Der chinesische Smartphone-Hersteller Xiaomi rollt mit billigen Geräten den Markt auf. Viele vergleichen das Unternehmen mit dem US-Pionier Apple – und Xiaomi-Chef Lei Jun mit dem charismatischen Apple-Gründer Steve Jobs.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Peking - Wenn der Unternehmensgründer Lei Jun in Jeans und dunklen Shirts auf die Bühne tritt, wirkt das nicht zufällig wie eine Reinkarnation des Apple-Gurus Steve Jobs. „Wir müssen uns nicht verstecken“, sagte Firmengründer Lei bei der groß inszenierten Präsentation seines neuesten Smartphone-Modells am Firmensitz in Peking.

 

Zumindest das Tempo, das Xiaomi vorlegt, sucht seinesgleichen. Binnen drei Jahren ist die chinesische Firma aus dem Nichts zu einem der größten Smartphone-Hersteller weltweit geworden. Im Herbst lag sie laut der Marktforschungsfirma IDC hinter Samsung und Apple auf Platz drei. Von Xiaomi, das sich in etwa so ausspricht wie das englische „Show me“, dürften die meisten Smartphonenutzer in Europa dennoch nie gehört haben – fast alle ihre Geräte verkauft die Firma bisher in China.

Xiaomi hat Apples Geschäftsmodell kopiert – und für China perfekt angepasst. Apples Designchef Jony Ive hat im Herbst den Chinesen vorgeworfen, dass sie den US-Konzern nachzuäffen versuchten: „Es ist Diebstahl und es ist faul – es ist einfach nicht in Ordnung“, sagte er. Hugo Barra, der im Jahr 2013 von Google abgeworbene Vizechef von Xiaomi, zahlte in gleicher Münze zurück: „Das ist ein aufgeblasenes, sensationsheischendes Statement!“

Gigantischer Hype um die Marke

Die Firma hat einen Hype um die eigene Marke entfacht, der in China der Apple-Religion in nichts mehr nachsteht. Die Kommentare und das Feedback der Nutzer spielen bei der Weiterentwicklung der Produkte eine große Rolle. Für junge Chinesen sind die technisch hochgerüsteten, aber viel billiger als bei der Konkurrenz zu erhaltenden Geräte geradezu Kult. Virtuos spielt Xiaomi mit den sozialen Medien. Firmenchef Lei Jun hat auf dem chinesischen Twitter Sina Weibo mehr als einer Million Follower. Doch es wäre zu einfach, die Chinesen nur als Hersteller von iPhone-Klonen abzutun. Xiaomis Geschäftsmodell weist längst über Apple hinaus. Die Chinesen verdienen mehr Geld mit den Diensten, Apps und Abonnements, die sie um ihre Geräte gruppieren, als mit der Hardware selbst. Es ist dieses zukunftsweisende Konzept, das Xiaomi so erfolgreich macht.

„Chinas Apple“, wie das Unternehmen mit leiser Ironie, aber auch mit Respekt genannt wird, ist ein Paradebeispiel dafür, wie schnell dynamische Unternehmen aus der Volksrepublik die Märkte aufrollen können. Xiaomi entwickelt sich selbst nach chinesischen Maßstäben besonders rasant.

Anfang 2014 hat Xiaomi in China bei Smartphones den Marktführer Samsung vom Thron gestoßen. Kurz vor Weihnachten hat man eine Milliarde Dollar an Investorengeldern eingesammelt. Mit einer Marktbewertung von etwa 45 Milliarden Dollar ist das Unternehmen damit hinter der Einkaufsplattform Alibaba, dem sozialen Netzwerk Tencent und der Suchmaschine Baidu unter die großen Vier des chinesischen Digitalmarktes vorgerückt. Der Ex-Google-Manager und Xiaomi-Vizechef Barra sagt, wohin die Reise geht: „Wir wollen eine globale Firma aufbauen, die einmal so bedeutend werden kann wie Google.“

Jedes dritte Smartphone wird in China verkauft

Der chinesische Markt bietet dabei für Unternehmen wie Xiaomi oder dessen Konkurrenten Lenovo oder Huawei exzellente Startbedingungen. „Wenn man verstehen will, wie China Innovationen vorantreibt, dann muss man nur seinen hyperkompetitiven Markt für Smartphones anschauen“, schreibt das britische Wirtschaftsmagazin Economist. Heute wird in China jedes dritte Smartphone weltweit abgesetzt. Der Absatz ist dreimal so hoch wie in den USA. „Das Zusammenspiel eines riesigen Marktes und kostenbewusster Konsumenten, zwingt dazu, die Kosten für die Komponenten zu drücken, die Auftragsfertigung effizienter zu machen und technologische Innovationen schneller umzusetzen“, schreibt der Economist.

Hochtechnologie zu günstigen Preisen, dies könnte zum Startvorteil vor allem in den Schwellenländern werden, wo in den kommenden Jahren das größte Wachstumspotenzial liegt. Dass sich die Chinesen auf Märkte wie Indien oder Brasilien stürzen, hat aber einen weiteren Grund. In diesen Staaten ist häufig der Patentschutz schwächer, der auf den europäischen und amerikanischen Märkten bisher den Marktstart erschwert. Ein Patentstreit in Indien, der erst vor wenigen Tagen zugunsten von Xiaomi gelöst wurde, hat aber gezeigt, dass es aber auch dort Hürden für die chinesische Expansion gibt. Lenovo hat deshalb in jüngster Zeit milliardenschwere Patentportfolios gekauft – etwa als man den einstigen US-Hersteller Motorola von Google übernommen hat. Die juristischen Schlachten sind nämlich heute so wichtig wie die technologischen Erfolge. Dies ist ein weiterer Grund, warum sich die Chinesen die Expertise früherer Google-Spitzenmanager an Bord geholt haben.

Bisher testet Xiaomi den europäischen Markt nur in Italien. Auch in Deutschland gibt es Importeure, welche die unter dem Produktnamen „Mi“ angebotenen Geräte besorgen können. Die Tatsache, dass das Preis-Leistungs-Verhältnis offenbar so gut ist, dass sich in Deutschland einzelne Kunden die Geräte individuell beschaffen, spricht für das Potenzial der Marke.