Der Aufschrei nach den Vorschlägen von Finanzminister Nils Schmid (SPD) zeigt: Kürzen geht nur, wenn es alle trifft. Dann fühlt sich keiner benachteiligt – auch nicht der ländliche Raum.

Stuttgart - In der Landespolitik und deren Umfeld gibt es jede Menge Menschen, die mit staatstragender Miene und in eleganter Diktion von der Dringlichkeit einer seriösen Haushaltspolitik reden. Danach knallen sie ihre Forderungen auf den Tisch. Gern auch laut. Es gibt ja so viel zu tun, manches im Land liegt immer noch im Argen, anderes lässt sich leicht verbessern – mit ein paar Euro nur, die, an der richtigen Stelle platziert, präventiv künftige Mehrausgaben verhindern.

 

Auf diese Weise hat das Land inzwischen mehr als 43 Milliarden Euro Schulden angehäuft. Es liegt abgeschlagen hinter Bayern. Im Jahr 2010 zahlte der Freistaat fast 800 Millionen Euro weniger Zinsen als das Land Baden-Württemberg, weil in der Vergangenheit weniger Kredite angehäuft worden waren. Ausweislich der jeweiligen Rechnungshofsberichte fielen in Bayern etwas mehr als eine Milliarde Euro Zinskosten an (inklusive der Belastung durch die Eigenkapitalzufuhr an die Bayern LB), im Südwesten waren es gut 1,8 Milliarden Euro – dies bei einem historisch niedrigen Zinsniveau.

Schulden über Schulden

Wenn überhaupt ein Bundesland das vom Jahr 2020 die ins Grundgesetz geschriebene Schuldenbremse einhalten kann, dann ist es Bayern. Für Baden-Württemberg ist die Aufgabe schon kniffliger. Zwar brüstet sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann gern damit, am Schuldenverbot mitgewirkt zu haben. Doch bis jetzt zeichnet sich noch in keiner Weise ab, wie seine grün-rote Landesregierung das von ihr selbst auf 2,8 Milliarden Euro bezifferte strukturelle Haushaltsdefizit in den Griff zu bekommen gedenkt. Kein Wunder, dass Finanzminister Nils Schmid nach Geldquellen (höherer Spitzensteuersatz) und nach Einsparmöglichkeiten (Landwirtschaft) fahndet.

Speziell bei der Agrarförderung war der Aufschrei gewaltig – als hätte der SPD-Mann der blinden Verwüstung weiter Landesflächen das Wort geredet. Mit der Landwirtschaft, so wurde geätzt, hätten die Sozialdemokraten noch nie viel am Hut gehabt. Und einem grün geführten Ressort streiche die SPD eben mit leichterer Hand das Geld zusammen als einem SPD-Ministerium. Was ja alles nicht ganz falsch sein mag. Nur sind das zum Teil dieselben Leute, die davon reden, dass die Politik Prioritäten setzen müsse. Nicht das hirnlos-gleichmäßige Kürzen quer durch den Etat sei das Gebot, sondern die Konzentration auf das Wesentliche.

Sparen oder schweigen

Bei diesen Gelegenheiten ist dann stets von der Bildung als vorrangigem Gut die Rede. Und von der wissensbasierten Gesellschaft. Und von den Köpfen, welche der einzige Rohstoff seien in einem ansonsten ressourcenarmen Land. Nichts anderes hatte Schmid gesagt. Kürzlich verkündete Ministerpräsident Kretschmann etwas unvermittelt seinen Vorsatz, bis zum Jahr 2020 insgesamt 11 600 Lehrerstellen zu streichen. Niemand kam auf die Idee, dies sei gegen die SPD gerichtet, wo doch das Kultusressort in der Hand der Genossen ist. Das Vorhaben ist auch im Grundsatz richtig, weil die Schüler weniger werden. Nur: 8000 der 11 600 Lehrerstellen sind in der Finanzplanung bereits eingepreist, was bedeutet, dass sich das strukturelle Defizit nicht verringert.

Wenn die Debatte über Prioritäten und Posterioritäten nicht erwünscht ist, hilft nur die als wenig intelligent geschmähte Methode Rasenmäher: Alle Besitzstände werden gleichmäßig rasiert, niemand muss sich benachteiligt fühlen. Holt Schmid 100 Millionen Euro zusätzlich aus dem kommunalen Finanzausgleich, trifft dies ebenfalls den ländlichen Raum, die Aufregung ist aber nicht halb so groß, weil die Sache abstrakt klingt – anders als das Wort vom Schwarzwaldtal, das zuwächst. Oder man verzichtet ganz aufs Sparen und fährt den Etat gegen die Wand. Dann sollte aber keiner mehr von der Schuldenbremse reden. Es war der Finanzminister Gerhard Mayer-Vorfelder (CDU), der einst resigniert sagte, irgendwann werde es einen Währungsschnitt geben.