Hauptsache draußen: In Markgröningen wird am Wochenende wieder Schäferlauf gefeiert.

Markgröningen - Einmal geht noch. „Zwei Mal habe ich in Markgröningen gewonnen, drei Mal in Bad Urach – insgesamt darf man nur sechs Mal siegen, drei Mal pro Stadt.“ Daniel Erhardt beschreibt die Schäferläufe, an denen er teilgenommen hat. „Jetzt gibt es nur noch drei, Markgröningen, Bad Urach und Wildberg – Heidenheim wurde abgeschafft“, sagt der Schäfer aus Birkenzell im Ostalbkreis. Und am traditionsreichsten Lauf will der 21-Jährige nochmals antreten: dem Schäferlauf von Markgröningen.

 

Dessen Ablauf geht auf die Schäferzunftordnung zurück, die Herzog Eberhard III. im Jahr 1651 erließ. Indes reicht die Geschichte dieses Schäfertreffens, einem Volksfest mit Wettlauf, Schäfertanz und Leistungshüten, viel weiter zurück. Um die Entstehung des Wettbewerbs ranken sich viele Sagen, zurückgehend auf den „treuen Schäfer Bartel“. Zu dessen Ehren soll ein württembergischer Graf das Fest gestiftet haben. Am Festwochenende wird daher stets das Theaterstück „Der treue Bartel“ aufgeführt. Es wurde von einem unbekannten Präzeptor der Lateinschule geschrieben und 1909 vom Diakon Albert Esenwein erstmals inszeniert.

300 Schritte über das Stoppelfeld: das schmerzt

Kernstück des Fests ist der Wettlauf: Junge Männer und Frauen laufen barfuß 300 Schritte, also etwas über 200 Meter, über das Stoppelfeld getrennt nach Geschlecht, gegeneinander. Zuerst die Schäferinnen oder Schäfertöchter in roten, blauen und grünen Trachtenröcken um die Krone, danach die Schäfer oder deren Söhne in traditionellen Kniebundhosen und Hemden. Gemäß dem Brauch erhalten die Sieger ein Schaf und dazu die Ehre, ein Jahr lang Markgröninger Schäferkönig und -königin zu sein.

Verbunden mit dem bunten Spektakel, zu dem Schäferfamilien aus ganz Baden-Württemberg anreisen, ist der Bartholomäusmarkt. Erwähnt wird dieser 1445 in einer Rechnung des Markgröninger Heilig-Geist-Spitals. Der Ordensbruder vermerkte seine Einkäufe: „. . . in sanct Bartholomeytag den herren, knechten, megden und dem gantzen gesind, kofft seckel, messer, nestel nach gewonheit des huß.“ Derlei Traditionen der Schäferzunft aufrechtzuerhalten, findet Daniel Erhardt gut. „Es gehört zum Berufsverständnis, mitzulaufen.“ Dass dabei die Fußsohlen mitunter schmerzhaften Kontakt mit Disteln machen, gehöre dazu. „Wenn du zum Start gehst, passt du auf. Aber im Rennen merkst du nix mehr.“

War es früher ein Heiratsmarkt?

Der Mann von der Ostalb beschreibt die Regeln. „Man muss zwischen 14 und 25 sein, Schäfer oder aus einer Schäferfamilie sein und ledig – aber bei Letzterem wird nicht so genau hingeschaut.“ Er schmunzelt: „Vielleicht war es ja früher mal ein Heiratsmarkt.“ Doch jenseits dessen, ob jemand eine Liebste sucht, ist Markgröningen in den Kalendern vieler Schäferfamilien gesetzt. „Die meisten gehen hin, um die Kollegen zu treffen“, so Erhardt. „Zwangsläufig sieht man die aufgrund des Berufes das ganze Jahr über nicht.“

Als Sieger von 2016 und amtierender Schäferkönig fährt Erhardt beim Festzug mit. Freilich mit Schäferkönigin Lisa Link-Wohlfahrt, die vergangenes Jahr die weibliche Konkurrenz auf dem Stoppelfeld hinter sich ließ. „Schön wäre, wenn ich die Krone noch ein Jahr behalten könnte“, so Erhardt. Extra dafür trainieren, dazu hat er keine Zeit. Das machten auch die anderen nicht, ist er überzeugt. „Durch unsere körperlich fordernde Arbeit sind wir alle recht fit!“ Ob Sonnenschein mit 40 Grad oder Eis bei minus zehn, ob Hagel und Regen oder Blitz und Donner, Erhardt ist stets draußen, hütet mit seinen „wichtigsten Helfern“, einem deutschen Schäferhund sowie einem altdeutschen Hütehund, seine 800 Schafe, lässt sie Weiden der Familie abgrasen, kommunale, staatliche Flächen oder auch Truppenübungsplätze der Bundeswehr. „Wir betreiben ökologische Landschaftspflege für Kommunen, den Bund, die Menschen“, gibt er zu bedenken. „Aber mit dem zunehmenden Verkehr und der Zersiedelung wird es schwieriger.“

Mehr Bewusstein für das Schäfertum

Das wissen so manche Kommunalvertreter. Um die Schäferei auf der Gemarkung Markgröningens zu erhalten, rief der Bürgermeister Rudolf Kürner 1994, unterstützt vom Gemeinderat, einen Schafhaltungsfonds ins Leben. Um diesen zu füllen und den Stadtschäfer zu unterstützen, erhebt die Kommune seither beim Schäferlauf Aufschläge auf Eintrittskarten, Standgebühren und Werbeprodukte.

Erhardt gefällt am Markgröninger Event, dass es dazu beiträgt, ein Bewusstsein für das Schäfertum und dessen Aufgaben zu schaffen. „Mein Opa war Schäfer, mein Vater, meine Brüder arbeiten in der Industrie. Du kannst keinen zwingen, Schäfer zu werden – das ist Berufung.“