Das Konsortium des vorrangig deutschen Wüstenstromprojekts Desertec kooperiert künftig mit der französischen Konkurrenz.

Brüssel - Es ist ein Termin, der die ambitionierten europäischen Solarstrompläne ein wenig realistischer erscheinen lässt: Vor Beginn des EU-Energieministerrats am kommenden Donnerstag in Brüssel werden Vertreter des vorrangig deutschen Wüstenstromprojekts Desertec und der in Frankreich ansässigen Initiative Medgrid ein Kooperationsabkommen unterzeichnen. Auf diese Weise wollen die beiden größten Solarinitiativen die Kräfte bündeln und verhindern, dass Vorleistungen doppelt gemacht werden. Die deutsche Seite konzentriert sich vor allem auf die Stromproduktion in der Sahara, die französische auf die Leitungen von Nordafrika nach Europa. "Die verstärkte Zusammenarbeit zwischen Desertec und Medgrid wird große Synergien freisetzen", urteilt die Brüsseler EU-Kommission.

 

Die Gästeliste der kurzen Unterschriftszeremonie verdeutlicht, dass es dabei um mehr geht als ein reines Joint Venture zweier Industriekonsortien. Neben Waldemar Pawlak, dem Wirtschaftsminister Polens, das derzeit den EU-Vorsitz führt, sind auch Frankreichs Energieminister Eric Besson, der deutsche Wirtschaftsstaatssekretär Jochen Homann und EU-Energiekommissar Günther Oettinger mit von der Partie. Das soll vor allem signalisieren, dass die Verstimmung darüber, dass dem deutschen Modell vom Herbst 2009 kurz darauf Frankreichs Gegenentwurf folgte, der Vergangenheit angehört. Die Idee, Nordafrikas Energiepotenzial zu nutzen, "wird damit zu einem europäischen Projekt", wie es in der EU-Kommission heißt.

In Nordafrika ist man an Kooperation interessiert

Vor allem Oettinger hat daran gearbeitet. "Er hat sich sehr dafür eingesetzt, dass die beiden Partner zusammenkommen", heißt es in seinem Umfeld. Denn natürlich passt ein starker Industriepartner gut zur Ansage des Energiekommissars von Anfang September, als er seine Vorhaben im Bereich der Energie-Außenpolitik erläuterte: "Die EU wird eine neue Partnerschaft für Erneuerbare-Energien-Projekte mit den Ländern des südlichen Mittelmeerraums vorschlagen", kündigte er da an.

Das ist eine blanke Notwendigkeit: Soll die Erderwärmung bis 2050 wie vereinbart auf zwei Grad begrenzt werden, muss die Europäische Union ihren CO2-Ausstoß um mindestens 85 Prozent senken. So steht es im entsprechenden Strategiepapier der Kommission. Um den Energiebedarf dennoch decken zu können, wird zusätzlich zu Einsparmaßnahmen und dem Ausbau der Erneuerbaren in Europa in großem Stil Strom importiert werden müssen. In Nordafrika ist man ebenso interessiert an der Kooperation, da sich dort - Prognosen zufolge - der Energiebedarf in den nächsten 20 Jahren verdoppeln wird.

Referenzprojekt in Marokko

Die Bedingungen in Nordafrika sind bisher freilich alles andere als optimal für Solarprojekte. Weder ist eine länderübergreifende Energieinfrastruktur vorhanden noch ein sicherer Rechtsrahmen für Investoren. Beides wird aber bereits mit EU-Geld gefördert. Berater sind vor Ort, um eine neue Ära ohne Energiemonopolisten einzuläuten. Die Europäische Investitionsbank gewährt ebenfalls umfangreiche Darlehen für den Bau von Infrastrukturen.

Auch Desertec, das bis 2050 insgesamt 15 Prozent des europäischen Energiebedarfs bereitstellen will, wird letztlich in viele einzelne Projekte zerfallen, für die dann auch europäische Fördergelder beantragt werden können. Bis Ende 2012 soll ein Plan präsentiert werden, welche Teile des Gesamtvorhabens wann verwirklicht werden sollen. Außerdem soll ein erstes Referenzprojekt in Marokko an den Start gehen. Der Bau der 500-Megawatt-Anlage soll im kommenden Jahr beginnen, der erste Strom 2014 fließen. Allein die erste Baustufe verschlingt 600 Millionen Euro.

Desertec

Partner: In der Desertec Industrie Initiative (DII) haben sich unter Führung der Versicherung Münchener Rück und der Deutschen Bank große deutsche Energiekonzerne wie Eon und RWE, aber auch Technologieunternehmen wie Siemens und ABB zusammengeschlossen. Neben 20 direkten Teilhabern sind weitere 35 Unternehmen und Organisationen – darunter der Chemieriese BASF, der Baukonzern Bilfinger Berger und das Fraunhofer-Institut – mit dem Projekt verbunden.

Idee: Zum Konsortium gehört auch die Desertec Foundation, die aus einem Netzwerk von Forschern, Politikern und Ökonomen aus der Mittelmeerregion hervorging. Sie hatte die Vision der Stromgewinnung aus der Kraft der Wüstensonne in ein Projekt verwandelt.