Eine Regelung der Richter am Bundessozialgericht hatte den Anspruch auf Sozialhilfe neu geregelt. Die Bescheide der Stadt Stuttgart wurden deshalb in drei Fällen gerichtlich angefochten. Der Gesetzesentwurf des Bundessozialministeriums macht dem ein Ende.

Stuttgart - Für die Bundessozialrichter war Ende vergangenen Jahres eines klar: Wer aus dem europäischen Ausland nach Deutschland zieht und sechs Monate bleibt, dessen Aufenthalt hat sich, so der Fachterminus, „verfestigt“. Und daraus wiederum leite sich ein Anspruch auf Sozialhilfe ab. Den hat Bundessozialministerin Andrea Nahles (SPD) jetzt vom Tisch gewischt – zur Freude der Kommunen. „Damit hat sie einen guten Weg eingeschlagen“, lobt Stuttgarts Sozialbürgermeisterin Isabel Fezer (FDP) die Gesetzesinitiative.

 

Auch andere Kommunen hatten schon befürchtet, dass nach dem Urteil aus Kassel eine neue Kostenwelle über sie hereinbrechen könnte. Denn die Richter hatten, so Fezer, einen „Systembruch“ begangen: Sie sprachen einem Personenkreis Ansprüche zu, die bisher keinen hatten und den die Städte und Gemeinden hätten erfüllen müssen. Deshalb ist Stuttgarts Sozialbürgermeisterin jetzt beruhigt: „Wir begrüßen die rasche Initiative.“

Klage gegen abschlägigen Sozialbescheid

Die Geschwindigkeit, mit der sie kam, hat Stuttgart vor gerichtlichen Auseinandersetzungen bewahrt. Drei Personen waren nach dem Kasseler Urteil vors Sozialgericht gezogen und hatten gegen ihren abschlägigen Sozialhilfebescheid geklagt. Hätte sich das Urteil erst herumgesprochen, wären es wohl mehr geworden – allerdings nicht sehr viel mehr. Nach einer Schätzung des Stuttgarter Sozialamtsleiters Stefan Spatz sind lediglich „sechs bis zwölf Personen von der Regelung betroffen“ gewesen.

Die Zahl erscheint klein in Anbetracht der Probleme, die es mit zugewanderten Menschen aus Osteuropa, vornehmlich aus Bulgarien und Rumänien, gibt. Doch gerade die Männer und Frauen, die im Sommer vergangenen Jahres im Schlossgarten campiert und in den Fußgängerzonen Geld erbettelt hatten, waren offensichtlich nicht beim Amt vorstellig geworden. Die Sozialverwaltung hegt deshalb die Vermutung, dass auch die von Andrea Nahles angekündigten Überbrückungsleistungen nicht oft eingefordert werden.

Bund beteiligt sich an den Kosten

Ohnehin wird die Stadtverwaltung nun erst einmal die weiteren Ausführungsbestimmungen abwarten. Denn wo der Gesetzesgeber zum Zahlen verpflichtet, beteiligt sich der Bund normalerweise an den Kosten – zum Beispiel an jenen für die Überbrückungsleistungen für Essen, Körperpflege oder Unterkunft.

Ende 2014 waren in Stuttgart 5319 Rumänen und 2350 Bulgaren gemeldet und damit viermal so viele wie zehn Jahre zuvor. 2004 wohnten 603 Bulgaren und 1280 Rumänen offiziell in Stuttgart, 2009 waren es 980 Bulgaren und 1319 Rumänen. Insgesamt hat Stuttgart 605 000 Einwohner, davon rund 118 000 ohne deutschen Pass; zehn Prozent von ihnen beziehen Arbeitslosengeld. Diese Quote trifft sowohl auf die in Stuttgart lebenden Osteuropäer als auch auf die Deutschen zu.

EU-Ausländern wird die Zugfahrt nach Hause bezahlt

Für 40 000 Arbeitslose in Stuttgart kommt das Jobcenter mit Leistungen des Bundes nach Hartz IV auf, an den Unterkunftskosten beteiligt sich die Stadt. Die Arbeitsunfähigen mit Anspruch auf Sozialhilfe, rund 9500, unterstützt die Stadt mit Hilfen zum Lebensunterhalt und Grundsicherung. In der Landeshauptstadt gehören weitere mehrere Tausend zu Empfängern von Eingliederungshilfen.

In einem zeigt sich Stuttgart übrigens weiterhin großzügig: Die Stadt wird EU-Ausländern, die keine Chance auf Sozialleistung oder Unterkunft haben, die Zugfahrkarte nach Hause bezahlen – wie bisher ohne Darlehen. Und bis zur Abreise, verspricht Isabel Fezer, „lassen wir niemanden verhungern“.