Das Edificio España ist ein Wahrzeichen Madrids – und ein Monument der geplatzten Immobilienblase. Jetzt will ein chinesischer Investor es abreißen und wieder aufbauen.

Korrespondenten: Martin Dahms (mda)

Madrid - Den Touristen aus aller Welt, die Madrid besuchen, kommt das Edificio España gerade recht. Sie stellen sich gern auf die davor liegende Plaza España und nehmen das Don-Quijote-Denkmal in der Mitte des Platzes ins Visier ihrer Kameras, mit dem 117 Meter hohen neobarocken Gebäude von 1953 als pittoreskem Hintergrund. Sonst ist das Edificio España allerdings zu nichts mehr gut.

 

Aus der Nähe sieht man vernagelte Schaufenster. Aus einem vergitterten Seiteneingang strömt kühle Luft auf die sommerheiße Straße. Vor acht Jahren zogen die letzten Mieter aus dem Hochhaus, danach wurde es gründlich ausgeweidet, dann geschah erst einmal nichts.

Das Edificio España ist Spaniens berühmteste leere Hülle.   Als hätte ein Romanautor die Symbolik auf die Spitze treiben wollen, ist das Edificio España ein Mahnmal der gerade überstandenen Krise. Sein Name bedeutet zu deutsch: Spanien-Gebäude. Schöner, nutzloser Schein.

Das Edificio España wurde zu Franco-Zeiten erbaut

Vor zehn Jahren, als der Immobilienboom noch ewigen Reichtum versprach, kaufte der Banco Santander das stadtbildprägende Gebäude, um darin nach der geplanten Grundsanierung edle Geschäfte und Wohnungen unterzubringen. Ein perfekter Plan. Das Edificio España, zu Franco-Zeiten als Monument nationalen Stolzes erbaut, steht am Rand der Innenstadt, am Eingang zur Prachtstraße Gran Vía, in unübertroffener Lage. Es sieht gut aus, und jeder Spanier kennt es. Doch dann platzte die Immobilienblase, Spanien verfiel in eine zähe Rezession, und die Investoren wussten mit ihrem Schmuckstück nichts mehr anzufangen.  

Um mit der Romanhandlung fortzufahren, verkaufte der Banco Santander das Hochhaus vor einem Jahr an einen Chinesen. Der Käufer heißt Wang Jianlin und ist mutmaßlich der reichste Mann Chinas und einer der reichsten Männer der Welt. Wang scheint einen Narren an Madrid gefressen zu haben. Im Januar kaufte er sich mit 20 Prozent beim Fußballclub Atlético de Madrid ein, und im Südwesten der Stadt will er einen Freizeitpark errichten. Mit seiner Firma Dalian Wanda hat er für das Edificio España ganz ähnliche Pläne wie der Vorbesitzer: Luxuswohnungen, Geschäfte, ein Hotel. Doch zunächst will er das ganze Gebäude abreißen, um es dann äußerlich originalgetreu, aber innerlich ganz neu wieder aufzubauen.  

Das Vorhaben ist ein Schock für Madrid. Da kommt einer von weither und will ihr Spanien-Gebäude einreißen. In den Netzforen wird heiß diskutiert. Einerseits: was bildet sich dieser Chinese ein? Denkmalschutz ist Denkmalschutz, und der sagt, dass die Front- und die beiden Seitenfassaden zu erhalten seien. Andererseits: endlich hat mal jemand einen Plan für das Haus. Und noch mal andererseits: ist das Edificio España überhaupt schützenswert? Oder gleich ganz weg damit?  

Die Madrider sollen abstimmen

Der Präsident der Madrider Architektenkammer, José María Ezquiaga, hat in der vergangenen Woche einen Vorschlag gemacht: Man solle die Madrider abstimmen lassen. Ezquiaga gehört offenbar zu denen, deren Herz nicht sonderlich am Edificio España hängt. Das Gebäude sei „architektonisch nicht außergewöhnlich“. Doch er gesteht ein, dass „sein Bild genügend bedeutsam ist, dass die Madrider meinen können, es sei Teil ihrer Erinnerung und deswegen erhaltenswert“. Sein Referendumsvorschlag wäre also einer über Abriss ja oder nein.  

Die Alternative des chinesischen Investors Dalian Wanda – Abriss und Wiederaufbau – kommt für den Kammerpräsidenten Ezquiaga dagegen nicht in Frage. Sollten die Madrider ihr Hochhaus behalten wollen, „müsste es im höchstmöglichen Grade erhalten bleiben, ohne die Geschichte zu fälschen, indem man so tut, als wäre es alt, während es modern ist“.

Die Debatte erinnert an die um den Wiederaufbau des Berliner Schlosses. Aber vielleicht unterschätzen die Gegner solcher Rekonstruktionen den Lauf der Zeit. Nach einigen Jahrzehnten hat auch ein nachgebautes Haus schon wieder Historie.  

Wahrscheinlich passiert jetzt erst einmal gar nichts

In einem Punkt gibt der Präsident der Architektenkammer dem Bauherren Dalian Wanda Recht: Die Erhaltung allein der Fassaden sei technisch unmöglich. Das mehr als 100 Meter hohe Gebäude lässt sich nicht entkernen. Die Außenwände könnten sich ohne die dahinter liegende Struktur nicht aufrecht halten. Entweder also muss der Investor zusehen, wie er das Beste aus dem Gebäude macht, so veraltet, wie es da steht. Oder er muss es abreißen. Irgendetwas dazwischen scheint nicht möglich.  

Was nun? Die neue linke Stadtregierung von Madrid unter Bürgermeisterin Manuela Carmena besteht darauf, dass Verträge einzuhalten seien: Dalian Wanda muss dem Denkmalschutz genüge tun und die Fassaden erhalten, Abriss und Neubau kommen nicht in Frage. Eine Volksabstimmung über die Zukunft des Gebäudes, wie vom Architekten José María Ezquiaga vorgeschlagen, schloss eine Sprecherin des Rathauses „für den Moment“ aus.

Das Wahrscheinlichste ist, dass nun weiterhin erst einmal gar nichts geschieht. Das Edificio España wird weiter dastehen als schönes, leeres Schaustück. Bis es in sich zusammenfällt.