Der Eingriff einer früheren Dschungelcamp-Darstellerin entfacht eine hitzige Kontroverse: Was darf Schönheitschirurgie? Der Plastische Chirurg Lukas Prantl hält eine Rippen-Entfernung für lebensgefährlich. Das ist aber noch nicht alles.

Stuttgart - Was darf die Schönheitschirurgie? Diese Frage hat eine Frau aufgeworfen, die ihre mehrfach vergrößerten Brüste 2016 als Kandidatin des „Dschungelcamps“ (RTL) exponiert hat. Sophia Wollersheim. Um eine Wespentaille zu bekommen, hat sich die Frau des Bordellbesitzers Bert Wollersheim in Los Angeles Rippen entfernen lassen. Ein vertretbarer Eingriff? Fragen an Professor Lukas Prantel. Er ist Plastischer Chirurg in Regensburg und sitzt im Vorstand der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen.

 
Herr Prantl, wie gefällt Ihnen die neue Figur von Frau Wollersheim?
Ich finde, die sieht unharmonisch aus. So, als ob die Frau ein Korsett tragen würde.
Was hätten Sie einer Patientin gesagt, die sich Rippen entfernen lassen möchte, um eine Wespentaille zu bekommen?
Ich hätte ihr gesagt, dass so ein Eingriff komplikationsträchtig sein kann. Die Rippen erfüllen ja eine Schutzfunktion für die Lunge, die Leber und die Milz. Das sind alles wichtige Organe. Wenn diese Rippen wegfallen und Sie haben einen Unfall, können Sie Risse in den Organen bekommen. So etwas ist lebensgefährlich.
Haben Sie so eine OP schon mal gemacht?
Nein, ich würde es auch nicht machen. Es gibt wesentlich ungefährlichere Methoden, die Taille zu betonen. Sie können zum Beispiel Fett absaugen oder Fettgewebe in andere Regionen einbringen, um so den Körper zu formen.
Verbietet es einem Arzt nicht der hippokratische Eid, gesunde Körperteile zu entfernen?
Das kann man so pauschal nicht sagen. Der hippokratische Eid ist tausende Jahre alt. Die Medizin hat aber gewaltige Fortschritte gemacht. Die vorbeugende Brustentfernung bei Patienten mit erhöhtem Krebsrisiko würde dem Eid nicht widersprechen. Dasselbe gilt für eine Magen- oder Brustverkleinerung. Der Grundsatz des Eides aber gilt aber immer noch: Man soll niemanden schädigen durch einen chirurgischen Eingriff.
Wie viele Chirurgen würden diesen Eingriff in Deutschland trotzdem vornehmen?
Schwer zu sagen. Ich kann da nur für die Deutsche Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen sprechen. Und wir würden keine Operationen durchführen, die nicht den aktuellen medizinischen Standards entsprechen. Rippenentfernungen aus ästhetischen Gründen wurden klinisch noch nicht ausreichend erforscht. Man bewegt sich da auf ganz dünnem Eis. Nur Schwarze Schafe würden das machen.
Aber die sind in der Branche bekannt, oder?
Der Markt für ästhetische Eingriffe ist sehr groß. Das liegt daran, dass der Begriff Schönheitschirurg nicht geschützt ist. So kann sich jeder nennen, der ein Medizinstudium abgeschlossen hat. Dagegen müssen wir Plastische Chirurgen eine sechsjährige Facharztausbildung durchlaufen. Dazu gehört zum Beispiel auch die Aufklärung und der Umgang mit Patienten, die sich eine besondere Schönheitsoperation wünschen.
Ist es im Ausland einfacher, Chirurgen für Operationen wie eine Rippenentfernung zu finden?
Wahrscheinlich. Ich habe es in meiner Praxis in Regensburg immer wieder mit Patientinnen zu tun, die sich die Brüste im Nachbarland Tschechien vergrößern ließen. Die kommen dann zu mir, wenn es schwer wiegende Komplikationen mit der Wundheilung gibt. Ich muss immer wieder Silikonkissen entfernen, weil sich Patienten bei der OP infiziert haben. Wer sich im Ausland operieren lässt, bekommt ja keine intensive Nachsorge.
Wie finden Sie heraus, ob der Wunsch nach einer Schönheitsoperationen krankhaft ist?
Es gibt eine ganze Reihe von Krankheiten, die dem zugrunde liegen können. Ich habe mich intensiv mit der Dysmorphophobie beschäftigt. Das ist eine Krankheit, bei der Menschen unter einer gestörten Wahrnehmung ihres Körpers leiden. Die Betroffenen sehen jeden kleinsten Makel als problematisch an. Solche Patienten filtern wir mit standardisierten Fragebögen heraus.
Wie oft kommt es vor, dass Sie Patienten wegschicken, weil Sie eine Schönheits-OP als Arzt nicht verantworten können?
Ich schätze mal: in zwei bis zehn Prozent aller Fälle. Es kommt vor bei Patientinnen, die eine völlig unrealistische Erwartung an so eine OP haben. Also, einer schlanke Frau, die sich ihre Brust mit übergroßen Silikonkissen vergrößern lassen will, würden wir davon abraten. Wir würden sie über die Auswirkungen eines solches Eingriffes aufklären. Die bekäme ja zum Beispiel erhebliche Rückenschmerzen
Ist die Ablehnungsquote tatsächlich so niedrig?
Diese Zahl ist nicht repräsentativ. Ich operiere im Universitätsklinikum, und wer dort Hilfe sucht, der möchte Sicherheit. Der hat in der Regel realistische Erwartungen.
Zuletzt hat man viel über Po-Implantate gelesen. Ist der Po der neue Busen?
Nein, das ist ein Trend, der aus Südamerika kommt. In Deutschland spielen Silikon-Implantate im Po noch keine so große Rolle. Auch da wäre ich sehr vorsichtig. Auch bei so einer Operation kann es zu Komplikationen kommen.
Das heißt, die Schönheitsideale variieren von Land zu Land?
Zu dieser Frage habe ich mit dem Psychologen Martin Gründl lange geforscht. Wir haben herausgefunden, dass sich mit der Globalisierung auch die Schönheitsideale angenähert haben. Es gibt aber ein Charakteristikum, über das sich alle Kulturen einig sind. Das ist die Beinlänge einer Frau.
Die Beine müssen bis zu den Ohrläppchen reichen?
Ja, aber die Proportionen müssen auch stimmen. Das können Sie schon bei Michelangelo und seiner Lehre vom Goldenen Schnitt nachlesen.
Was verrät die über die ideale Größe einer Taille?
Das haben wir auch erforscht. Das liegt bei 0,65. Das ist der Koeffizient aus Brustkorb- und Beckenweite.
Entspricht dieser Koeffizient der neuen Taillenweite von Sophia Wollersheim?
Um Gottes Willen, der liegt weit darunter.
Verrät so eine Zahl nur etwas über die Ästhetik? Oder geht es nicht auch um die Gebärfähigkeit der Frau?
Die Gebärfähigkeit der Frau spielt keine so große Rolle mehr. Frauen finden sich ja heute nicht mehr nur in ihrer Mutterrolle wieder. Sie wollen auch beruflich erfolgreich sein. Entsprechend hat sich das Körperbild verändert.
Weg von der Rubens-Frau, hin zur Bodybuilderin?
Nein, so würde ich das nicht formulieren. Aber der Trend geht schon weg von den weiblichen Rundungen, hin zu einer sportlich gesunden Körperform.