In der Serie Himmelwärts stellen wir Bad Cannstatts Kirchtürme vor. Die Sommerrainer haben für ihren freistehenden Turm aufgrund seiner außergewöhnlichen Form einen besonderen Spitznamen.

Bad Cannstatt - Hinter vorgehaltener Hand haben die Sommerrainer einen ganz besonderen Namen für den Turm ihrer evangelischen Kirche: „Zahnstocher Gottes“ nennen ihn manche, erzählt die Pfarrerin der Gemeinde, Bettina Hoy. Respektlos findet sie das nicht. Im Gegenteil: „Kirche darf ruhig auch mal witzig sein“, sagt sie. „Ich glaube, dass Gott Humor hat.“ Seinen Spitznamen verdankt der Turm natürlich nicht einer zahnreinigenden Funktion, sondern seiner Form. 36 Meter ist er hoch, vom breiten Sockel wird er in der Höhe immer schmaler und mündet schließlich in einer dünnen Spitze. Verkleidet ist er mit Kupferplatten, die mittlerweile eine bläulich grüne Farbe angenommen haben. Erdacht hat ihn wie auch den Rest des Ensembles der Architekt Heinz Rall. Er steuerte als junger Mensch im Zweiten Weltkrieg Bomber. Wie um etwas wiedergutzumachen wurde er später Architekt: Nun konnte er das Gegenteil tun, nämlich Häuser und Kirchen bauen.

 

Klein-Venedig in Bad Cannstatt

„Mir gefällt der Turm gut“, sagt Pfarrerin Bettina Hoy. „Er ist etwas Besonderes.“ Gerne ziehe sie den Vergleich zu Venedig. Dort gibt es einen berühmten freistehenden Turm, den des Markusdoms. Ihn gibt es schon seit Ende des neunten Jahrhunderts und seit fast 50 Jahren gebe es quasi Klein-Venedig in Bad Cannstatt.

Anders als der venezianische Turm, kann der im Sommerrain nicht bestiegen werden. Nur wer zu den beiden Glocken muss, wagt sich in dem fensterlosen Turm über Leitern in die Höhe. Selbst gesehen hat Pfarrerin Bettina Hoy der Glocken noch nie. Die Inschriften kennt und schätzt sie trotzdem: „Oh Land, Land, Land, höre des Herrn Wort“, steht auf der einen, „Kommet her zu mir alle die ihr mühselig und beladen sei, ich will euch erquicken. „Die Glocken sollen zum Gottesdienst rufen“, sagt Hoy. Und die Idee, dass den Besuchern eine Last abgenommen werde kann, gefalle ihr gut.

Steckbrief:
Höhe: 36 Meter Baujahr: 1966 Besonderheit: spitze Form