Die italienische Filmdiva Sophia Loren feiert ihren 80. Geburtstag. Sie hat sowohl in Italien als auch in Hollywood riesige Erfolge gefeiert. Aber vielleicht lag alles nur am richtigen Ehemann?

Kultur: Tim Schleider (schl)

Rom - Kann es wirklich Liebe auf den ersten Blick gewesen sein? So ganz ohne Berechnung? Dass ein 37-jähriger Filmproduzent den Wettbewerb zur Miss Rom besucht und am Schluss der sechzehnjährigen Zweitplatzierten Avancen macht, klar, das klingt authentisch. Aber kann man sich auch denken, dass eine junge, aus sehr armen Verhältnissen stammende Frau gleich beim ersten nächtlichen Spaziergang durch einen Rosengarten spürt, wie sie in einem solchen Mann die Liebe ihres Lebens gefunden hat?

 

„Von Anfang an vermittelte er mir ein unglaubliches Gefühl von Sicherheit und Nähe“, erzählt das Mädchen 64 Jahre später in ihrer Autobiografie über diese Erstbegegnung mit ihrem späteren Mann Carlo Ponti. „Ich hatte das seltsame Gefühl, dass er mich verstand, dass er hinter meiner unbändigen Schönheit mein zurückhaltendes Wesen und die Spuren einer schweren Vergangenheit erkannt hatte, aber auch den Willen, die Dinge gut zu machen, voller Ernst und Leidenschaft. Denn für mich war das alles kein Spiel, es war viel mehr.“

Nun, niemand ist in seiner Autobiografie zur Wahrheit verpflichtet (die meisten sind ja gar nicht fähig dazu). Auch nicht Sophia Loren, deren Buch „Mein Leben“ jetzt auf Deutsch erschienen ist, pünktlich zu ihrem achtzigsten Geburtstag an diesem Samstag. Immerhin spricht ihre fünfzig Jahre währende Ehe zweifellos für Liebe. Und im Übrigen nahm mit dem Gang durch den Rosengarten eine der aufregendsten Schauspielerkarrieren ihren Lauf: der Aufstieg der (die Lollo-Fraktion möge es verzeihen) italienischen Filmdiva schlechthin, schön, edel, üppig-feminin, aber doch eben auch stark, selbstbewusst, im Notfall um keinen Angriff verlegen.

Der große Erfolg in Amerika, die Kunst in Italien

Ein Frauentyp, der es versteht, den Männern als geradezu paradiesische Verheißung zu erscheinen, weil nämlich auf der Suche nach Schutz und Ziel; ein Frauentyp, dem die Tonlagen der Hysterie in all ihren schwindelerregenden Höhen überaus geläufig sind; ein Frauentyp, der aber sehr genau weiß, dass Hysterie auch eine emotionale Tiefe hat – und dort eine Kraftquelle sein kann, deren Stärke jede männliche Herrschsucht schnell übersteigt. Summa summarum eine Frau, die den maximalen Grad an Emanzipation erreicht hat, ohne eigentlich im Wortsinn emanzipiert zu sein. Die große Opernheldin als Filmschauspielerin – kurzum: die Loren.

Der Sprung nach Hollywood gelang 1957 mit „Stolz und Leidenschaft“. Loren spielte an der Seite von Cary Grant und Frank Sinatra. Und das protestantisch-disziplinierte Amerika war begeistert von so viel katholisch-italienischem Volumen, weswegen Loren umgehend zur Partnerin der ersten Darstellerriege wurde: Anthony Quinn, John Wayne, Richard Burton, Charlton Heston, Gregory Peck. Einer der größten Erfolge jener Jahre, noch heute eine sichere Bank für jeden verregneten Sonntagnachmittag: die Komödie „Hausboot“, in der Sophia Loren eine Borderline-Grazie mit südländischen Wurzeln spielt, die in die eigentlich ruhige Welt eines gut aussehenden mittelalten amerikanischen Witwers (wiederum Grant) einfällt. Sie spricht die ganze Zeit schnell und laut. Aber das mögen die Kinder. Und der Papa, wenn er am Ende endlich ehrlich ist, auch.

Damit war der Erfolg beim internationalen Publikum gesichert. Aber damit war noch kein wahrer Filmkunstruhm errungen. Der, das wusste Ponti, musste in Italien selbst erarbeitet sein. So beauftragte er 1960 den Meister des Neorealismus, Vittorio de Sica, mit der Verfilmung eines Romanes von Alberto Moravia über den dramatischen Überlebenskampf einer alleinstehenden Römerin und ihrer beinahe erwachsenen Tochter in den letzten Monaten des Weltkrieges zwischen den Fronten der Faschisten und der Alliierten. Und nach einigen Besetzungswirren entschied er, dass die Loren nicht die Rolle der Tochter, sondern jene der Mutter übernehmen sollte: „La ciociara“ – „Und dennoch leben sie“.

Selbst eine Oscar-Verleihung wird zum großen Auftritt

Für Sophia Loren brachte das 1961 in Cannes den Preis für die beste Darstellerin und 1962 in Los Angeles den Oscar. Es war überhaupt das erste Mal, dass Hollywood einen Darsteller-Oscar vergab für die Rolle in einem nicht-englischsprachigen Film. Es regnete für Sophia Loren hernach noch Dutzende Rollen und Dutzende Preise. Es gab darunter auch eine Reihe sehr mäßiger Filme und in einer gewissen Phase ihres Lebens einen Tick zu viele „Bambis“. Aber niemand kann und wird ernsthaft bezweifeln wollen, dass es sich bei ihr um eine ebenso populäre wie äußerst ausdrucksstarke und facettenreiche Schauspielerin handelt. Dass sie eine Ehe eingegangen war womöglich mit genau dem richtigen Mann, aber eben auch mit der Filmkunst.

Sophia Loren gehört zu jenen Protagonisten der Filmwelt, die selbst eine Nebenrolle unvergesslich machen: Oscarverleihung 1999. Es ging darum, den besten Hauptdarsteller zu ehren; Roberto Benigni sollte der Glückliche sein für seine wunderbare Trauerkomödie „Das Leben ist schön“, aber das wusste ja noch keiner. Also öffnete Sophia Loren den Umschlag – „and the Oscar goes to . . .“ – zog die Karte heraus, las. Und wie sie dann den Arm hochriss und einfach „Roberto!“ in den Saal rief, auch das war allerschönste italienische Oper.

Sophia Loren: Mein Leben. Piper Verlag, München. 359 Seiten, 22,99 Euro.