Über den Messenger-Dienst Whatsapp wird angeblich das Spiel „Blue Whale Challenge“ verbreitet, das Nutzer sogar zum Selbstmord auffordern soll. Ob das Spiel wirklich existiert, ist allerdings bislang unklar.

Würzburg - Die Heranwachsenden erhalten eine Nachricht auf ihr Smartphone über den Messenger-Dienst Whatsapp. Durch das Öffnen gelangen sie zum „Blue Whale Challenge“, bei der 50 Aufgaben absolviert werden müssen. Die letzte Aufgabe ist der Suizid vor laufender Kamera im Internet. Diverse Schulen und auch Polizeidienststellen in ganz Deutschland haben Eltern in den vergangenen Wochen vor dem perfiden Online-Spiel gewarnt. Aber mittlerweile ist unklar, ob es überhaupt existiert: Internetexperten vermuten dahinter eine sogenannte „Creepy Pasta“ – ein via Internet verbreitetes Schauermärchen ohne Wahrheitsgehalt.

 

Das Pädagogische Landesinstitut Rheinland-Pfalz erklärte, bisher sei kein Fall in Deutschland bekannt geworden und es sei unklar, ob es das Spiel tatsächlich gebe. Die Schulpsychologen seien jedoch entsprechend sensibilisiert, denn auch wenn das „Blue Whale Challenge“ gar nicht existieren sollte, könnte es Nachahmer beziehungsweise Trittbrettfahrer geben. Das Wichtigste sei, die Kinder ernst zu nehmen, wenn sie von dem Spiel berichteten, rät das Institut. Das Umfeld müsse schnell reagieren und professionelle Hilfe in Anspruch nehmen.

Unabhängig davon, ob das „Blue Whale Challenge“ wirklich existiert, sind per Whatsapp verbreitete Kettenbriefe mit fragwürdigem Inhalt kein neues Phänomen. In den vergangenen Wochen machten immer wieder teils perfide Nachrichten die Runde. Teilweise wurde den Empfängern gedroht, ihnen oder nahen Angehörigen würde etwas zustoßen, wenn die Nachricht nicht umgehend an sämtliche Kontakte weitergeleitet würde. Bei solch grausamen Drohungen brauche es Betreuung, betont das Pädagogische Landesinstitut. Eltern sollten für ihre Kindern immer Ansprechpartner sein. Es sei wichtig, regelmäßig mit ihnen zu reden und ihr Selbstvertrauen zu stärken – dann sei es auch weniger wahrscheinlich, dass sie derartige Drohungen ernst nehmen.

Auch Viren und Trojaner werden verbreitet

Mitunter werden auch Schadprogramme wie Viren und Trojaner über Whatsapp-Links verbreitet. Zudem sind Abzock-Kettenbriefe, mit denen Betrüger den Nutzern – vor allem unbedarften Kindern und Jugendlichen – teure Abos untergejubelt werden, ein wachsendes Problem. In vielen Fällen reicht ein unbedachtes oder versehentliches Antippen eines Links aus, um in einer Abofalle zu landen, warnt die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Und das, obwohl ein Vertrag juristisch gesehen erst dann wirksam wird, wenn man sich per Button ausdrücklich zur Zahlung verpflichtet: Dieser muss gut lesbar mit nichts anderem als den Wörtern „zahlungspflichtig bestellen“ oder einer eindeutigen Formulierung wie „Kaufen“ beschriftet sein.

Gerade die Zahlungspflicht werde jedoch in der Werbung dubioser Anbieter oft verschleiert, so die Verbraucherschützer. „Viele wissen am Monatsende gar nicht, woher der Posten auf der Mobilfunkrechnung überhaupt stammt.“ Denn die eigentlichen Abo-Betreiber sind als Drittanbieter meist gar nicht zu erkennen – auf der Rechnung findet man nur den Namen einer Firma, die für den Abo-Betreiber die Abrechnung vornimmt.

Neben Abofallen lauert noch Identitätsdiebstahl als zusätzliche Gefahr der Kettenbriefe: „Wenn man den Namen, die Adresse und das Geburtsdatum einer Person hat, reicht das in den meisten Fällen schon aus, um in Online-Shops in ihrem Namen einzukaufen“, sagt Heiko Mormann von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Die Lieferung erfolgt meist an Packstationen, das Opfer bleibt auf der Rechnung sitzen. Allerdings können Kinder keine wirksamen Kaufverträge abschließen. Sollten also nach einem Identitätsdiebstahl Bestellungen im Namen von Minderjährigen getätigt werden, können ihre Eltern die Begleichung der Rechnung ohne Weiteres verweigern.

Kettenbriefe nicht weiterleiten

Egal mit welcher Intention die Kettenbriefe abgeschickt werden – am Ende gibt es nur einen vernünftigen Weg, mit ihnen umzugehen: Die Nachricht in den virtuellen Papierkorb zu befördern – und sie nicht weiter zu verbreiten. Wer einen Abzock-Kettenbrief erhält, sollte zudem den Kontakt, von dem er kam, darauf hinweisen, denn vielleicht hat dieser bereits ein teures Abo abgeschlossen – und es noch nicht bemerkt.

Dass Abzock- und Droh-Kettenbriefe besonders gerne via Whatsapp verbreitet werden, hat nachvollziehbare Gründe. Zum einen lassen sich die Nachrichten besonders leicht verbreiten, weil Whatsapp das Teilen von Webseiten explizit unterstützt – auch, wenn die Funktion eigentlich für Artikel und Ähnliches gedacht ist. Zudem wird Whatsapp von sehr vielen jungen Menschen genutzt, bei denen das Gespür für solche Fallen und unseriöse Angebote noch nicht besonders ausgeprägt ist. Sie sind in ihrer Naivität eher bereit, die Nachricht zu teilen, und tappen leichter in die Falle.

Nutzer werden immer jünger

Studie Mittlerweile haben längst nicht mehr nur Jugendliche ein eigenes Smartphone, sondern oft auch Kinder im Grundschulalter: Laut der Studie „Kindheit, Internet, Medien“ (KIM), die der Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest veröffentlicht hat, verfügen mittlerweile 18 Prozent der Acht- und Neunjährigen über ein Mobiltelefon mit Internetzugang, Apps und Touchscreen. Vor zwei Jahren waren es erst zehn Prozent. Bei den Sechs- und Siebenjährigen stieg die Zahl binnen zwei Jahren von zwei auf vier Prozent. Befragt wurden 1200 Kinder und Jugendliche zwischen sechs und 13 Jahren.

Kritik „Nicht nur beim Smartphone, auch bei anderen Medien sehen wir eine Verjüngungstendenz“, bestätigt die Medienpädagogin Claudia Lampert vom Hans-Bredow-Institut in Hamburg. Dass immer mehr Grundschüler ein eigenes Handy mit Internetzugang und Apps haben, sieht die Expertin kritisch. Die Kinder seien noch zu jung, um das Gerät in all seinen Funktionen verstehen zu können – und könnten aufgrund fehlender Reife mit Online-Phänomenen wie Whatsapp-Kettenbriefen nicht angemessen umgehen.

Begleitung Um die Funktionen eines Smartphones zu verstehen und zu lernen, wie man sich im Internet schützt, würden Heranwachsende Zeit und die Begleitung der Eltern benötigen, erläutert Medienpädagogin Lampert. Ein eigenes Smartphone sei daher frühestens ab elf Jahren angebracht.