Granada ist bei ausländischen Studenten sehr beliebt. Das arabische Flair, die Musik und die Gärten bringen aber auch alle anderen Besucher ins Schwärmen.

Ja, natürlich muss man die Alhambra besuchen. Wie könnte man Granada verlassen, ohne die rote Burg der Nasriden, die raffinierte Raumgestaltung der Paläste, die filigrane Stuckdekoration, das Spiel mit Licht und Wasser, die wohlriechenden Gärten des Generalife und den Löwenhof bewundert zu haben? Diese Architektur hat dem amerikanischen Schriftsteller Washington Irving zufolge die Macht, „einen träumen zu lassen und Bilder aus der Vergangenheit hervorzuzaubern, die die nackte Wirklichkeit hinter dem schönen Schleier der Illusion verbergen“. Selbst wenn es heute schwierig ist, angesichts der jährlich 2,5 Millionen Besucher versunken den Anblick zu genießen und man lange Schlangen, mitunter auch eine schikanöse Behandlung an der Kasse in Kauf nehmen muss: Wer das Wunderwerk bei Tageslicht besichtigt hat, der wird gerne die Mühen erneut auf sich nehmen, um Paläste und Gärten noch mal bei Nacht zu sehen.

 

Aber es gibt auch ein Granada außerhalb der Alhambra. Eins, das beispielsweise für Erasmus-Studenten so attraktiv ist, dass sie lieber hierherkommen als in jede andere Stadt. Warum? Was lockt sie hier außer einer der ältesten und renommiertesten Universitäten Spaniens und der südlichen Sonne? „Für mein Fach finde ich die Uni gar nicht so gut“, erzählt Max aus Norwegen, der in Granada ein halbes Jahr Wirtschaftswissenschaften studiert. „Aber zum Leben ist die Stadt einfach genial.“ Sie sei relativ billig, schon für 1,50 Euro bekomme man ein Bier und eine Tapa, für acht Euro ein ganzes Menü. Dazu habe sie genau die richtige Größe, um alles zu Fuß erreichen zu können. Und dann sei da diese einzigartige Atmosphäre. Etwa im Albaycín-Viertel, das wie die Alhambra zum Unesco-Welterbe gehört und mit seinen verwinkelten Gassen, Treppen und Plätzen den Hügel oberhalb der Kathedrale überzieht. Stundenlang mag man sich in dem weißen Labyrinth verlieren, auf der Plaza Larga einen Tinto de verano - eine Art Sangria - trinken, bevor man am Aussichtspunkt Mirador de San Nicolás die Sonne über der Stadt untergehen sieht.

Eine atemberaubende Atmosphäre

Was für ein Bild, wenn sie die Alhambra vor der verschneiten Sierra Nevada in ihr goldenes Licht taucht! Ringsum verstecken sich auch unzählige „Carmen“. So werden hier typische Häuser mit Gärten genannt, die wie der ganze Albaycín ein Erbe der Mauren sind. Zwischen Orangen- und Granatapfelbäumen plätschern Brunnen, dazwischen verströmen Minze und Zitronenverbene ihre Wohlgerüche. Oft sorgt dichtes Weinlaub für Schutz vor Sonne oder winterlicher Kälte. Hier und da kann man hinter einem Gitter einen solchen Paradiesgarten erspähen. Einige haben sich auch in oft überteuerte Restaurants oder Hotels verwandelt. Besonders sehenswert sind der Carmen des belgischen Künstlers Max Moreau, der regelmäßig für Besucher geöffnet ist. Oder auch der Carmen de Victoria in der Cuesta del Chapiz. Eigentlich ist er Teil eines Studentenwohnheims, in dem auch schon Nobelpreisträger Mario Vargas Llosa zu Gast war. Doch wer klingelt, dem wird aufgetan.

Schön auch, wenn irgendwo noch jemand Gitarre spielt, während man durch die blühenden Oasen schlendert. Das ist keine Seltenheit. Schließlich haben in Granada die besten Gitarrenbauer Spaniens ihren Sitz. So greift immer wieder jemand auf einem Platz, an einem Brunnen, am Mirador de San Nicolás oder sonst wo in die Saiten - wenn auch nicht unbedingt jemand wie Paco de Lucía. Ohne Gitarre wäre auch der Flamenco nicht denkbar, der zurzeit in Andalusien eine ungeahnte Blüte erlebt. Entstanden aus der Fusion arabischer und indischer Musik, die die Gitanos aus Asien mitbrachten, womöglich auch byzantinischer Liturgien und jüdischer Traditionen, wurde auch der Flamenco ins Welterbe der Unesco aufgenommen und entwickelt sich weiter. Man mag sich darüber streiten, ob der beste Flamenco aus Jerez de la Frontera, Sevilla oder Granada kommt. Tatsache ist, dass er untrennbar mit dem Albaycín und dem darüber liegenden Sacromonte, jenem „heiligen Berg“, verbunden ist, auf dem vor Jahrhunderten Sinti und Roma zusammen mit von Christen verfolgten Arabern in weiß getünchten Höhlen lebten und damit begannen, ihrem Leid, Schmerz, aber auch ihrer Freude durch diese Art von Musik Ausdruck zu verleihen.

