Die Erneuerbaren Energien werden in Zukunft die Herausforderung vergrößern, den Stromverbrauch dem Angebot anzupassen. Intelligente Netze und Stromzähler sollen dabei helfen. Doch noch sind viele Sicherheitsfragen offen.

Stuttgart - Es gibt kein Wasser mehr, Telefon und Internetverbindungen sind tot, die Regale der Supermärkte leer, Menschen rauben sich gegenseitig aus: Wie schnell ein Blackout in einer Großstadt die zivile Gesellschaft in einen Bürgerkrieg stürzen kann, beschreibt der Autor Marc Elsberg in seinem Roman „Blackout“ eindrücklich. Die Ursache des Blackouts ist nicht aus der Luft gegriffen: Hacker manipulieren intelligente Stromzähler und lassen so das Netz zusammenbrechen. Der Blackout entsteht aus den Schwächen der Stromversorgung der Zukunft: weniger stabilen Netzen und der Anfälligkeit moderner Kommunikationstechnik für Angriffe.

 

Die Befürchtung, dass die Technik nicht gut genug gegen Angriffe von außen gesichert ist, ist berechtigt. Dennoch kommen wir um sie nicht herum, denn eine der Grundlagen der Stromversorgung der Zukunft ist die Kommunikation zwischen Anbieter und Kunde, um Angebot und Nachfrage aufeinander abzustimmen. „Das größte Problem der erneuerbaren Energien ist, dass sie schwer vorhersagbar sind und nicht zu speichern“, sagt Wilfried Elmenreich vom Institut für Vernetzte und Eingebettete Systeme an der Universität Klagenfurt. Um die sichere Versorgung einer Stadt zu gewährleisten, sind das denkbar schlechte Voraussetzungen. „Ohne einen signifikanten Teil von steuerbaren Kraftwerken wird das Netz instabil“, sagt der Professor für Smart Grids.

Den Energieverbrauch anpassen

Deshalb sei es wichtig, den Verbrauch mittels intelligenter Stromzähler an das Energieangebot anzupassen. Die Energiewende wird die Strompreise einschneidend verändern: Strom wird dann günstig sein, wenn die Sonne scheint oder Wind bläst. Smarte Technik kann dem Verbraucher helfen, den Strom idealerweise dann zu verbrauchen. „Die Frage ist, ob das sozial gerecht ist“, sagt Elmenreich. Schließlich haben beispielsweise viele Arbeitnehmer nicht die freie Wahl, wann sie Wäsche waschen oder kochen. „Sie bezahlen dann ins System ein.“ Einfacher ist es bei Kühlgeräten wie Kühlschränken oder Klimaanlagen – deren Bedarf kann man automatisch steuern, der Bewohner gibt nur eine maximale Temperatur an, und das Gerät kühlt, wenn Strom vorhanden und günstig ist.

Nicht zuletzt wäre es für die Stromanbieter günstig, wenn sie einzelne Nutzer kurzfristig abschalten könnten, um eine Überlast zu vermeiden. In den USA gibt es in einigen Staaten bereits entsprechende Stromverträge. Wer seinem Energieanbieter erlaubt, große Haushaltsgeräte bei Bedarf kurzfristig abzuschalten, bekommt Rabatt. Auch keine optimale Lösung, findet Elmenreich: „Der Durchschlag des gordischen Knotens wäre, wenn genügend Speicher vorhanden wären.“ Aber während sich Österreich mit seinen Pumpspeicherkraftwerken gerade eine goldene Nase verdient, ist Deutschland als Vorreiter im Bereich erneuerbare Energien kaum mit Speichermöglichkeiten gesegnet.

Städte sind für 70 Prozent des Verbrauchs verantwortlich

Wer weniger speichern will, braucht entweder große Stromtrassen, um die Energie beispielsweise aus dem Norden Deutschlands, wo es viele Windkraftwerke gibt, in den Süden zu transportieren – oder er muss den Strom dort erzeugen, wo er gebraucht wird. Das stellt allerdings gerade Großstädte vor eine Herausforderung. Es fehlt nicht nur die Fläche für Wind- und Solaranlagen, auch leben auf engem Raum viele Verbraucher, die häufig zu ähnlichen Zeiten Strom benötigen. Dazu kommen Industrie- und Gewerbebetriebe, die besonders viel Energie verbrauchen. Dennoch sieht Gerhard Stryi-Hipp vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) gerade die Städte in der Pflicht: „Sie sind für 70 Prozent des Energiebedarfs verantwortlich.“ Deshalb werden sie nach seiner Ansicht auch in der Energieversorgung der Zukunft eine wichtige Rolle spielen. „Beispielsweise müssen Gebäude zu Energieerzeugern werden. Dächer und Fassaden bieten genügend Flächen für Fotovoltaik- und Solarwärme-Anlagen.“

Aber auch die Städte stehen vor dem Problem der fehlenden Speicherkapazität. Angesichts der aktuell etwa 30 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien halten sich Erzeugung und Verbrauch noch die Waage. „Mittel- bis langfristig müssen wir jedoch mit steigenden Anteilen an Solar- und Windstrom in Speicher investieren“, sagt Gerhard Stryi-Hipp. Mit Kollegen hat er vorgerechnet, dass sich Frankfurt am Main aus erneuerbaren Energien der Region versorgen könnte (siehe Infokasten). „Das gelingt allerdings nur, wenn das Energiesystem deutlich effizienter wird“, schränkt Stryi-Hipp ein. Gebäude müssen besser gedämmt und verbrauchsintensive Haushaltsgeräte ersetzt werden. Und nicht zuletzt muss sich die E-Mobilität durchsetzen. Das wird sie aus seiner Sicht tun, allein aus Effizienzgründen. Der Forscher begründet das mit einem Beispiel: Wer auf 100 Quadratmeter Fläche Biomasse anbaut, kann mit dem gewonnenen Biosprit im Jahr 250 Kilometer mit dem Auto fahren. Eine Fotovoltaik-Anlage auf gleicher Fläche liefert Strom für 15 000 Kilometer.

