deutschen Mountainboard-Meisterschaften am 9. und 10. August sowie ein 24-Stunden-Downhill-Longboard-Race.

Der Bürgermeister gratuliert zum Vorhaben

Die Gemeinde Großerlach unterstützt die Umbaupläne. Bürgermeister Christoph Jäger sagt, Herr Mauß und seine Partner seien mit ihrem Plan, „das Freizeitzentrum aus der Abhängigkeit vom reinen Wintersport zu befreien, auf dem richtigen Weg“. Alle Mitglieder des Bauausschusses des Gemeinderats hätten zugestimmt.

Die Projektpartner versprechen der Kommune „eine touristische Aufwertung“ und die Förderung des Jugendsports. Großerlach liege in einem „perfekten Einzugsgebiet“ zwischen Stuttgart, Heilbronn und Hall. Vergleichbare Angagen gebe es in Bad Wildbad und in Heidenheim, also weit weg. Das neue Angebot, heißt es in der Konzeption, passe perfekt in den Naturpark Schwäbisch-Fränkischer Wald.

Fieder Mauß hat vor, die Anlage zunächst immer sonntags zu öffnen. Gäste mit längerer Anfahrtszeit könnte entweder in einem Matratzenlager auf den Gelände nächtigen, das oft von Schulkassen oder anderen maximal 50-köpfigen Gruppen gebucht wird, oder im Wohnmobil. Zur Entspannung oder Abkühlung nach den heißen Rennen können sich die Sportler dann auf dem Freizeitgelände in den kleinen See neben dem Hauptgebäude stürzen.