Granadas tänzerische Seite

Wie der Alltag in den Höhlen aussah und zum Teil heute noch aussieht, zeigt das liebevoll aufbereitete Museo de las Cuevas de Sacromonte. In einigen der Höhlen finden auch noch regelmäßig traditionelle Zambras statt, Flamenco-Feste mit Musik, Gesang und Tanz. Allerdings sind sie meist zu inszenierten Dinner-Shows für zahlungskräftige japanische oder chinesische Reisegruppen degeneriert. „Besser, man geht ins Chien Andalou, dort ist es authentischer und preiswerter“, empfiehlt der Wirt der kleinen Bar Los Faroles in Sacromonte. Tatsächlich kostet der Eintritt in dem winzigen Tablao am Fuß des Albaycín nur acht oder zehn Euro, und neben gestandenen Flamenco-Größen stehen Jungtalente wie der 19-jährige Jesús auf der winzigen Bühne. Wie der Kampf gegen einen imaginären Feind sieht es aus, wenn er zum einfühlsamen Cante von Sänger Alberto und Miguels Gitarrenklängen tanzt. Mal versucht er, mit spielerischen Gesten zu verführen, lässt sogar seine Weste über die vom Hemd bedeckte Schulter gleiten, um im nächsten Moment energisch aufzustampfen und mit den Füßen einen atemberaubenden Zapateo zu vollführen, der einem Kugelhagel gleicht. Dabei klatscht er so entschieden in die Hände, dass mancher Zuschauer zusammenzuckt.

Für solche Darbietungen können sich auch Studenten wie Max begeistern. „Die Intensität, die tiefen Emotionen, die hier zum Ausdruck kommen, sind für mich zwar erst mal fremd, aber irgendwie faszinierend“, schwärmt er. Ähnlich exotisch empfinden er und seine Freunde die arabische Kultur in Granada. Wo sonst ist sie so greifbar wie hier, wo die Mauren länger herrschten als in jeder anderen spanischen Stadt? Das zeigt sich nicht nur in der Architektur - neben der Alhambra und dem Madraza-Palast unweit der Kathedrale haben die geheimnisvollen arabischen Bäder aus dem 11. Jahrhundert überdauert -, sondern auch beim Kunsthandwerk, mit dem die Läden rund um die Alcaicería-Gasse vollgestopft sind. Dazu laden in der Calderería Nueva und anderen Gassen allerlei Teterías zu Pfefferminztee, typischem süßen Gebäck und Couscous ein. Herrlich, mit Freunden von Bar zu Bar zu ziehen. Ein Volkssport, den man in insgesamt 2565 Bars ausleben kann. Auch das ist ein Argument für Erasmus-Studenten - und natürlich auch für alle anderen Besucher!

Infos zu Andalusien

Andalusien

Anreise

Direktflüge von Stuttgart nach Granada gibt es nicht. Stattdessen kann man z. B. mit Swiss ab ca. 160 Euro über Zürich dorthin fliegen, www.swiss.com

Unterkunft

Direkt in der Alhambra wohnt man im staatlichen Parador, der auch über ein sehr gutes Restaurant verfügt. Allerdings muss man die Zimmer in den altehrwürdigen Gemäuern lange im Voraus buchen (DZ/mit Frühstück und Abendessen ab 150 Euro), www.parador.es
Wer dort nichts bekommt, kann sich im arabisch inspirierten Alhambra Palace mit Vier-Sterne-Komfort am tollen Blick auf die Stadt erfreuen (DZ mit Frühstück und Abendessen ab 133 Euro),
www.h-alhambrapalace.es
Eine stilvolle Bleibe im Albaycín-Viertel ist das Drei-Sterne-Hotel Santa Isabel La Real in einem Gebäude aus dem 16. Jahrhundert neben dem gleichnamigen Kloster (DZ mit Frühstück ab 85 Euro), www.hotelsantaisabellareal.com

Sehenswert / Ausflüge

Die Alhambra, Festung auf dem Sabikah-Hügel von Granada, ist im Winterhalbjahr täglich von 8.30 bis 18 Uhr zu besichtigen. Eintrittskarten sollte man nach Möglichkeit im Voraus buchen unter www.patronato-alhambra.es bzw. www.ticketmaster.es . Ansonsten kann man sich morgens früh an der Kasse anstellen, da für jeden Tag ein Kontingent von ca. 1000 Tickets reserviert wird.
Zu den Hauptsehenswürdigkeiten Granadas gehören außerdem die Kathedrale, geöffnet 10.45 bis 13.30 Uhr und 16 bis 17 Uhr, Sonntag bis 19 Uhr, sowie die Königliche Kapelle Capilla Real, Montag bis Samstag 10.15 bis 13.30 Uhr und 15.30 bis 18.30 Uhr, Sonntag erst ab 11 Uhr.
Sehenswerte Gärten im Albaycín sind der Carmen de la Victoria mit Cafeteria in der Cuesta del Chapiz 9 (tagsüber geöffnet nach Klingeln) sowie der Carmen Max Moreau mit kleinem Museum des belgischen Künstlers im Camino Nuevo de San Nicolás 12, geöffnet Dienstag bis Sonntag 10 bis 13.30 Uhr und 16 bis 18 Uhr bei freiem Eintritt.
Guten Flamenco gibt es täglich, meist um 19.30, 21.30 und 23.30 Uhr im Chien Andalou, Carrera del Darro 7, www.lechienandalou.com . Die Karten für 8 bzw. 10 Euro sollte man rechtzeitig vorab reservieren.

Essen und Trinken

Die Auswahl an Tapas-Bars ist groß. Ebenso traditionell wie beliebt ist das zentral gelegene Los Manueles, www.losmanueles.es , Monjas del Carmen 1, außerdem das Chikito, www.restaurantechikito.com , in dem schon Federico García Lorca verkehrte, Plaza del Campillo 9, sowie das La Borraja, www.laborraja.com , Plaza del Fortuny 1, mit eher gehobenen Design-Tapas.

Literaturtipp

Empfehlenswerte Reisebegleiter sind das Dumont-Reisetaschenbuch „Andalusien“ sowie die „Erzählungen von der Alhambra“ des amerikanischen Schriftstellers Washington Irving.