Vor zweieinhalb Jahren sind die jungen Spanier nach Schwaben gekommen. Die Lehrlinge haben sich gut eingelebt in Winnenden. Über einige deutsche Gebräuchen indes müssen sie schmunzeln.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Winnenden - Ein ungemütlicher Abend in der Adventszeit. Kalter Wind bläst durch die Gassen. Sara Fernández Garcia trägt einen dicken Schal um den Hals und eine warme Jacke. Schnellen Schrittes läuft sie durch die Marktstraße in Winnenden und sagt: „Das Wetter macht mich fertig.“ Sie schüttelt den Kopf – und lächelt. In ihrer Heimat ist es halt meistens viel wärmer. Besonders im Winter denkt Sara oft an Santo Domingo de la Calzada, die Winnender Partnerstadt in Spanien. An ihre Familie, an ihre Freunde – und an die Sonne.

 

Sara hat sich an diesem Abend mit Ruben Barrio Arrea verabredet. Die beiden sind vor zweieinhalb Jahren nach Winnenden gezogen. Um der grassierenden Arbeitslosigkeit in ihrem Heimatland zu entkommen. Auf der Suche nach einer Zukunftsperspektive. In Spanien haben rund die Hälfte aller jungen Leute keinen Job. Und wer eine Stelle findet, der kann vom Verdienst kaum leben. In Baden-Württemberg hingegen herrscht Fachkräftemangel, manche Firmen und Behörden haben Probleme alle Ausbildungsplätze zu besetzten.

Das könnte doch ganz gut zusammenpassen, haben sich ein paar schlaue Leute bei der Winnender Stadtverwaltung und beim Bund der Selbstständigen gedacht – und sechs arbeitslose junge Männer und Frauen aus der Partnerkommune eingeladen. Als Sara, Ruben und vier weitere Spanier damals ankamen, konnten sie kaum ein Wort Deutsch. Mittlerweile sind nur noch drei Spanier aus der ersten Gruppe in Winnenden, doch Jahr für Jahr kommen neue. Manche Spanier haben zu sehr Heimweh und sind ganz schnell wieder weg. „Zurzeit sind wir ungefähr zwölf“, erzählt Sara, als sie in einem Café in der Fußgängerzone Platz genommen und einen heißen Tee bestellt hat.

Langer Bart hilft gegen deutsche Kälte

Sara hat zunächst als Pflegehelferin gearbeitet, mittlerweile lernt sie Krankenschwerster, ist im zweiten Ausbildungsjahr. Halbzeit. Ruben sitzt neben Sara. Er ist ein cooler Typ, trägt die Haare zu einen Zopf gebunden und hat sich – wie zum vergangenen Winter – wieder einen langen Bart wachsen lassen, der sein Gesicht im kalten deutschen Winter wärmt. Ruben bestellt sich ein Weizenbier. Er lernt Fachangestellter für Bäderbetriebe im Wunnebad. Ruben ist schon im letzten Lehrjahr. Er hat sich zunächst schwer getan in der Berufsschule, neulich indes eine Zwei geschrieben. „In Grammatik!“, ruft er und staunt immer noch über diese gute Note. Viele deutsche Schüler seien schlechter gewesen. „Unglaublich.“

Sara und Ruben haben Freunde gefunden, Deutschland kennen und schätzen gelernt, speziell den Arbeitsmarkt. Nach der Ausbildung wollen beide zunächst bleiben. Sara könnte sich vorstellen, später wieder in Spanien zu arbeiten. Ruben sagt, Santo Domingo sei schön für Urlaube. Er wolle aber lieber durch die Welt ziehen und arbeiten, zum Beispiel in den USA. „Oder lieber in Südamerika“, wo er nicht schon wieder eine Fremdsprache lernen müsste, weil vielerorts Spanisch gesprochen wird. In Spanien, sagen beide, seien die politischen Verhältnisse eine mittlere Katastrophe. Es sei doch ein Armutszeugnis, dass die Regierungsbildung so lange gedauert habe, und dass nun wieder ein Mann Ministerpräsident sei, der bewiesen haben, dass er es nicht könne.

Besuch von der Polizei

Sara und Ruben haben sich offenkundig gut eingelebt in Winnenden. Doch über einige Sitten und Gebräuche in Deutschland müssen die beiden nach wie schmunzeln. „Warum steht in jedem Jahr in jedem Haus ein echter Weihnachtsbaum?“, fragt Ruben. Was für ein Frevel. In Spanien seien faltbare Christbäume aus Plastik populär.

Und Sara erzählt, dass sie neulich Ärger mit der Polizei gehabt habe. Nach einem kleinen Auffahrunfall habe sie ihre Adresse am geparkten und beschädigten Auto hinterlassen. Wenig später standen dann Beamte vor ihrer Türe und erklärten, dass sie bei einem Unfall immer die Polizei rufen müsse. Wie das denn in Spanien geregelt sei, wollten die Uniformierten wissen. Und Sara erzählte, dass bei ihr daheim fast alle einfach weiter fahren würden, „nur die netten Leute hinterlassen ihre Adresse.“

Das Winnender Azubi-Projekt

Programm
Sara und Ruben sind im Mai 2014 mit der ersten Kleingruppe aus der Partnerstadt Santo Domingo de la Calzada nach Winnenden gekommen. Sie haben zunächst einen Intensivsprachkurs besucht, dann ein Berufspraktikum absolviert und weiter nebenher Deutsch gelernt. Später hat die Ausbildung begonnen. Wir begleiten den Aufenthalt von Sara und Ruben mit einer Artikelserie.

Zukunft
In diesem Sommer ist bereits die dritte Gruppe aus der spanischen Partnerstadt in Winnenden angekommen. Das große Ziel aller spanischen Azubis ist ein Berufsabschluss.