Kerwe, Kärwa, Kirmes, Kirchweih, Kilbig, Kilbi . . . oder Kirbe? Hauptsache draußen: Im Spätsommer beginnen die Kirchweihfeste – so wie in Wangen. Dort gibt es einen charmanten Brauch, um die Bewohner auf das Fest aufmerksam zu machen.

Stuttgart - Kerwe, Kärwa, Kirmes, Kirchweih, Kilbig, Kilbi . . . oder Kirbe – mögen vom Bodensee bis in die Kurpfalz die Namen unterschiedlich sein, was damit bezeichnet wird, ähnelt sich: Vom Spätsommer bis in den Herbst hinein steigen in den Kommunen und auch Stadtvierteln Feste, die ursprünglich zum Gedenken an die Kirchenweihe begangenen wurden. Über die Jahrhunderte indes verschmolzen diese vielerorts mit den Festivitäten, die zum Erntedank und zur Weinlese gefeiert wurden – oder dienten zudem als Abschiedsritual für die jungen Burschen, die im Kirbejahr zum Militär einrücken mussten.

 

All das gehört auch zur traditionellen Kirbe in Stuttgart-Wangen, die von Freitag, 25. August, bis Sonntag, 25. August, in der und rund um die Kelter stattfindet – bevor sie am Mittwoch darauf offiziell beerdigt wird. Und am Anfang steht ein seltenes Ritual: der Kirbeausschrei. Dafür trifft sich zwei Tage zuvor der „Kirbejahrgang“ der 20-Jährigen, schmückt einen großen Lastwagen und fährt von der Kelter aus durch Wangen, um allen vom Feste zu künden.

Der Kirbejahrgang oganisiert mit

In diesem Jahr sind es drei junge Männer und vier junge Frauen, darunter Lisa Schlimm. Dieser „Kirbejahrgang“, so will es der Brauch, plant und veranstaltet die Festivität – in Wangen mit der freiwilligen Feuerwehr und deren Musikzug. Letzterer ist zum 44. Mal der Hauptveranstalter der Kirbe-Hocketse. „Vor mehr als vier Jahrzehnten fanden sich keine 20-Jährigen. Wir sind in die Bresche gesprungen, damit die Kirbe erhalten bleibt“, erzählt Rolf Schlimm, der Kommandant der Wangener Feuerwehr.

In jedem Jahr schreibt denn auch die Bezirksvorsteherin Beate Dietrich, die die Kirbe als „Wangener Nationalfeiertag“ bezeichnet, den entsprechenden Jahrgang an. „Wir haben uns mit Frau Dietrich getroffen und besprochen, was zu tun ist“, sagt Lisa Schlimm. „Wie üblich war auch der letztjährige Jahrgang dabei, um uns einzuweisen und Tipps zu geben.“ Schade findet sie, dass von den „vielen“ am Anfang nur noch der harte Kern von sieben übrig geblieben ist, der nun die Arbeit macht.

Zur Disco in der Kelter, mit der am Freitag das Fest eingeläutet wird, kämen alle gerne, schmunzelt sie. Diese vorzubereiten sei indes nicht jedermanns oder jederfraus Sache. „Da hat der eine plötzlich was anderes vor, die andere geht dann doch in Urlaub – so ist das nun mal“, sagt Lisa Schlimm. Sie ist pragmatisch. „Das bedeutet mehr Stress für uns Aktive, aber viel Spaß macht es trotzdem.“

Außerdem lerne man einiges, betont sie, etwa, was alles dazugehöre, ein Fest in dieser Dimension auf die Beine zu stellen, zu finanzieren und Sponsoren zu finden. So unterstützen einige Firmen vor Ort die Wangener Kirbe. Begeistert berichtet Lisa Schlimm, dass sie für die Party besondere Angebote konzipiert hätten. Bei der Disco seien nicht nur die üblichen Getränke wie Wein oder Bier zu haben, sondern auch Alkoholfreies und Drinks.

Den Früchten wird „aufgetanzt“

Am Samstag ist der „Jahrgang“ ebenfalls im Einsatz: Nach dem Umzug des Musikzugs der Wangener Feuerwehr nachmittags lädt er zur Sekt- und Caipirinha-Bar mit der Party- und Tanzband „Grehenberg Express“ ab 19 Uhr in die Kelter. „Am Sonntag tragen unsere Jungs auf dem Kirbeumzug nachmittags die Riesentraube“, so Lisa Schlimm. Eine Insignie, die mit unzähligen Trauben geschmückt ist, gekrönt von Blumen. Danach wird den Früchten „aufgetanzt“, bevor sie am Nachmittag portionsweise an die Besu cher verkauft werden. Und am Sonntag kämen, so die Veranstalter, außerdem die „Kirbemädla und Kirbebuaba“ der ehemaligen Jahrgänge wieder zusammen.

Freilich gibt es auch einen kleinen Vergnügungspark, Kinderbetreuung sowie den traditionellen Krämermarkt, der nachweislich seit 1829 stattfindet und von der Märkte Stuttgart GmbH veranstaltet wird. „Es sind kleine Händler. Das Schöne an unserer Kirbe ist der nicht kommerzielle Charakter“, sagt der Feuerwehrkommandant Rolf Schlimm. Verändert hat sich allerdings das Angebot. Deckten sich einst auf den Krämermärkten der Kirben die „Bauersleut’“ für den Winter ein – mit Töpfe und Wolle –, sind heute auch Handyhüllen und Taschen auf den Ständen zu finden. Gleich geblieben ist der tiefere Sinn des Fests.

Rolf Schlimms Tochter bringt es auf den Punkt: „Es geht um Gemeinschaft. Das Fest ist ein Treffpunkt für alle Generationen, aber auch ein gemeinsames Erlebnis für die Jungen, die sich zum Teil nach der Grundschule aus den Augen verloren haben – die Chance alte, aber auch neue Kontakte aufzunehmen.“