Der Solitude-Chor geht im Januar auf Konzertreise nach Lodz. In der Partnerstadt Stuttgarts führen die Sängerinnen und Sänger das Holocaust-Oratorium „I believe“ auf. Vorher gibt es noch gemeinsam mit dem Wolfbusch-Jugendchor und dem Blechbläser-Ensemble drei Konzerte in Stuttgart.

Weilimdorf - Wenn der Solitude-Chor Ende Januar nach Lodz fährt, wird er dort nicht zum ersten Mal „I believe“ singen, das Holocaust-Oratorium des kanadischen Komponisten Zane Zalis. Schon 2013 hat das engagierte Vokal-Ensemble die Deutsche Erstaufführung des 2011 in Winnipeg uraufgeführten Werkes gestaltet. Später sind etliche Chormitglieder nach New York gereist, um bei einer weiteren Aufführung mitzuwirken.

 

Nun also Polen. Und das ist aus mehreren Gründen für die Chormitglieder etwas ganz Besonderes. Da ist zum einen die Tatsache, dass Lodz die Partnerstadt von Stuttgart ist, weswegen die Stadt das Projekt auch unterstützt und Oberbürgermeister Fritz Kuhn die Schirmherrschaft übernommen hat. Es gibt aber auch ganz persönliche Berührungspunkte. Kerstin Bühl beispielsweise hat polnische Wurzeln. „Meine Großeltern lebten in Schlesien. Mein Vater ist dort geboren und war dort bis zur Flucht 1945“, erzählt sie. Vor zwei Jahren ist sie mit ihren Geschwistern hingefahren, wurde von den Menschen im Ort mit großer Freundlichkeit und Offenheit empfangen. „Da werden die Wurzeln lebendig.“ Für sie war es keine Frage, dass sie bei diesem Projekt mitmachen möchte.

Auch Doris Dachtler hat nicht einen Moment lang gezögert, sich zu melden. „Wir sind sehr stolz darauf, dass wir das Oratorium in Lodz singen dürfen. Es ist nicht nur die Partnerstadt Stuttgarts, sondern dort befand sich auch das zweitgrößte Getto in Polen.“ Sie seien nach wie vor ergriffen von Zane Zalis‘ Werk, sagt sie. „Wir bekommen immer noch Gänsehaut.“ Sie bewundere den Komponisten und die Art und Weise, wie er die Geschichte des Holocaust in Musik umgesetzt habe. So wird der Holocaust beispielsweise auf ganz persönliche Weise aus der Perspektive der betroffenen Kinder geschildert. Es geht darum, dass die Menschen plötzlich keinen Namen mehr haben und nur noch Zahlen sind. Und auch darum, dass eigentlich so gut wie alle nach der Befreiung vor dem Nichts stehen.

Die Aufführung ist auch ein Friedensprojekt

Dass der Chor gerade dieses Werk an diesem Ort aufführt, ist für die Vokalisten ein Friedenprojekt. Sie verstehen sich auch als Botschafter, die zeigen möchten, dass das Erinnern und Aufarbeiten nach wie vor aktuell sind. Die Chormitglieder werden sich im Rahmen der Konzertreise auch die Stadt Krakau und die KZ-Gedenkstätte in Auschwitz ansehen. Dass der Stuttgarter Chor dort im „Großen Theater“ (Teatr Wielki) zusammen mit dem Orchester und dem Kinderchor des Hauses das Holocaust-Oratorium singen wird, ist dem Einsatz von Joanna Rosner zu verdanken. Sie stammt aus Polen und hat Kontakt mit den Veranstaltern der „Gedenktage“ aufgenommen, die dieses Jahr zum siebten Mal in Lodz aus Anlass des Internationalen Tages des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar stattfinden. Am 27. Januar 1945 wurden die Menschen in den Lagern von Auschwitz durch die Rote Armee befreit. „Damals waren Polen und Juden gemeinsam Opfer“, betont Rosner. „Heute möchten wir eine klare Stimme der Erinnerung sein – gegen jede Art von Radikalismus.“ Für Heike Graser, die Vorsitzende des als Verein organisierten Chores, ist es wichtig, dass die Chormitglieder mit „I believe“ eine Friedensbotschaft nach Lodz bringen. „Das Werk ist sehr versöhnlich. Es hat keinen erhobenen Zeigefinger, wendet sich aber gegen Ausgrenzung und Nationalismus.“ Albrecht Wittmann war als Lehrer mit Schulklassen schon mehrmals in Polen und bringt für die Chormitglieder viel Informationsmaterial zu den Proben mit. Ihn beeindruckt, dass die Menschen in Polen, wie er erzählt, zwar offen für Gespräche sind, „uns aber nichts anhängen möchten“.

Aufgrund der Konzertreise, das ist der einzige Wermutstropfen, wird der Chor nicht wie sonst Ende Januar ein größeres Konzert im Raum Stuttgart geben. Das Publikum darf sich dafür über etwas aufwändiger gestaltete Konzerte in der Adventszeit freuen. Klaus Breuninger, der Leiter des Solitude-Chores, hat eigens für diese Konzerte traditionelle und weniger bekannte weihnachtliche Melodien arrangiert. Dargeboten werden sie vom Solitude-Chor, dem Hohenheimer Sinfonieorchester, dem Denkendorfer Blechquartett und dem Wolfbusch-Jugendchor unter Leitung von Edith Hartmann.

Konzerttermine

Der Solitude-Chor, der Wolfbusch-Jugendchor, das Blechbläser-Ensemble und das Sinfonieorchester der Universität Hohenheim laden zu zwei festlichen Weihnachtskonzerten ein. Am Samstag, 10. Dezember, sind sie in der Salvatorkirche in Giebel zu hören, am Samstag, 17. Dezember, treten sie im Nikolaus-Cusanus-Haus in Birkach auf. Beginn ist jeweils um 19 Uhr. Stefan Müller-Ruppert trägt dazu besinnliche und heitere Geschichten rund um das Thema Weihnachten bei.

Am Sonntag, 11. Dezember, konzertieren der Solitude-Chor, der Wolfbusch-Jugendchor und das Blechbläser-Ensemble im Innenhof des Alten Schlosses in der Stuttgarter Innenstadt. Beginn ist um 17 Uhr.