Wer im Ausland unterwegs ist, möchte vorher oft noch einige Sätze in der Landessprache lernen. In den App-Stores hat man die Wahl zwischen Hunderten von Angeboten. Was taugen die digitalen Fremdsprachenlehrer?

Stuttgart - „Un espresso, per favore!“ Einen Espresso in Rom zu bestellen, das schaffen wohl die meisten deutschen Italienurlauber. Doch schon bei der Nachspeise wird es schwieriger: Wie sagt man doch gleich „zwei Kugeln Eis“ auf Italienisch? Ganz zu schweigen von den gewünschten Geschmacksrichtungen. Wer im Ausland unterwegs ist, möchte vorher oft noch einige Vokabeln und Sätze in der Landessprache lernen beziehungsweise seinen Wortschatz auffrischen, um sich im Zielland zurechtzufinden oder sogar ein paar Worte mit den Einheimischen zu wechseln.

 

Eine App sei dazu besser geeignet als ein Lehrbuch, sagt der Sprachwissenschaftler Fabian Bross von der Universität Stuttgart: „Im Gegensatz zu einem Buch gibt die App dem Lernenden eine direkte Rückmeldung zu seinen Übungen.“ Ein weiterer Vorteil der Smartphone-Anwendung: Sie ist nicht an typische Lernorte gebunden. In der U-Bahn kann man sie genauso nutzen wie zu Hause, „auch wenn ich mir vorstellen kann, dass man daheim, in Ruhe, effektiver lernt“, sagt Fabian Bross.

Der Preis sagt nichts über die Qualität aus

Doch wie soll man sich bei der Vielzahl an Angeboten entscheiden? In den App-Stores haben Smartphone-Nutzer die Wahl zwischen Hunderten von Angeboten. Die wohl bekanntesten heißen Duolingo, Babbel und Busuu, doch auch Wörterbuch-Verlage wie Pons oder Langenscheidt haben eigene Anwendungen auf dem Markt. Eine erste Orientierung geben die Bewertungen anderer Nutzer sowie die Kurzbeschreibung der App im Store. Dort steht auch, welche Sprachen man mit der Anwendung lernen kann und wie viel sie kostet. Der Preis sagt aber nichts über die Qualität aus. Denn viele Hersteller finanzieren sich nicht über ein Abo-Modell, sondern über Werbeeinblendungen. Da die Preisunterschiede zum Teil sehr groß sind, bietet es sich an, zunächst einmal mehrere Apps herunterzuladen und sie eine Zeit lang im kostenfreien Bereich zu testen.

Große Unterschiede gibt es auch beim Datensendeverhalten. Für unkritisch hält die Stiftung Warentest nur solche Apps, die ausschließlich Daten übertragen, welche für ihre Funktion notwendig sind. Von Anwendungen, die zusätzlich Daten über den Nutzer, das Nutzerverhalten oder das Smartphone senden – und das zum Teil sogar unverschlüsselt – raten die Warentester ab.

Bei der Entscheidung kann auch helfen, sich klarzumachen, welches Ziel man eigentlich hat, sagt Fabian Bross: „Möchte ich im Urlaub nur ein Brötchen beim Bäcker bestellen können oder gar eine Konversation führen?“ Manche Apps bieten auch Übungen für Fortgeschrittene an. Doch egal, wie hoch das eigene Sprachniveau ist, die App sollte auf jeden Fall möglichst viel Rückmeldung geben, „zur Aussprache, zu den Schreibübungen, zu den gelernten Vokabeln“, sagt Fabian Bross. Dass man nur mit einer App eine Sprache erlernen kann, bezweifelt der Sprachwissenschaftler aber: „Eine Sprache lernt man hauptsächlich über die Interaktion mit anderen.“

Die Haken der Fremdsprachen-Apps

Dieser Ansicht ist auch Detmar Meurers, Professor für Computerlinguistik an der Universität Tübingen mit Schwerpunkt Spracherwerb im LEAD Forschungsnetzwerk. Eine App eigne sich gut, um die ersten Wörter einer Sprache kennenzulernen und einige Sätze einzuüben, sagt er. Damit lerne man zwar nicht die Sprache, aber es sei der erste Schritt dahin. „Auch kleine Kinder lernen Sprache durch zahlreiche Beispiele im Kontext“, sagt er. „Sie können aus diesen Beispielen aber besser unbewusst ableiten, wie die Sprache allgemein funktioniert.“

