Die Bürger des kleinen Ortes Emeringen sind hartnäckig. Sie wollten eine Solaranlage auf dem Dach ihrer Pfarrscheuer - und haben deshalb geklagt.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Emeringen - Drei hölzerne Schwenktore, ein ausladendes Dach, das ist die Pfarrscheuer des Dorfes Emeringen im Alb-Donau-Kreis. Dahinter beginnen endlose Wiesen und Äcker. Das nebenstehende Pfarrhaus aus dem 17. Jahrhundert mit seinem prächtigen Fachwerk stiehlt dem halb von Bäumen verdeckten historischen Zweckbau die Schau. Das Gebäudeensemble, zu dem auch die Dorfkirche gehört, liegt leicht erhöht über dem Dorf, von hier aus streicht der Blick über die Dächer der vielen Bauernhäuser der Umgebung. Von überall her blinkt Sonnenlicht, reflektiert von großflächigen Solaranlagen, die von findigen Landwirten und sparsamen Privatleuten installiert wurden.

 

Auch die katholische Pfarrgemeinde St.Urban wollte vor drei Jahren die Dachfläche ihrer Pfarrscheuer zur Stromproduktion nutzen und wusste sich damit im Einklang mit dem Bischof Gebhard Fürst, oberster Geistlicher der Diözese Rottenburg-Stuttgart. "Für den Bischof ist das schon lange ein Anliegen", sagt ein Sprecher der Diözese. Wegen der drastisch gestiegenen Energiekosten, aber auch, weil dem Bischof "die Bewahrung der Schöpfung ein theologisches Anliegen" sei.

2008 stellte die Kirchengemeinde, vertreten durch ihren Kirchengemeinderat, beim Landratsamt des Alb-Donau-Kreises die denkmalschutzrechtliche Genehmigung zum Aufbau einer Fotovoltaikanlage mit 96 Kollektoren. Die untere Denkmalbehörde in Ulm aber lehnte den Antrag ab, nicht ohne zuvor eine Stellungnahme des Referats Denkmalpflege beim Regierungspräsidium Tübingen eingeholt zu haben. Die spiegelnde Glasdachdeckung, so wurde das Nein begründet, beeinträchtige das Kulturdenkmal und die ganze Umgebung.

Das neuerliche Urteil macht die Behörden sprachlos

Der Kirchengemeinderat zeigte sich, unterstützt durch die Diözese, kämpferisch. Das Gremium erhob gegen den Ablehnungsbescheid Klage beim Verwaltungsgericht Sigmaringen. Doch die Sigmaringer Richter pflichteten dem amtlichen Denkmalschutz bei. Es kam zur Berufungsverhandlung beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH), zu der auch eine Ortsbegehung in Emeringen gehörte.

Das neuerliche Urteil macht die Behörden sprachlos. Der VGH kassierte sowohl den Bescheid des Landratsamts als auch den Sigmaringer Richterspruch. Eine Fotovoltaikanlage, so der 1. Mannheimer Senat, beeinträchtige das Erscheinungsbild der Pfarrscheuer nicht. Die Denkmalbehörden im Land hätten "durch Fotovoltaikanlagen hervorgerufene Beeinträchtigungen eines Kulturdenkmals wegen des in der Verfassung verankerten Klimaschutzes in stärkerem Maße hinzunehmen (...) als Beeinträchtigungen durch andere bauliche Veränderungen". Der VGH verpflichtet in seinem Urteil die Denkmalschutzbehörde, noch einmal über den Genehmigungsantrag zu entscheiden. Dabei sei "die Rechtsauffassung des VGH zu beachten".

Im zuständigen Fachreferat des Regierungspräsidiums verordnete man sich am Freitag erst einmal Schweigen. "Wir wollen das schriftliche Urteil abwarten", sagte ein Sprecher. Ein vorläufiger Schriftsatz des Verwaltungsgerichtshofs macht jedoch etwaige zaghafte Hoffnungen, die Fotovoltaikanlage doch noch verbieten zu können, zunichte. Bei der Abwägung, was eine Beeinträchtigung des öffentlichen Erscheinungsbildes sei und was nicht, so der Senat, komme es "auf das Empfinden des für Belange des Denkmalschutzes aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachters an". Tatsächlich seien in den vergangenen Jahren Solaranlagen, gerade auch auf Scheunendächern, in so großer Zahl errichtet worden, "dass derartige Anlagen in ländlich strukturierten Gegenden heute zum normalen Erscheinungsbild" gehörten.

"Mannheimer Richterspruch bahnbrechend"

Der Klimaschutz sei als "Staatszielbestimmung im Grundgesetz und in der Landesverfassung verankert". Denkmalschutzbehörden hätten nicht nur abzuwägen, ob eine Solaranlage das schützenswerte Erscheinungsbild eines Denkmals beeinträchtige, sondern "nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob sie die Genehmigung dennoch erteile". Diese Abwägung habe das Regierungspräsidium in seiner Entscheidung nicht erkennen lassen.

Für die Diözese ist der Mannheimer Richterspruch bahnbrechend. Emeringen sei "der exemplarische Fall einer Auseinandersetzung, die wir schon seit längerer Zeit mit dem Denkmalschutz führen", so der Sprecher. Der Bischof Fürst wolle, wie es mit den 90 katholischen Schulen schon geschehen ist, sämtliche kircheneigenen Liegenschaften, die sich dafür eigenen, so bald wie möglich mit Solaranlagen ausrüsten lassen. Der VGH hat eine Revision seines Urteils ausgeschlossen.


Emeringen Nur noch etwa 140 Einwohner hat die Gemeinde Emeringen, sie ist somit die kleinste Württembergs. Das denkmalgeschützte Emeringer Pfarrhaus wurde 1723 im Auftrag der ehemaligen Benediktinerabtei Zwiefalten erbaut. Über dem alten Eingang zeigt sich bis heute das Klosterwappen. 2005 wurde das Haus grundlegend renoviert, Mieter ist seitdem ein evangelischer Pfarrpensionär.

Rechtsmittel Der VGH Mannheim hat eine Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Dagegen kann das Land Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht erheben. Diese muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des schriftlichen Urteils eingereicht werden.