Jahrelang war Blackberry dem Niedergang geweiht. Nun scheint dem Geschäftsführer John Chen beim kanadischen Unternehmen die Wende zu gelingen – mit der Fokussierung auf mobile Sicherheit und der Entwicklung neuer Smartphones.

Ottawa - Auf die Frage, warum er die Führung eines Unternehmens übernommen hat, das in einem so tiefen Loch steckte, hat John Chen eine einfache Antwort parat. „Ich war der einzige, den sie finden konnten. Einer, der dumm genug war, Ja zu sagen“, meint er schmunzelnd. Zum Schmunzeln gab es nach der Übernahme der Führung des kanadischen Hightech-Giganten Blackberry zunächst wenig Anlass. Jetzt sieht es etwas besser aus. Die vergangenen Wochen bescherten dem strauchelnden Smartphone-Hersteller, der einst die Welt der Mobiltelefone und Handcomputer revolutionierte, positive Schlagzeilen.

 

Das war überhaupt nicht sicher, als der heute 59-jährige John Chen im November 2013 an die Spitze von Blackberry trat und den glücklosen früheren Siemens-Manager Thorsten Heins ablöste. Damals häuften sich die Abgesänge auf Blackberry und die Chancen, dass das Unternehmen wieder auf Erfolgskurs gebracht werden könnte. Was erst einmal Überleben bedeutete, wurde selbst von Chen nur mit „fifty-fifty“ eingeschätzt. Jetzt aber ist er überzeugt, dass eine 80 zu 20 Chance besteht, „den Patienten retten zu können“.

Unter Chen zeigt Blackberry eine neue Offenheit

Nicht nur sein Bild vom Patienten hat ihm in den Medien die Anrede „Dr. Chen“ eingebracht. Ein „Turnaround“, die Wende zu schaffen und ein im Niedergang begriffenes Unternehmen zu retten, sei wie die Arbeit eines Ärzteteams in einer Notfallambulanz, sagte er „Forbes“. Der Chef und das Team müssten die Details kennen und handeln. „Turnarounds“ seien wie eine Notfallaufnahme, „und man darf keine Angst vor Blut haben“, so Chen.

  Und Blut floss. Vor drei Jahren hatte das in Waterloo (Ontario) ansässige Unternehmen weltweit 17 500 Mitarbeiter. Jetzt sind es 7000. Der Stellenabbau hatte schon vor Chens Amtsantritt als Geschäftsführer begonnen, wurde von ihm aber zügig zum Abschluss gebracht. Jetzt können die Arbeitnehmer aufatmen. Intern und in Interviews ließ Chen verlauten, die Restrukturierung sei abgeschlossen und in Sektoren wie Produktentwicklung, Verkauf und Kundendienst würden wieder „in bescheidenen Zahlen“ Mitarbeiter eingestellt. Chen habe „die Blutungen gestoppt“, meint der Technologieanalyst Carmi Levy.

Unter Chen, der verheiratet ist und vier Kinder hat, zeigt Blackberry eine neue Offenheit. Als freundlich und ansprechbar wird der Geschäftsführer bezeichnet, der den Kontakt zu Investoren, Kunden und Öffentlichkeit nicht scheue. Was er denke und für notwendig erachte, spreche Chen mit „brutaler Ehrlichkeit“ aus, sagt Levy. Entscheidungen würden zügig umgesetzt, urteilt der Analyst, der in der Vergangenheit bei Blackberry eher eine Kultur langer Diskussionen ausmachte. Das führte in der Einschätzung von Beobachtern dazu, dass der einstige Marktführer den Anschluss an neue Entwicklungen verpasst hatte.