Städte planen nicht mit Übergangszeiten von 35 Jahren

Am Ende aber droht die Theorie an der Realität zu scheitern, denn die Umsetzung der hehren Ziele ist noch völlig unklar. Während Städte normalerweise in einem Zeitraum von zwei bis fünf Jahren planen, dauert der Umstieg im Szenario für Frankfurt 35 Jahre. „Wir sind es nicht gewohnt, solche langfristigen Prozesse einer Transformation zu planen und die Pläne so flexibel zu gestalten, dass sie sich problemlos an sich verändernde Randbedingungen anpassen lassen“, sagt Stryi-Hipp.

Beispielsweise wissen wir heute nicht, welche Technologie in den 35 Jahren welche Fortschritte macht. Auch der Mensch spielt eine Rolle. Schließlich sieht der Plan der Fraunhofer-Forscher auch Energieeinsparungen vor, beispielsweise durch Gebäudedämmung. Die rechnet sich aber für Investoren wegen der derzeit günstigen Energiepreise nicht. Auch Wilfried Elmenreich verweist auf wirtschaftliche Probleme: „In vielen Fällen ist ein Kohlekraftwerk die billigste Lösung – häufig sogar, wenn es erst noch gebaut werden muss.“ Aber das erzeugt extrem viel CO2.

Intelligente Stromzähler können den Blackout provozieren

Um die Menschen in den Privathaushalten zum Sparen zu bringen, muss man aus Elmenreichs Erfahrung das Thema auch emotional verpacken. Den Schweizer Wassermesser Amphiro, der direkt an der Duscharmatur zeigt, wie viel Wasser schon verbraucht wurde, hält er für hilfreich. Das Gerät zeigt einen Eisbären auf einer Eisscholle, die mit fortschreitendem Wasserverbrauch schmilzt. Dieser emotionale Zugang ist für technisch orientierte Wissenschaftler wie ihn ungewohnt: „Der Mensch in der Schleife macht das Ganze unberechenbar, das ist spannend.“

Wenn am Ende der Mensch unterstützt von smarter Technik Jagd auf günstige Strompreise macht, kann das auch nach hinten losgehen, wie Wissenschaftler des Instituts für Theoretische Physik der Uni Bremen zeigten. Stefan Bornholdt hat mit Kollegen eine entsprechende Situation simuliert: intelligente Stromzähler gewährleisten, dass massenhaft Waschmaschinen zum gleichen Zeitpunkt starten, weil der Strom günstig ist. „Dann wird ein kollektiver Lawinen-Mechanismus ausgelöst, der die Stromnetze extrem belastet“, warnt Bornholdt. Im Extremfall könne das zu Blackouts führen. Vielleicht braucht es gar keine Hacker, wenn man schon mit smarten Stromzählern alles lahmlegen kann.

Frankfurt kann sich aus erneuerbaren Energien versorgen

Modell
Dass es auch einer Großstadt wie Frankfurt am Main möglich ist, sich aus erneuerbaren Energien der Region zu versorgen, hat das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) im Computermodell gezeigt: Die Stadt braucht dafür jedoch die Unterstützung des Umlands, aus dem etwa die Hälfte der Energie kommt.

Sinn
Ob es sinnvoll für Frankfurt wäre, sich allein auf die Energiequellen der Region zu verlassen, ist eine Frage der Optimierung. Wollte sich die Stadt im Extremfall komplett vom Netz abkoppeln, bräuchte sie Stromspeicher mit einer Kapazität von neun Gigawattstunden. Das wäre teuer und aus der Sicht des Fraunhofer-Forschers Gerhard Stryi-Hipp nicht sinnvoll: „Die entscheidende Frage ist: Lässt man zu, dass in begrenztem Umfang Strom importiert wird.“

Variante
Die günstigste Variante in seinem Modell verzichtet ganz auf neue Stromspeicher, benötigt allerdings 30 Prozent Importstrom. Das birgt ein Risiko: Niemand kann vorhersagen, wie sich die Strompreise entwickeln. Die Großstadt könnte abhängig von eventuell teurem Importstrom werden. Sie wäre auch weit von dem Ziel einer regionalen Versorgung entfernt.

Kompromiss
Stryi-Hipp schlägt deshalb einen Kompromiss vor: Das aus seiner Sicht optimale Modell geht von einem Import von durchschnittlich zehn Prozent Strom und Stromspeichern mit zwei Gigawattstunden aus. Damit ließe sich Frankfurt zu jeder Stunde im Jahr zu akzeptablen Kosten sicher und vollständig mit erneuerbaren Energien versorgen.