An dieser Stelle zeigt sich der wohl größte Haken der Anwendungen: Kaum eine hilft dem Lerner dabei, relevante grammatische Formen einzuüben. „Eine Hilfestellung beim Entdecken der Grammatik ist für Erwachsene aber notwendig für den Zweitspracherwerb“, sagt Detmar Meurers. „Man muss darauf hingewiesen werden, welche Formen wo relevant sind, und diese dann möglichst in der Interaktion einüben.“ In den derzeit verfügbaren Apps muss sich der Nutzer mittels der Übungen die Grammatik meist selbst erschließen. Und das gelingt mal mehr, mal weniger gut. Zumal kein Lehrer zur Stelle ist, der bei einer falschen Eingabe darüber aufklärt, wie man es besser machen könnte – dass zum Beispiel die Pluralform statt des Singulars verwendet werden sollte.

Auch das Trainieren der Aussprache sei oft problematisch, sagt Detmar Meurers: „Es gibt prinzipiell viele unterschiedliche Arten, ein Wort wie ein Muttersprachler auszusprechen.“ Welche Unterschiede noch durchgehen und welche problematisch sind, können Apps meist nicht unterschieden – sofern sie überhaupt ein Aussprachetraining bieten. Im direkten Vergleich ist ein Sprachkurs, bei dem die Teilnehmer untereinander und mit dem Lehrer vor Ort kommunizieren können, also klar im Vorteil.

Der Spaßfaktor ist bei manchen Anwendungen hoch

Dass eine App interaktiv und differenziert wie ein Tutor auf ihren Nutzer reagiert, Übungen auf dessen Sprachniveau anpasst, das sei vielleicht in einigen Jahren der Fall, so Detmar Meurers. „Auf dem aktuellen Markt gibt es so etwas noch nicht.“ Das heißt aber nicht, dass man auf die Apps verzichten muss. Als Zusatz zum Sprachkurs, als stets griffbereites Wörterbuch im Urlaub oder als kleine Ablenkung in der Stadtbahn erfüllen Sprachlern-Apps durchaus ihren Zweck.

Nicht zuletzt soll das Erlernen einer neuen Sprache Spaß machen – und der Spaßfaktor ist bei manchen Anwendungen sogar ziemlich hoch. Wie bei einem Spiel muss der Nutzer sich bei ihnen von Level zu Level hangeln, kann bei Sprachübungen Punkte sammeln, sich zum Teil auch in App-eigenen Gruppen mit anderen Nutzern austauschen. „Der Lernende hat ein doppeltes Erfolgserlebnis“, sagt Fabian Bross. Zum einen, wenn die App zurückmeldet, dass man eine Übung erfolgreich bewältigt hat, zum anderen, wenn man später, im Zielland, die Sprache richtig anwendet. „Das gewünschte Brötchen im Ausland vom Bäcker überreicht zu bekommen“, sagt er, „kann schon einmal Glückshormone freisetzen.“

Das Smartphone als Deutschlehrer

Test: Die Stiftung Warentest hat im Mai 2016 zwölf Apps zum Deutschlernen für arabischsprachige Geflüchtete getestet. Neun davon richten sich an Erwachsene, drei an Kinder.

Testsieger: Nur zwei Apps für Erwachsene halten die Tester für empfehlenswert: Das Lernprogramm „Ankommen“ vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) sowie das Lernspiel „Lern Deutsch – Stadt der Wörter“ vom Goethe-Institut. Beide Apps bauen Wortschatz auf, trainieren Hören, Lesen und Schreiben und bieten Grammatikübungen.

Datensicherheit: Von einigen Angeboten rät die Stiftung Warentest hingegen ab: Die Anwendungen Ahmad Soboh, Itech Cloud Apps und Verlag Herder enthalten nach Angaben der Verbraucherschützer keine Übungen. Die App von Itech Cloud Apps fiel außerdem durch ihr Datensendeverhalten auf: Sie überträgt Nutzerdaten, ohne diese zu verschlüsseln. Das sei auch bei den Apps des Goethe-Verlags und Salla der Fall. Den vollständigen Test findet man im Internet unter www.test.de/Apps-zum-Deutschlernen-Nur-zwei-von-zwoelf-empfehlenswert-4989440-0/