Junge Spanier aus der Winnender Partnerstadt suchen ihre Chance in Schwaben. Sie machen ein Praktikum, dann eine Lehre. Wir begleiten drei von ihnen bis zum Abschluss mit einer Artikelserie.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Winnenden - In Spanien haben sie gejobbt, manche haben ein bisschen studiert. Aber so richtig angekommen im Berufsleben sind die sechs jungen Leute aus der Winnender Partnerstadt Santo Domingo de la Calzada, die jetzt im Schwabenland erwartet werden, noch nicht. Wie auch? In Spanien lag die Jugendarbeitslosigkeit Ende 2013 bei fast 55 Prozent. Auch gute, top motivierte Schüler finden keine Anstellung.

 

Mit einem ehrgeizigen Projekt wollen die beiden Partnerkommunen jetzt gegensteuern. Am Freitagabend werden die sechs Spanier in Winnenden erwartet. Sie starten mit einem dreimonatigen Praktikum, anschließend wollen sie eine Lehre beginnen. Drei dieser jungen Leute werden wir in den kommenden Jahren mit einer Artikelserie bei ihrem ihrem Neubeginn im Norden begleiten: Miguel Ángel Pascual Puras, 23 Jahre, Sara Fernández García, 28 Jahre, und Rubén Barrio Arrea, 25 Jahre.

„Meine Freunde sagen, ich soll nicht fahren“

Wenn das Praktikum und der bereits daheim in Spanien gestartete Deutschkurs gut laufen, dann wird Miguel Puras im September Koch lernen. Er sagt, seine Eltern hätten ihn ermutigt, die Chance in Deutschland zu ergreifen. Jetzt, unmittelbar vor dem Abflug von Bilbao nach Stuttgart, seien sie aber „etwas traurig. Und meine Freunde sagen, ich soll nicht fahren.“ Miguel will aber unbedingt die Lehre machen, viel lernen, neue Freunde finden und nach dem Abschluss „ein paar Jahre bleiben“. Er war noch nie in Deutschland.

Rubén Arrea indes hat „vor vielen Jahren“ schon mal Winnenden besucht, „mit meinem Basketballteam“. Er sagt, die Zeit in Deutschland sei „eine sehr gute Gelegenheit, aber die Sprache macht mir Angst“. Manche seiner Freunde hätten ihn gefragt: „Bist du verrückt?“ Doch Rubén ist wild entschlossen, er will im Wunnebad Fachangestellter für Bäderbetrieb lernen.

Die ersten Wochen sind gut vorbereitet

Sara Fernández García wird im September im Klinikum Schloss Winnenden Gesundheits- und Krankenpflegerin lernen, so sie sich während des Praktikums bewährt. Sie komme nach Deutschland, „weil es in Spanien keine Arbeit gibt, ich möchte aber arbeiten und beruflich und persönlich wachsen“. Die Entscheidung, für mehrere Jahre nach Winnenden zu kommen, sei ihr zunächst nicht schwer gefallen. Aber jetzt sagt sie: „Es wird schwer, von zu Hause und von der Familie weg zu sein.“ Sie hoffe, nette Menschen zu treffen. Sara war im Herbst in München, „ich liebe diese Stadt“. Sie habe mehr über die deutsche Kultur und die Menschen erfahren wollen.

Die jungen Spanier profitieren von dem Programm „Mobi-Pro EU“. Der Bund bezuschusst das Winnender Projekt, das die Wirtschaftsbeauftragte der Stadt, Franka Zanek, zusammen mit dem Verband der Selbstständigen (VdS) angeleiert hat. Frau Zanek hat auch die Winnender Bürgermentoren, den Jugendgemeinderat der Stadt und den Partnerschaftsausschuss mit ins Boot geholt. Die ersten Wochen der sechs jungen Spanier in Winnenden sind ganz offenkundig bestens vorbereitet.

Am Montag geht’s in die Ausbildungsbetriebe

Die künftigen Azubis haben jeweils zwei Paten, einen jüngeren und einen älteren, sie wissen, wo sie wohnen werden. Sie bekommen gleich am Samstag Fahrräder zur Verfügung gestellt, eine Zehnerkarte für das Wunnebad und vieles mehr.

Die Projektpartner haben sich von Querschüssen nicht entmutigen lassen. Als es vor ein paar Wochen hieß: die Gelder, die der Bund im Rahmen des Programms zur Verfügung stellt, seien aufgebraucht, haben sich die beiden Partnerstädte entschlossen, den Sprachkurs in Spanien zu finanzieren. Die Beharrlichkeit wurde belohnt. Kürzlich habe die Agentur für Arbeit, die „Mobi-Pro EU“ betreut, wissen lassen, dass nun doch Gelder zur Verfügung stehen, so Zanek.

Jetzt warten die Winnender ganz gespannt auf die sechs Neubürger. Am Samstagmittag steht eine Stadtführung auf dem Programm, am Samstagabend werden die Spanier offiziell von Oberbürgermeister Hartmut Holzwarth empfangen. Am Montag geht’s zunächst zum Einwohnermeldeamt und dann in die Ausbildungsbetriebe.

Das Azubi-Projekt

Mobi-Pro EU
Fachkräftemangel in Deutschland und hohe Jugendarbeitslosigkeit speziell in Südeuropa: Um diese beiden Probleme anzugehen, hat der Bund das Programm „Förderung der beruflichen Mobilität von ausbildungsinteressierten Jugendlichen in Europa“ (Mobi-Pro EU) entwickelt. Zur Zielgruppe gehören junge Menschen zwischen 18 und 35 Jahren.

Vor Ort
Das Winnnender Projekt hat der Bürgermeister der Partnerstadt ins Rollen gebracht. Er schilderte das Problem, die Winnender Wirtschaftsbeauftragte Franka Zanek entwickelte ein Konzept. Als wenig später das Projekt Mobi-Pro EU startete, wurde darüber die Finanzierung gesichert.