Ist eine Ex-Angestellte für Sonyleaks verantwortlich? Die Branche schweigt dazu vorerst lieber – trotz des Wirbels um „The Interview“ und den Konfrontationskurs der US-Regierung gegenüber Nordkorea.

Hollywood - Illusion, Täuschung, Suggestion – das sind Kernkompetenzen Hollywoods. Und es scheint so, als setzten die Studios sie gerade ein, um das heißeste Filmthema der Vorfeiertage – den Streit um die Nordkorea-Satire „The Interview“, den Hackerangriff auf Sony, die Terrordrohungen gegen Kinos – als kalten Kaffee erscheinen zu lassen, als Geschichte aus dem Vorjahr. Dabei müsste die Diskussion hitziger laufen als je zuvor – denn es gibt Zweifel an Nordkoreas Verantwortung für den Cyberangriff auf ein Studio.

 

Am 24. November waren Diebe in das Netzwerk von Sony Pictures Entertainment eingedrungen und hatten den kompletten Datenbestand geplündert. Schubweise hatten sie das Material in den Wochen danach ins Netz gestellt. Das FBI benannte vor Weihnachten Nordkorea als Urheber der Kampagne. Das klang logisch, hatten die Erpresser doch gefordert, der Sony-Films „The Interview“, in dem Kim und seine Diktatur veräppelt werden, dürfe nicht gestartet werden.

Aber nicht nur das FBI hat den Fall näher studiert. Auch die Experten von Norse, einem großen Dienstleister auf dem Sektor der Datensicherheit, haben die Cyber-Attacke auf Sony analysiert. Und Norse stellte eine ganz andere Variante als die US-Bundespolizei vor: kein Hackerangriff von außen habe Sony getroffen, sondern Datendiebstahl von innen. Kurt Stammberger, Senior Vice President der Sicherheitsfirma, hat dafür einige Indizien und gute Argumente gegen die Variante des FBI vorgebracht. Aus den ins Netz gestellten Daten hat Norse die Dauer des Diebstahls rekonstruiert: die Absaugzeiten seien demnach zu gering für ein externes Eindringen. Der Raub müsse mittels einer direkt an einen Sony-Rechner angeschlossenen externen Festplatte oder eines USB-Sticks erfolgt sein. Auch fehlten die typischen Erkundungsbewegungen, wenn jemand von außen in ein fremdes System komme.

Das FBI hüllt sich dazu relativ erfolgreich in Schweigen

Norse legt ein relativ konkretes Verdachtsszenario vor: eine verärgerte ehemalige Angestellte des IT-Bereichs habe sich mit einer Gruppe Komplizen zusammengetan, um sich an Sony für ihre Entlassung zu rächen. Dafür spreche auch, dass direkt nach dem Angriff in den Verlautbarungen der Hacker von dem Film „The Interview“ gar nicht die Rede gewesen sei. Die Nordkorea-Spur sei erst später gelegt worden.

Das FBI hüllt sich dazu relativ erfolgreich in Schweigen. Man habe für die Verantwortung Nordkoreas weitergehende Informationen, die man aber mit der Öffentlichkeit nicht teilen könne. Was das FBI bisher an Belegen für Nordkoreas Verwicklung genannt hat – nordkoreanische Software und Serveradressen – wird von Norse und anderen IT-Spezialisten als unerheblich verworfen. Diese Software und Serveradressen würden von Hackern aus aller Welt routinemäßig verwendet.

Dass Obamas Regierung im Moment kein Interesse daran hat, öffentlich zurückzurudern, ist nachvollziehbar. Von Anfang aber aber war der Sony-Hack von der Branchenpresse der US-Filmindustrie breit dargestellt worden, von ihr gingen die Geschichten aus, die von den Publikumsmedien aufgegriffen wurden. Eben diese Branchenpresse aber spielt die neuen Entwicklungen so klein wie möglich – im Interesse der Studios.

Es droht noch mehr Überwachung von Angestellten

Ein Angriff aus Nordkorea nämlich brächte einen klaren Feind, man wüsste das ganze Land an der eigenen Seite, und kurzsichtige Manager haben ja bereits durch die Absage geplanter Nordkorea-Filme zu verstehen gegeben, wie sie das Risiko der Wiederholung minimieren möchten. Eine verärgerte Ex-Angestellte als Täterin aber hievte alles in eine andere Dimension, der Fall würde zugleich schäbiger und unübersichtlicher.

Jedes Studio wäre jederzeit von einer Wiederholung bedroht. Welche Macht zum Schaden jedes einzelne Rädchen im Firmengetriebe mittlerweile hat, möchte man lieber nicht durch eine öffentliche Debatte allen klar machen. Vor allem wären die Sicherheitsmaßnahmen, die man nun eventuell ergreifen möchte, eher grenzwertig und diskretionsbedürftig: noch mehr Überwachung von Angestellten, Kündigungen ohne jede Vorwarnzeit.

So schweigen die Studios zu dem, was gerade noch als Angriff auf Kunst- und Redefreiheit beklagt wurde. Hollywood ist eben geprägt von der Erfahrung mit eigenen Filmen, die manchmal trotz heftigen Vorab-Tamtams schon am Starttag in der Bedeutungslosigkeit versacken. Aber die ganzen Vorgänge und Fragen rund um „The Interview“ – wer kann mit welchen Mitten der Filmindustrie Maulkörbe verpassen und Selbstzensur auslösen? – sind zu bedeutend, als dass man den Fall ungeklärt verdrängen dürfte. Jemand sollte schleunigst eine Satire über diese Affäre drehen.