Das „Social Freezing“, bei dem Eizellen für eine spätere Schwangerschaft entnommen und eingefroren werden, funktioniert im Prinzip wie eine künstliche Befruchtung. Die Hormonbehandlung ist zwar verträglicher geworden, hat aber Nebenwirkungen.

Stuttgart - Es wird bald gang und gäbe sein, dass Männer und Frauen ihre Spermien und Eizellen in jungen Jahren einfrieren und sich danach sterilisieren lassen. Ihre ein bis zwei Kinder würden sie einfach später mit Hilfe künstlicher Befruchtung bekommen.“ Dies sagte vor etwas mehr als einem Jahr Carl Djerassi, der „Vater der Pille“, in einem Interview zu seinem 90. Geburtstag. Der Biochemiker ist sich sicher, dass seine Erfindung, die Anti-Baby-Pille, überflüssig werden könnte in Sachen Familienplanung, und er läutet gar ein neues Zeitalter der Fortpflanzung ein.

 

Dazu passt das „Social Freezing“, das momentan in aller Munde ist, sehr gut. Dabei geht es darum, dass sich gesunde Frauen im gebärfähigen Alter Eizellen entnehmen und diese einfrieren lassen. Jahre später können sie diese Eizellen auftauen, befruchten und implantieren lassen. Damit soll es möglich sein, sich auch in späten Jahren noch seinen Kinderwunsch zu ermöglichen – entegegen den biologischen Voraussetzungen. Die biologische Uhr soll angehalten werden.

Gründe dafür scheint es genug zu geben: Die Karriere ist im biologisch gebärfreudigen Alter zwischen 20 und 30 Jahren noch nicht abgeschlossen. Vielleicht ist auch der richtige Mann noch nicht aufgetaucht. Vielleicht ist das Wunschhaus noch nicht gebaut, die Weltreise noch nicht gemacht oder es passt eben einfach gerade nicht. Nur mit Hilfe der Anti-Baby-Pille oder Kondomen lies sich bisher der Familienzuwachs planen. Das Einfrieren von Eizellen ist erst in jüngster Zeit möglich.

Spermien lassen sich einfacher einfrieren als Eizellen

Im Gegensatz zu Samenzellen, die sich problemlos in einer Samenbank über viele Jahre hinweg bei niedrigen Temperaturen konservieren lassen, ist das bei Eizellen nicht so einfach. Eizellen bestehen größtenteils aus Wasser, das beim langsamen Einfrieren kristallisiert. Diese Eiskristalle zerstören die empfindliche Zellhülle. Erst mit der sogenannten Kryokonservierung ist es möglich, die weiblichen Geschlechtszellen ohne Schaden einzufrieren. Bei diesem Schockfrieren, das auch Vitrifikation genannt wird, werden die Eizellen mit einer dünnen Nadel wie mit einem Strohhalm aufgesogen und sofort in flüssigen Stickstoff getaucht. Bei minus 196 Grad Celsius werden alle chemischen und physikalischen Prozesse aufgehalten und die Eizelle bleibt in ihrem Ursprungszustand. Bevor man jedoch Eizellen entnehmen kann, muss die Frau eine etwa zweiwöchige Hormontherapie machen – wie bei der künstlichen Befruchtung. Durch die Hormone werden ihre Eierstöcke angeregt, mehr als nur eine oder zwei Eizellen zu bilden. Vielmehr sollten es mindestens zehn sein, damit sich die Entnahme lohnt. Mittlerweile ist diese Hormontherapie nicht mehr so belastend wie noch vor einigen Jahren. Doch mit Nebenwirkungen wie etwa Übelkeit, Kopfschmerzen und Herzrasen ist zu rechnen. Viele Frauen erzählen, dass sie sich in dieser Zeit nicht besonders wohl gefühlt hätten.

Am sinnvollsten ist die Entnahme zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr. In dieser Zeit ist eine Frau besonders fruchtbar, denn dieZahl der Eizellen ist endlich. Bei der Geburt hat ein Mädchen ein bis zwei Millionen Eizellen im Körper, in der Pubertät sind noch etwa 400 000 Zellen übrig. Pro Zyklus, also jeden Monat, verliert die Frau etwa 1000 Eizellen, die Zahl reduziert sich also pro Jahr um 12 000 Stück. Zudem nimmt die Qualität der Eizellen ab, genetische Veränderungen werden mit dem Alter immer häufiger. Das erschwert den Samenzellen des Mannes den Zugang, die Zeugung wird immer schwieriger. Zudem erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für eine Fehlgeburt oder Behinderungen in der Entwicklung des Kindes. Mit dem Alter von 30 Jahren sinkt die Fruchtbarkeit schließlich rapide. Fruchtbarkeitsmediziner drücken dies in Prozenten aus: Mit 25 Jahren liegt die Chance, bei regelmäßigem Sex schwanger zu werden, jeden Monat bei 30 Prozent. Bei einer 35-Jährigen sind es nur noch 20 Prozent und ab dem Alter von 40 Jahren sinkt die Wahrscheinlichkeit unter fünf Prozent.

Schwangerschaft auch nach der Chemotherapie

Bisher ging es bei der Kryokonservierung von Eizellen vor allem darum, kranken jungen Frauen zu helfen. Patientinnen, die beispielsweise an einem Tumor leiden und onkologisch behandelt werden, wurde bisher von Krebstherapeuten empfohlen, nach der Therapie keine Kinder mehr zu bekommen. Einerseits weil Eizellen, Eierstöcke oder Gebärmutter durch die Erkrankung geschädigt wurden, andererseits weil durch belastende Therapien das Erbgut der mütterlichen Zellen verändert wurde. Für diese Patientinnen bedeutet das Einfrieren, dass sie auch nach einer Krebstherapie Kinder bekommen können.

Vor einigen Jahren haben – zunächst in den USA und immer häufiger auch hierzulande – gesunde Frauen das Einfrieren von Eizellen für sich entdeckt. Möglich ist dies finanziell gut situierten Frauen: Je nach Praxis kostet die Hormonstimulation zwischen 3000 und 5000 Euro. Die Kosten für die Lagerung sind ebenfalls je nach Anbieter unterschiedlich: Für 10 bis 15 Eizellen muss man bis zu einigen hundert Euro im Monat berappen. Wer seine Eizellen schließlich auftauen und befruchten lassen möchte, muss noch einmal zwischen 2000 und 3000 Euro rechnen. Die Krankenkasse bezahlt das „Social Freezing“ nicht. In den USA wollen, wie berichtet, die Unternehmen Apple und Facebook ihre Mitarbeiterinnen dabei finanziell unterstützen.

Bei der Befruchtung werden die Methoden aus der künstlichen Befruchtung eingesetzt. Wie die Chancen für eine erfolgreiche Schwangerschaft stehen, ist noch nicht klar. Dafür gibt es bisher zu wenig Erfahrung.