Etwa 15 bis 20 Prozent der Deutschen haben immer wieder Probleme mit Sodbrennen. Sollten sie ihre Speiseröhre spiegeln lassen, um Krebsrisiken auszuschließen? Das kommt darauf an, sagen Magenspezialisten, und fassen nun ihre Empfehlungen zusammen.

Stuttgart - Viele Gastroenterologen sehen sich bei der Frage „Speiseröhre spiegeln – ja oder nein?“ in einem Dilemma. Auf der einen Seite dürfen sie keine Krebsrisiken übersehen. Auf der anderen Seite entstehen unnötige Belastungen für den Patienten und Kosten für das Gesundheitssystem. Experten des American College of Physicians (ACP) haben nun Empfehlungen der größten US-Fachgesellschaften praxistauglich zusammengestellt.

 

Etwa 15 bis 20 Prozent der erwachsenen Bevölkerung haben Beschwerden durch einen Rückfluss von Mageninhalt in die Speiseröhre – die Mediziner sagen dazu Reflux. Die enthaltenen Verdauungsenzyme und die Magensäure greifen die Schleimhaut an und führen bei schätzungsweise jedem dritten Refluxpatienten zu einer Entzündung. Diese sogenannte Refluxösophagitis kann ihrerseits die Basis für Zellveränderungen sein: Die normale Zellschicht wandelt sich nämlich in diesen Fällen als Schutz gegen die Säure in ein widerstandsfähigeres Deckgewebe um, das jedoch entarten kann. Das Risiko einer Speiseröhrenkrebserkrankung erhöht sich wesentlich. Ärzte sprechen dann von einer „Barrett-Speiseröhre“.

Sollten deshalb vorsichtshalber alle Refluxpatienten die Speiseröhre samt Magen spiegeln lassen? Die Meinungen gehen hier auseinander. Nicht einmal die internationalen Fachgesellschaften sind sich einig. Eine übereinstimmende Meinung gibt es nur in Fällen mit familiärer Vorbelastung, in denen man die Speiseröhre am besten bereits ab dem 40.Lebensjahr untersucht.

Viele Patienten mit Speiseröhrenkrebs hatten kein Sodbrennen

Fakt ist: der Reflux alleine erhöht das Risiko für einen Speiseröhrenkrebs kaum. So beträgt das jährliche Krebsrisiko für 50-Jährige mit Sodbrennen nur 0,04 Prozent pro weiteres Lebensjahr. Aber etwa 40 Prozent der Speiseröhrenkrebspatienten hatten zuvor kein Sodbrennen. „Treten über längere Zeit typische Symptome wie Sodbrennen, Brennen hinterm Brustbein oder Säurefluss in den Mund auf, muss zunächst nicht gespiegelt werden“, sagt Jörg Schirra, Leitender Oberarzt am Klinikum Großhadern in München. „Erst wenn ein Säureblocker, ein sogenannter Protonenpumpenhemmer, rund acht Wochen eingenommen wurde und die Beschwerden nach Absetzen dieser PPI erneut auftreten, sollte man nachschauen.“ Wie immer gibt es auch hier eine Ausnahme: Man kann doch spiegeln, wenn die Betroffenen männlich und bereits über 50 Jahre alt sind, denn rund 80 Prozent der Speiseröhrenkrebserkrankungen betreffen diese Gruppe. Treten atypische Symptome wie Schmerzen in der Brust auf, die an einen Herzinfarkt erinnern, dann ist es ratsam, zunächst keine Säureblocker einzunehmen und erst einmal zum Herzspezialisten (Kardiologen) zu gehen. Wenn aus dessen Sicht alles in Ordnung ist, wird der Gastroenterologe spiegeln. „Die Spiegelung ist auch nötig, wenn Alarmsymptome wie Bluterbrechen, Schluckbeschwerden, Gewichtsverlust oder Blutarmut auftreten“, sagt Schirra. „Es kann sich dann zwar auch um eine gutartige Speiseröhrenverengung oder um eine schwere Entzündung der Speiseröhrenschleimhaut handeln, aber der Speiseröhrenkrebs muss ausgeschlossen werden.“

Doch was tun, wenn der Arzt bei der Spiegelung der Speiseröhre eine sogenannte Barrett-Schleimhaut findet, wie das bei rund zehn Prozent der Patienten mit chronischem Sodbrennen der Fall ist? Die Barrett-Schleimhaut ist eine Refluxfolge. Bei neun von zehn Speiseröhrenkrebserkrankungen entsteht der Krebs auf der Basis einer Barrett-Schleimhaut zumeist im unteren Drittel der Speiseröhre. Wenn noch keine entarteten Zellen vorliegen, dann beträgt das Krebsrisiko etwa 0,3 Prozent pro weiteres Lebensjahr. Die US-amerikanischen Fachgesellschaften empfehlen in diesem Fall, alle drei bis vier Jahre nachzuschauen. Liegen dagegen bereits entartete Zellen vor, steigt das Krebsrisiko deutlich an: bei leichter (geringgradiger) Entartung auf ein bis zwei Prozent pro Jahr und bei starker (hochgradiger) Entartung sogar auf mehr als sechs Prozent pro Jahr. Während es bei leichter Entartung möglich ist, alle sechs Monate zu kontrollieren, ist die Barrett-Schleimhaut bei starker Entartung zu behandeln: „Sie lässt sich lokal endoskopisch-chirurgisch entfernen oder mit der sogenannten Radiofrequenztherapie zerstören. Dann wächst gesunde Schleimhaut nach“, erklärt Schirra.