Die stabile Konjunktur führt zu einer überraschend guten Finanzlage der Rentenversicherung. Diese erwartet zum Jahresende höhere Rücklagen. Die Arbeitgeber appellieren an die Politik, bei entsprechendem Spielraum die Beitragszahler zu entlasten.

Berlin - Die Rentenexperten sind von der Entwicklung überrascht: „Die Beitragseinnahmen steigen und steigen“, sagt einer, der die Zahlen kennt. Dass sich der Beschäftigungsboom in Deutschland zuletzt sogar noch verstärkt hat, damit haben die Fachleute nicht gerechnet. Eine Folge davon ist, dass die Sozialversicherungen wachsende Einnahmen verzeichnen. Die Deutsche Rentenversicherung Bund geht wegen der guten Beschäftigungsentwicklung in Deutschland von einer besseren Finanzlage in diesem Jahr aus. Nach Informationen dieser Zeitung erwartet die Rentenversicherung höhere Rücklagen. Das ist ein bemerkenswerter Trend, denn bis vor einigen Monaten sah es noch so aus, als würden die Reserven wegen höherer Ausgaben für die Mütterrente, die Rente mit 63 und die überdurchschnittliche Rentenanpassung von 4,25 Prozent im vergangenen Jahr schmelzen.

 

Doch die sprudelnden Beitragseinnahmen überlagern alles andere. Wie stark sich die Situation verbessert hat, lässt sich an den Rücklagen ablesen. Die sogenannte Nachhaltigkeitsrücklage der Rentenversicherung lag im Juni bei 30,7 Milliarden Euro – das entspricht knapp 1,5 Monatsausgaben der Rentenversicherung. Die Bundesregierung hatte im Rentenversicherungsbericht 2016 noch prognostiziert, dass die Rücklage bis Ende 2017 auf 30,6 Milliarden Euro sinkt. Diese Prognose ist überholt. Die Rentenversicherung geht jetzt davon aus, dass das Finanzpolster zum Jahresende auf mehr als 32 Milliarden Euro klettert. „Es spricht einiges dafür, dass sich die Reserve weiter erhöht“, heißt es in gut informierten Kreisen. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr lag die Rücklage noch bei 32,4 Milliarden Euro. Die Politik war aber immer davon ausgegangen, dass wegen der Rentenbeschlüsse mit sinkenden Rücklagen zu rechnen ist.

Die guten Zahlen übertreffen die Erwartungen

Der CDU-Sozialpolitiker Peter Weiß erklärt den Positivtrend mit der robusten Konjunktur. „Die gute wirtschaftliche Entwicklung gibt der Rentenversicherung zusätzliche Stabilität“, sagte Weiß. Der SPD-Rentenpolitiker Martin Rosemann sieht das ähnlich: „Die Rentenversicherung profitiert ungemein von der Zunahme der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung.“ Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Jobs stieg zuletzt auf mehr als 32 Millionen. Die Zahl der Erwerbstätigen erhöhte sich sogar auf mehr als 44 Millionen. Die gute Finanzlage lässt die Begehrlichkeiten im Wahlkampf wachsen. Die CSU kündigte bereits an, dass sie eine weitere Erhöhung der Mütterrente durchsetzen will. Das unterstützt die CDU nicht. Auch die SPD ist dagegen. Die Sozialdemokraten wollen einen Demografiezuschuss einführen, um das Rentenniveau langfristig zu stabilisieren.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) warnte dagegen: „Wir raten dazu, die Überschüsse in den Sozialversicherungen knapp zu halten. Wenn es Spielraum gibt, sollte das Geld an die Beitragszahler zurückgegeben werden.“ Der Abgeordnete Weiß ist allerdings äußerst skeptisch, ob es im nächsten Jahr zu Beitragssenkungen kommen kann. Gegenwärtig liegt der Beitrag zur Rentenversicherung bei 18,7 Prozent. Da der Beitragssatz nach Meinung der Fachleute schon wegen der demografischen Entwicklung in einigen Jahren steigen wird, will die Politik ein Auf und Ab vermeiden.

Die Begehrlichkeiten im Wahlkampf wachsen

Auch der Sozialdemokrat Rosemann sieht die Prioritäten woanders. Die momentan gute Entwicklung könne nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in der Rentenpolitik viel zu tun gebe. An erster Stelle steht für die SPD, das Rentenniveau auf dem gegenwärtigen Stand zu stabilisieren. Dafür sollen höhere Beiträge in Kauf genommen werden. Außerdem seien aus Sicht der SPD weitere Maßnahmen zur Bekämpfung der Altersarmut erforderlich.

Die Deutsche Rentenversicherung hat der Politik schon signalisiert, dass sich die Finanzlage entspannt. Bis Ende Juni war die Rentenversicherung noch davon ausgegangen, dass im Jahr 2021 eine Beitragserhöhung fällig wird, um die gestiegenen Ausgaben zu decken. Inzwischen erwartet die Rentenversicherung die Beitragserhöhung erst für das Jahr 2022. Das zeigt, dass der Handlungsspielraum der Politik wächst. Gleichwohl warnt SPD-Politiker Rosemann vor voreiligen Schlüssen. „Die großen Herausforderungen in der Rentenversicherung stehen noch vor uns.“