Bei den Staufen Downhill holen die Skater das Letzte aus ihren Brettern heraus. Auf der 1,6 Kilometer langen Strecke gibt es dabei waghalsige Fahrmanöver zu sehen.

Region: Andreas Pflüger (eas)

Göppingen - Sie tun es wieder! – Mit leicht gebeugten Knien und hinter dem Rücken verschränkten Händen stürzen sie mit ihren Brettern auf vier kleinen Rollen talwärts. Lederkombi, Helm und Handschuhe sind der einzige Schutz, sollte der Körper unliebsame Bekanntschaft mit dem Asphalt der Straße machen. Rund 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Alter zwischen 15 und 55 Jahren werden in dieser Woche zwischen Donnerstag und Samstag mit ihren Longboards gleich mehrfach einen schmalen, aber geteerten etwa 1,6 Kilometer langen Feldweg vom Göppinger Stadtbezirk Hohenstaufen aus ins Ottenbacher Tal hinunterrasen.

 

Bei den Staufen Downhill, dem einzigen derartigen Event in Deutschland, geht es nur bergab: mit einem durchschnittlichen Gefälle von neun Prozent, das an der steilsten Stelle stattliche 23 Prozent aufweist. Die Strecke ist technisch anspruchsvoll, hat viele enge Kurven, von denen einige mit quergestellten Boards – wortwörtlich – gekratzt werden. Gebremst wird ansonsten mit dem Fuß oder mit den Handschuhen, an denen kleine Kunststoffplatten angebracht sind. Auf den wenigen längeren Geraden gilt es dann, möglichst schnell wieder volle Fahrt aufzunehmen. Tempo 80 erreichen die Besten dabei spielend.

Sebastian Hertler: Das Gesamtpaket in Hohenstaufen passt perfekt

Sebastian Hertler ist einer von ihnen. Fünfmal war der Stuttgarter, der im normalen Leben als Landschaftsgärtner arbeitet, Deutscher Meister. Die ersten beiden Auflagen der Staufen Downhill hat er 2014 und 2015 ebenfalls gewonnen. Bei der dritten Runde der Veranstaltung will der 30-Jährige seinen Titel natürlich verteidigen. „Das muss ich mir schon geben, zumal in Hohenstaufen das Gesamtpaket perfekt passt“, sagt er. Die Rahmenbedingungen seien super, die Konzerte echt klasse, die neue Halfpipe gigantisch und die Landschaft toll, ergänzt Hertler.

Hat er tatsächlich Augen für die Kulisse mit den drei Kaiserbergen? – „Beim Fahren selbstverständlich nicht, aber beim Warten und in den Pausen sehr wohl.“ Auch sonst suche er sich für seinen Sport ja idyllische Ecken aus, fügt er hinzu. Trainiert wird auf Mallorca, auf Teneriffa, auf La Palma oder auch mal in Südamerika. Dabei seien die Straßen allerdings nicht gesperrt, erklärt Hertler. „Da bist du mit dem Board ein Verkehrsteilnehmer wie jeder andere auch und rollst eben mit.“

Als besonders ausgefallen oder überproportional gefährlich empfindet er sein Tun indes nicht. „Das ist wie Snowboarden im Sommer, nur dass es Schürfwunden gibt, wenn man stürzt“, stellt er lapidar fest. Der erfahrene Boarder ist überzeugt, schon häufiger vom Motorrad als vom Brett abgestiegen zu sein. Ernsthafte Verletzungen habe er bei seinem Hobby jedenfalls noch nicht erlitten. Und obwohl Hertler seine Renntätigkeit künftig etwas reduzieren will, ganz aufhören wird er nicht. „Für mich sind die Schräglage, der Kurvenrausch, die Geschwindigkeit und die G-Kräfte nach wie vor faszinierend. Klar, man muss das üben: Aber nach zwei, drei Jahren schaffst du jeden Hang“, betont der Stuttgarter.

Daniel Schindler: Ich bin da mit dem Brett noch nie runter

Daniel Schindler war ebenfalls ein erfolgreicher Boarder und Snowboarder. Zudem kennt er den Kurs der Staufen Downhill wie kein Zweiter. „Ich bin da auf dem Brett aber noch nie runter“, sagt der Hauptorganisator der Veranstaltung. „Das sei schon ’ne eigene, etwas verrückte Klientel, die sich das zutraue. Der Vorsitzende des vor fünf Jahren gegründeten Trendsportclubs Hohenstaufen hätte bei dem Großevent in seinem Heimatort für eine rasante Bergabfahrt – auch wenn diese nicht allzu lange dauern würde – ohnehin keine Zeit. „Es ist wirklich ein Riesenaufwand das ehrenamtlich zu machen: für den großen tollen Helferstab – und für mich.“

Der 49-Jährige, der am Göppinger Freihof-Gymnasium Sport und Erdkunde unterrichtet, freut sich dennoch jedes Mal auf das Branchentreffen der nationalen und internationalen Skater-Szene. „Dafür nimmt man in Kauf, dass jedes mal einige Hürden aus dem Weg geräumt müssen.“ Schindler spricht von den vielen Auflagen und den Kosten von rund 12 000 Euro, die vor allem über treue Sponsoren abgedeckt werden. Dieses Jahr jedoch hat das mit den Hürden wirklich gestimmt. Auf der Downhill-Strecke lagen bis vor einigen Tagen noch gefällte Bäume. Die Förster hätten diese aber auf sein Bitten kurzfristig weggeräumt, so dass den erwarteten 3000 Besuchern wieder spektakuläre Rennen geboten werden könnten, sagt rührige Macher.

Froh ist er auch, dass es beim Trendsportclub, dem weithin einzigen dieser Art, immer besser läuft – oder vielmehr rollt: Die riesige Hallfpipe steht und hat TÜV, so dass dort am Wochenende auch noch der German Vert Rock als zweiter Wettbewerb ausgetragen werden kann. Der kleine Verein, in dem sich Skater, Inliner, BMX-Radler und viele andere Trendsportler tummeln, hat sich etabliert und mittlerweile etliche Topleute in seinen Reihen. Zudem sind viele Kontakte entstanden, die es überhaupt erst möglich machen, die Größen der Boarderzene oder auch angesagte Bands auf den Göppinger Hausberg zu locken. „Wir sind angetreten, um den Jugendlichen auch in Hohenstaufen was zu bieten. Ich glaube das ist uns halbwegs gelungen“, sagt Daniel Schindler.

Boarden in allen Variationen