Das Bundesverwaltungsgericht gibt die Richtung vor: Der prinzipiell arbeitsfreie Sonntag muss weiterhin geschützt bleiben. Ein wegweisendes Urteil, meint StZ-Redakteur Matthias Schiermeyer.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Reisen ins Ausland hinterlassen nicht selten ein zwiespältiges Gefühl. Einerseits wird es von vielen als angenehm empfunden, wenn auch an Sonntagen ein entspanntes Shopping möglich ist – andererseits stellt sich die Frage, ob Deutschland nicht dem Vorbild vieler Länder folgen und seine Ladenöffnungszeiten weiter liberalisieren müsste. Bisher rücken Kirchen, Gewerkschaften und andere gesellschaftliche Gruppen immer dann besonders eng zusammen, wenn es darum geht, den Sonntag gegen eine Ausweitung der Arbeitszeiten zu verteidigen. Ist der Fortschritt über sie hinweggegangen?

 

Dies sicher nicht. Es wird ja allgemein akzeptiert, dass sich der Sonntag in vielen Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge, aber auch in der privaten Wirtschaft notwendigerweise als Arbeitstag etabliert hat. Das gesellschaftliche Bewusstsein ist da viel weiter, als es die zugespitzten Stellungnahmen nach dem wegweisenden Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vermuten lassen. Die Individualisierung der Lebensformen schreitet voran. Zudem nehmen nicht wenige Beschäftigte gerne die Feiertagszuschläge mit. So heilig, wie der Sonntag in der Darstellung der Kirchen erscheint, ist er längst nicht mehr.

Ein nationaler Ruhepol

Dennoch ist es gut, wenn sich die relevanten gesellschaftlichen Gruppen gegen einen Dammbruch stemmen und starke Rückendeckung von den höchsten deutschen Gerichten erhalten. Mit dem weit reichenden Schutz von Sonn- und Feiertagen haben die Verfasser des Grundgesetzes einst Weitblick bewiesen. Nicht zuletzt angesichts der internationalen Verflechtungen müssen Ausnahmen möglich bleiben, aber sie müssen gut begründet sein. Eine Aufgabe des Sonntagsverbots auf breiter Front würde die Bedeutung dieses Tages als nationalen Ruhepol aushöhlen.

Das entschleunigte Wochenende gibt dem Arbeitsleben eine Struktur und fördert das soziale Miteinander – unabhängig von der religiösen Zugehörigkeit. Es gibt keinen nachvollziehbaren Grund, dieses Kulturgut aufzugeben. Allzu hoch wäre der Preis für die Bequemlichkeit, an Sonn- und Feiertagen die alltäglichen Dinge verrichten zu können. Eine Ökonomisierung aller Lebensbereiche kann dem gesellschaftlichen Zusammenhalt nicht förderlich sein.