Die baden-württembergische Sparda-Bank nimmt künftig auch Kunden aus dem ganzen Bundesgebiet auf. Das ist nicht die einzige Änderung ihres Geschäftsmodells.

Stuttgart - Die Sparda-Bank Baden-Württemberg reagiert auf die fortschreitende Digitalisierung und stellt die Weichen neu. Die bundesweit zweitgrößte Genossenschaftsbank, die sich bisher ausschließlich auf Privatkunden innerhalb Baden-Württembergs konzentriert hat, weitet ihr Geschäftsgebiet aus und betreut künftig auch Mitglieder und Kunden in ganz Deutschland. Außerdem will die Bank ins Geschäft mit Selbstständigen einsteigen. Mit den Veränderungen will die genossenschaftliche Bank ihr Geschäftsmodell zukunftssicher machen.

 

„Wir haben die Landesgrenze Baden-Württemberg für digitale Medien und digitale Dienstleistungen aufgehoben“, sagt Sparda-Bank-Chef Martin Hettich im Gespräch mit unserer Zeitung. „Immer mehr Menschen informieren sich digital und finden interessante Produkte bei uns“, erklärt Hettich. Diese potenziellen Kunden wolle die Bank nicht länger abweisen, nur weil sie nicht in Baden-Württemberg wohnen.

Die Sparda-Bank Baden-Württemberg durchbricht mit diesem Schritt das Regionalprinzip, das im Genossenschaftssektor einen hohen Stellenwert hat. Nach diesem Prinzip ist die Geschäftstätigkeit auf die wirtschaftliche Förderung der Mitglieder in einer bestimmten Region ausgerichtet. Zielsetzung sei nicht, andere Bundesländer zu erobern, betont der Bankchef. Filialen werde es weiterhin nur in Baden-Württemberg geben. Aber die veränderten Gewohnheiten der Kunden und die neuen Möglichkeiten „erfordern geradezu eine Öffnung“, sagt der 54-Jährige. Aus Sicht der Kunden sei die Begrenzung des Geschäftsgebiets nicht mehr attraktiv. Sie arbeiten heute in Stuttgart, morgen in Berlin, später vielleicht im Ausland, zählt Hettich auf. Die Herausforderung der Bank sei, Leistungen zu entwickeln, damit der Kunde „egal von wo auf dieser Welt Netbanking betreiben kann“.

Im Verbund ist die Sparda-Bank Baden-Württemberg Vorreiter

Die technischen Voraussetzungen biete die Bank bereits. Verträge könnten elektronisch versandt und digital unterschrieben werden. Hettich betont: „Die Grenze im Kopf war, dass wir als Institut bisher diese Angebote nur für Baden-Württemberg machen. Jetzt haben wir diese Grenze aufgelöst.“

Im Verbund der zwölf Sparda-Banken in Deutschland ist das baden-württembergische Haus Vorreiter bei der Ausweitung des Geschäftsgebiets. Andere Institute werden folgen, gibt sich Hettich überzeugt: „Man muss an der ein oder anderen Stelle von Festlegungen abrücken, die aus einer anderen Zeit stammen.“

So eine andere Festlegung ist auch die Beschränkung auf Privatkunden. Auch an dieser Stelle ändert die Bank nun ihr Geschäftsmodell: Künftig werden auch Selbstständige, Gewerbetreibende und Freiberufler als Kunden angenommen. Immer mehr Menschen, so die Begründung Hettichs, wechseln aus einer abhängigen Beschäftigung in die Selbstständigkeit. Bisher waren diese Kunden laut Satzung „außerhalb unserer Möglichkeiten“. So habe man beispielsweise Immobilienfinanzierungen ablehnen müssen, wenn das Gebäude sowohl wohnwirtschaftlich als auch gewerblich genutzt wurde. Durch die Änderung werde die Bank in ihrem Kerngeschäft, der Immobilienfinanzierung, flexibler als bisher. Wie andere Banken auch ächzt die Sparda-Bank unter den regulatorischen Kosten. Darunter fallen Personal- und IT-Kosten durch neue Regelungen im Meldewesen, aber auch neue Eigenkapitalanforderungen und Zahlungen in europäische Garantiefonds. Wie sehr die Belastung steigt, zeigt folgende Entwicklung: Von 2008 bis 2015 schlug die Regulatorik bei der Sparda-Bank mit 4,5 Millionen Euro zu Buche. 2016 lag die laufende Belastung bereits bei neun Millionen Euro. Im Vergleich: Die gesamten Verwaltungsaufwendungen der Bank lagen bei 116 Millionen Euro. Es wäre an der Zeit, „Bilanz zu ziehen, was sich bewährt hat und was nicht“, fordert Hettich.

Die Sparda-Bank hält am gebührenfreien Girokonto fest

Die wachsenden Anforderungen durch die Aufsicht bremsen die Bank an anderer Stelle. „Wir hätten die Digitalisierung schneller vorangebracht, wenn wir in den vergangenen sieben Jahren nicht so mit der Regulatorik beschäftigt gewesen wären, sagt Hettich und bemängelt die Schieflage: Derzeit habe die Bank 48 regulatorische Projekte am Laufen, um die Anforderungen umzusetzen, und 25 Innovationsprojekte. In diesem Verhältnis würden auch die Innovationskosten stehen. Die Sparda-Bank ist eine Direktbank. „Wir sind 365 Tage im Jahr rund um die Uhr erreichbar – telefonisch und durch das Netbanking“, sagt Hettich. In 39 Filialen bietet die Bank zudem persönliche Beratung und Hilfestellung vor Ort an.

Auch wenn derzeit viele Banken an der Gebührenschraube drehen, um ihre Einnahmensituation zu verbessern, will die Sparda-Bank an ihrem gebührenfreien Girokonto festhalten. „Das zählt für uns auch zur Mitgliederförderung“, sagt Hettich. Auch an der Werbeprämie von 75 Euro für Neukunden will die Bank nicht rütteln: „Dadurch fühlen sich Interessenten aufgefordert, sich näher mit unseren Angeboten zu beschäftigen.“

Das Girokonto sei die Stelle, an der Banken am häufigsten Kontakt zum Kunden haben und beweisen können, wie gut sie sind. Es ist „das Herzstücks des Bankings“ und müsse ebenso wie das eigene Herz gepflegt werden, sagt Hettich. „Da wollen wir auf jeden Fall verhindern, dass andere Wettbewerber einfallen“, betont Hettich – mit Blick auf Fintechs, die jungen Finanztechnologiefirmen.