Chen rettete bereits ein anderes Unternehmen

Als „turnaround artist“, als Wende-Künstler, wurde Chen beschrieben, als er bei Blackberry antrat. „Fortune“ bezeichnete ihn als „corporate daredevil“ (Wagehals). Was Chen bei Blackberry schaffen sollte, war ihm schon einmal gelungen: Ende der Neunzigerjahre war er zu Sybase Inc. gekommen. Die Kalifornier, die Software für Unternehmen herstellen, befanden sich im Niedergang. Chen, der 1998 zum Geschäftsführer und Präsident aufstieg, fand für Sybase Nischen, wo sich Wettbewerber   nicht tummelten – vor allem im Mobilbereich. Als SAP 2010 Sybase kaufte, hatte das Unternehmen einen Marktwert von 5,8 Milliarden Dollar – sechsmal mehr als bei Chens Amtsantritt.

2012 verließ Chen Sybase und ging als Berater zum Investmenthaus Silver Lake. Als er gefragt wurde, was er in Zukunft machen werde, meinte er ironisch, es werde wohl im Technologiesektor sein. „Ich habe keine anderen Fähigkeiten“, so Chen – was angesichts seines Lebenslaufs als großes Understatement bezeichnet werden kann.

Chen will bei Managern und Regierungen punkten

Chen wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf. Geboren wurde er in Hongkong, wo er mit seinen Eltern in einem kleinen Apartment wohnte. 1973 kam er als 18-jähriger in die USA. An der renommierten Brown University in Providence graduierte er 1978 in Elektrotechnik, ein Jahr später folgte das Masters Degree am California Institute of Technology. Unisys, Pyramid Technology Corp. und Siemens Nixdorf waren seine beruflichen Stationen, bevor er zu Sybase stieß. Blackberry gibt nun unter Chen wieder Lebenszeichen von sich, wie sich erst jüngst mit der Bekanntgabe des Kaufs des deutschen Verschlüsselungsspezialisten Secusmart zeigte. Blackberry baute Stellen ab und verkaufte Geschäftsbereiche, die nicht zum Kerngeschäft gehören. Es ist ein stärker auf seine Kernkompetenzen fokussiertes Unternehmen geworden.

Statt mit neuer Hardware, die vom Markt nicht angenommen wurde, Rivalen wie Apple und Samsung Konkurrenz machen zu wollen und auf Unternehmen, Verwaltung und Privatkonsumenten als Kunden zu schielen, stehen nun mobile Sicherheit und Unternehmenssoftware im Zentrum. Chen will vor allem bei Kunden in Management und Regierungen punkten, die Wert auf Sicherheit legen. „Chen ist beeindruckend“, sagt Richard Tse von Cormark Securities in Toronto. Blackberry könne nicht alles für alle Leute machen, habe aber bewährte Technologie und Infrastruktur.

Im ersten Geschäftsquartal 2014 hat Blackberry die Erwartungen von Analysten übertroffen. Nun bereitet sich das Unternehmen darauf vor, neue Smartphones wie den „Passport“ auf den Markt bringen. Blackberrys Weg wird davon abhängen, wie das angenommen wird. Seine Mitarbeiter hat John Chen jedenfalls gemahnt, sie müssten weiter konzentriert arbeiten. Es gebe „keinen Spielraum für Fehler“, wenn man die Wende zum Erfolg schaffen wolle.

Der Smartphone-Pionier

Unternehmen: Blackberry wurde 1984 von Mike Lazaridis, einem ehemaligen Studenten mit griechischen Wurzeln der Universityof Waterloo, unter dem Namen Research In Motion (RIM) gegründet, um neue Kommunikationstechnologien zu entwickeln. Am 30. Januar 2013 gab RIM bekannt, ab diesem Tag unter dem Namen Blackberyy Handel zu treiben.

Produkte: Das erste bekannte Produkt war der 1998 vorgestellte Interactive Pager. 1999 wurde der Blackberry vorgestellt, der noch heute das bekannteste Produkt des Unternehmens darstellt. Er war das erste Smartphone am Markt, derzeit gibt es weltweit etwa 80 Millionen Nutzer. Seit September 2010 produziert Blackberry auch Tablet-Computer. Das Unternehmen entwickelt dabei nicht nur die Geräte, sondern auch das Betriebssystem (Blackberry OS).