Auf vielfachen Wunsch aus den Rathäusern erhöht Grün-Rot die Altersgrenze für Bürgermeister auf 73 Jahre. Die beiden Fraktionschefs Edith Sitzmann und Claus Schmiedel haben sich geeinigt. Eine „Lex Kuhn“?

Stuttgart - Die parlamentarische Sommerpause naht – traditionell die Zeit, in der die Regierungsfraktionen die noch verbliebenen Streitthemen vom Tisch räumen. In der Frage der Altersgrenze für Bürgermeister haben die beiden Vorsitzenden der Koalitionsfraktionen von Grünen und SPD, Edith Sitzmann und Claus Schmiedel, jetzt einen Vorschlag entwickelt, den sie am kommenden Dienstag ihren Abgeordneten vorlegen werden.

 

Demnach geben die Sozialdemokraten ihren Widerstand gegen eine Anhebung der Altersgrenze für Bürgermeister auf, verhindern aber deren gänzliche Abschaffung. Die beiden Fraktionsvorsitzenden Sitzmann und Schmiedel einigten sich stattdessen auf folgendes Modell: Bewerber für ein Bürgermeisteramt sollen bis zur Vollendung des 67. Lebensjahres wählbar sein. Bisher liegt die Grenze bei 65 Jahren. Im Fall ihrer Wahl können sie dann noch bis zur Vollendung des 73. Lebensjahres ihr Amt ausüben. Das wären dann nur sechs Jahre und nicht mehr die volle Amtszeit von acht Jahren. Bisher schreibt die Gemeindeordnung noch vor, dass mit 68 Jahren definitiv Schluss ist.

Auch Beamten dürfen länger arbeiten

Sitzmann wie auch Schmiedel verweisen darauf, dass Beamte im Landesdienst schon jetzt freiwillig über die Pensionsgrenze hinaus zwei Jahre länger arbeiten können – also bis 67. Künftig sollen sie sogar, so sie dies wünschen, bis zur Vollendung des 70. Lebensjahres an ihrem Schreibtisch ausharren dürfen. Für SPD-Fraktionschef Schmiedel folgt daraus zwingend: „Dann können wir die Bürgermeister nicht mit 68 in den Ruhestand schicken.“ Grünen-Fraktionschefin Sitzmann führt die Demografie ins Feld: „Die Leute sind ja auch länger fit.“ Sie geht fest davon aus, dass ihre Fraktion den Vorschlag billigt. Anschließend werde mit den Kommunalverbänden gesprochen.

Der Gemeindetag hatte sich zuletzt dafür ausgesprochen, die Altersgrenze ganz zu kappen. Einen entsprechenden Gesetzentwurf will die FDP-Fraktion am kommenden Mittwoch in den Landtag einbringen. Zurückhaltender zeigte sich der Städtetag. Dessen Präsidentin Barbara Bosch wandte sich nach einer Vorstandssitzung am vergangenen Montag dagegen, auf eine Altersgrenze zu verzichten. Ihr Vorschlag: Eine vor dem 65. Lebensjahr begonnen Amtszeit solle noch beendet werden dürfen. Auch dann wäre mit spätestens 73 Jahren der Ruhestand unabwendbar.

Sitzmann: Keine „Lex Kuhn“

Es war Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der im vergangenen Herbst die Diskussion ins Rollen gebracht hatte. „Bei Wahlbeamten wollen wir die Altersgrenze ganz abschaffen“, sagte er. So weit wird es nun nicht kommen. Kretschmann (67) kann also auch nach der Neuregelung nicht mehr für ein Bürgermeisteramt kandidieren. Ministerpräsident will er aber auch über die Landtagswahl im März 2016 hinaus bleiben. Der Vorstoß des Regierungschefs hatte sofort den Einwand evoziert, die Grünen wollten mit einer „Lex Kuhn“ dem Stuttgarter OB Fritz Kuhn die Chance auf eine zweite Amtszeit offen halten. Die Grünen-Fraktionschefin Sitzmann hält diese Kritik für unberechtigt. Es gebe viele Bürgermeister im Land, die gerne noch eine eine weitere Amtszeit anhängten, denen dies aber aufgrund der Rechtslage derzeit verwehrt bleibe. Die Gesetzesänderung soll jedenfalls zeitnah in Angriff genommen werden. „Wir wollen das rasch angehen“, sagt Sitzmann.

Bis zur Sommerpause wollen die beiden Regierungsfraktionen aber noch weitere strittige Themen klären. So dringen die Grünen auf eine Kennzeichnungspflicht für Polizisten, was Innenminister Reinhold Gall (SPD) inzwischen trotz klarer Aussagen im Koalitionsvertrag ablehnt.

Ein Kompromiss könnte darin bestehen, einen Ombudsmann zu installieren, der als Anlaufstelle für Beschwerde führende Bürger diente. Das Innenministerium bestätigte, intern werde dieser Plan geprüft. Sitzmann und Schmiedel bestritten jedoch, einen Deal verabredet zu haben, der den Grünen die längere Amtszeit für Bürgermeister und der SPD den Verzicht auf die Kennzeichnungspflicht für die Polizei als Erfolg zuweist.