The Hives, Portishead, Rammstein: Das musikalische Programm am zweiten Tag des Southside Festivals konnte sich sehen lassen. StZ-Autor Daniel Hackbarth berichtet von Musikern in Anzügen und Männern mit rosa Plüschjacken.

Neuhausen ob Eck - Samstagabend, 19 Uhr, vor der Green Stage des Southside Festivals, auf der gleich The Hives aus Schweden spielen werden. Ein Besucher meint zu seinem Begleiter: „Also wenn du mich fragst, dann kann man alle Bands aus Skandinavien in die Tonne treten!“ „Du kennst wohl nicht die Oslo Motherfuckers“, belehrt ihn daraufhin der Angesprochene, der offenkundig einen einigermaßen ausgefallenen Musikgeschmack hat. Wenige Minuten später wippen die beiden dann doch im Einklang mit den Köpfen – die Hives, wie immer in schnöseligen Anzügen, haben inzwischen die Bühne betreten und geben ihren Song „Main Offender“ zum Besten.

 

Die Band beweist bei ihrem Auftritt, dass es bei einigen Musikern irgendwie ganz gut ist, dass sie sich künstlerisch auch nach Jahren kaum weiterentwickelt haben; es wäre ja auch schade, wenn die Schweden nicht mehr so rotzige Punk’n’Roll-Nummern spielen würden wie schon vor fast 15 Jahren, als sie bei „Rock am Ring“ noch im Newcomer-Zelt über die Bühne turnten.

Außerdem: niemand wirft sich in so unverschämt selbstverliebte Posen wie Hives-Sänger Pelle Almqvist, ohne dabei auch nur ein bisschen unsympathisch zu wirken. „Do you wanna dance fast? Do you wanna dance fast?“, wiederholt er immer wieder und wirkt dabei ziemlich manisch. Seine Gage hat sich der Frontmann jedenfalls allein für die selbstironischen Publikumsanimationen verdient; immer wieder fordert er die Zuschauer mit Nachdruck auf, ihn und seine Band zu beklatschen – weil sie uns allen eine leuchtende Zukunft bescheren würden, weil sie für das gute Wetter verantwortlich und auch sonst einfach großartig seien.

The Hives beherrschen die Kunst der Massenmanipulation

Die Besucher applaudieren artig. So funktioniert Massenmanipulation: Man muss es den Leuten nur lang und nachdrücklich genug suggerieren, dann glauben die einem irgendwann auch den gröbsten Unfug – und geraten darüber auch noch in Ekstase. Irgendwie passend, dass die Hives einen Song mit dem Titel „Walk, Idiot, Walk“ im Repertoire haben. Langweilig ist die Show der Schweden jedenfalls keine Sekunde.

Danach spielen Billy Talent, die so schick frisiert und tätowiert sind, als entstammten sie einem Werbespot für obercoole Skaterklamotten. Die Band spielt druckvolle Rocksongs mit eingängigen Refrains. Im Vergleich zu Almqvist sind die Entertainerqualitäten des Sängers Benjamin Kowalewicz eher limitiert; zumindest weist er darauf hin, dass die Bühnenshow von Rammstein, dem Headliner auf der Green Stage am Samstag, äußerst beeindruckend sein soll. Aber das hat man ja irgendwo schon mal gehört.

Deutlich mehr Platz als bei Billy Talent hat man vor der Blue Stage, wo Portishead ihre verträumten Songs vortragen. Beth Gibbons, die Frontfrau der britischen Trip-Hop-Band, singt mit etwas weinerlicher Stimme, dazu gibt es eine atmosphärische Licht- und Videoshow. Der richtige Sound, um vor Rammstein noch einmal ein wenig zu auszuspannen.

Rammstein beeindruckt mit aufwändiger Bühnenshow

Die Verschnaufpause ist auch notwendig: Als die deutsche Band nämlich um 23 Uhr die Green Stage betritt, brennt sie von Anfang buchstäblich ein Feuerwerk ab. Sänger Till Lindemann schwebt mit blondierten Haaren und in einer rosa Plüschjacke von der Decke auf die Bühne – und demonstriert damit gleich zum Auftakt Selbstironie.

Das Konzert der Brachialrocker ist jedenfalls absolut sehenswert: Fast durchgängig sprühen Funken durch die Luft oder explodiert irgendwo irgendetwas. Und immer dann, wenn Lindemann so schöne deutsche Worte wie „Lust“, „Sehnsucht“ oder „lecken“ in den Mund nimmt, klingen diese noch ein bisschen deutscher. Fast ein wenig unheimlich. Aber wer gruselt sich schon vor einem Typen mit blondierten Haaren und einer rosa Plüschjacke?

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