Die 28 Nato-Botschafter kommen an diesem Dienstag wegen der Entwicklungen in der Türkei zu einem Krisentreffen zusammen. Es ist in der 66-jährigen Geschichte der Allianz erst die fünfte Konsultation dieser Art.

Brüssel - Wenn die 28 Nato-Botschafter an diesem Dienstag ein Krisentreffen abhalten, sind das in der 66-jährigen Geschichte der Allianz erst die fünften Konsultationen nach Artikel 4 des Nordatlantik-Vertrages. Und mit Ausnahme von Polen, das vergangenes Jahr seine Grenzen durch Russland bedroht sah, war es stets die Türkei, die Beratungsbedarf anmeldete. 2012 verlegte die Nato danach Patriot-Raketen unter anderem der Bundeswehr an die syrische Grenze.

 

Nun muss sich die Allianz erneut mit ihrer Südflanke beschäftigen. Um 11 Uhr tagt der Nordatlantikrat, um über die Eskalation zu beraten, seit am Montag der Vorwoche bei einem der Terrormiliz Islamischer Staat zugeschriebenen Anschlag 32 Menschen starben. Ankara fliegt seitdem Angriffe gegen den IS, aber zum Ärger der Verbündeten auch gegen Kurden, die an der Seite der westlich-arabischen Antigotteskrieger-Koalition kämpfen. „Die Türkei hat das Recht, sich gegen Terroranschläge zu verteidigen“, so Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, doch dürfe das „nicht in unnötiger Weise zu einer Eskalation des Konfliktes beitragen.“

Ankara fühlt sich nicht wichtig genug genommen

Neue Aufmerksamkeit ist der Konfliktregion jedenfalls gewiss – ein altes Anliegen Ankaras. Mit Sorge beobachtet hat man dort, wie ein Nato-Diplomat formuliert, „dass der Süden zum Anhängsel der Allianz wird“. Vor allem durch die Aufrüstung in Osteuropa als Folge der Konfrontation mit Russland wähnte sich Ankara im Nato-Kreis offenbar vernachlässigt. Die Nato wiederum sah die bisherige militärische Zurückhaltung gegenüber dem IS und Präsident Recep Erdogans Anbandeln mit dem Moskauer Amtskollegen Wladimir Putin nicht gern.

Ein erster Versuch, das zu ändern, war das Außenministertreffen Mitte Mai, zu dem die Türken in ein Luxus-Urlaubsresort nach Antalya luden. Sie setzten nicht nur die islamistische Gefahr auf die Agenda, sondern kündigten zudem als siebtes Land an, die neue superschnelle Nato-Eingreiftruppe führen zu können.

Nicht nur gegen Russland

Das Kalkül scheint klar: Die „Speerspitze“ soll auch Gegner in Nahost und Nordafrika einschüchtern. Tatsächlich betont die Nato, der „Bereitschaftsplan“, der seit dem Wales-Gipfel im Herbst in die Tat umgesetzt wird, richte sich nicht nur gegen Russland. „Wir brauchen eine Balance, wie wir mit den Herausforderungen im Osten und Süden des Bündnisses umgehen“, sagt Stoltenbergs Sprecherin Oana Lungescu der Stuttgarter Zeitung. Deshalb wird das für den Herbst geplante Großmanöver Trident Juncture in Spanien, Portugal und Italien ausgeweitet.

So passt das neue Krisentreffen ins Bild. Doch wird im Hauptquartier nicht damit gerechnet, dass die Nato direkt in den Konflikt hineingezogen wird. „Wir erwarten nicht, dass die Türkei militärische Unterstützung verlangt, sondern eher ein Zeichen politischer Solidarität“, so ein Nato-Diplomat. Die Bekämpfung des IS sei Sache der US-geführten Koalition, der alle 28 Mitglieder der Allianz angehörten.