Der Cannstatter Büttel Wolfgang Pfeffer ist an der Düsseldorfer Straße im Hallschlag geboren und aufgewachsen. Bei einem Rundgang durch den Stadtteil erinnert sich der 69-Jährige und vergleicht zwischen damals und heute.

Bad Cannstatt - Wohnblocks, Armut und Kriminalität, das verbinden noch immer viele mit dem Hallschlag. Für den Cannstatter Büttel Wolfgang Pfeffer hat der Stadtteil dagegen eine andere Bedeutung. Der Hallschlag ist seine Heimat.

 

Es gibt nur wenige Viertel in der Stadt, die sich so sehr gewandelt haben. Auch dank des Förderprogramms Soziale Stadt ist im Hallschlag viel passiert, der Nastplatz und der Travertinpark sind nur die jüngsten Ergebnisse dieses Prozesses. Doch auch wenn die Zeit der Straßengangs vorbei ist und der Hattinger Platz seinen Schrecken verloren hat, der Hallschlag wird seinen schlechten Ruf nur zögerlich los.

Pfeffer schämt sich seiner Herkunft dennoch nicht. Im Gegenteil, in seiner Stimme klingt Stolz mit, wenn er von seiner Kindheit spricht. „Wir mussten uns durchbeißen“, sagt er. Als das fünfte von sieben Kindern hatte er es nicht immer leicht. Für die höhere Schule hatten die Eltern kein Geld, trotzdem hat er es zum Objektmanager bei Siemens gebracht. Der Büttel ist nicht der einzige Hallschläger, der eine Erfolgsbiografie vorzuweisen hat. Der Stadtteil hat sogar Promis hervorgebracht, man denke nur an Fredi Bobic. Wolfgang Pfeffer ist am 27. April 1945 geboren. Bis zu seinem 19. Lebensjahr hat er im Hallschlag gewohnt. Bei einem Rundgang erinnert sich der 69-Jährige und vergleicht zwischen damals und heute: Das Haus an der Düsseldorfer Straße steht noch, es ist die Nummer 57. „Dort bin ich zur Welt gekommen“, sagt Pfeffer und zeigt auf ein mit Fliegengitter verhangenes Fenster im ersten Stock. „Mein Vater war Schlosser“, sagt er. Die Mutter erledigte Heimarbeiten und arbeitete in der Süßwarenfabrik Friedel.

Sie spielten Fußball, Schlagball und Treiberles

Mit sieben Kindern war die Familie im Viertel keine Ausnahme. Fast 90 Kinder hätten in seinem Haus gewohnt, erzählt Pfeffer. Sie spielten Fußball, Schlagball und Treiberles, im Winter fuhren sie auf dem Kasernenbiggele, dem heutigen Helga-Feddersen-Weg, Schlitten. Im Römerkastell waren die Amerikaner stationiert. Die Kinder schlichen sich am Wachposten vorbei, um bei den Soldaten Süßigkeiten abzustauben. „Erdnussbutter, das war für uns das Beste“, sagt der Büttel. Die Zuckerfabrik hatte ebenfalls ihren Reiz. „Als junge Kerle haben wir geguckt, dass wir die Zuckerrüben kriegen“, sagt Pfeffer. Sie klauten sie den Bauern von den Anhängern. Auch wenn es zwischen den Bewohnern der einzelnen Häuser und Straßen Rivalitäten gab, „wir vom Hallschlag haben zusammengehalten“, sagt er. Pfeffer erinnert sich, wie er im Alter von 15 von einem 24-Jährigen beim Rauchen erwischt wurde. „Er hat mir eine Ohrfeige verpasst“, sagt er.

Während der 69-Jährige in Erinnerungen schwelgt, taucht auf dem Balkon über ihm eine Frau mit Kopftuch auf. Die beiden kommen ins Gespräch, seit elf Jahren wohnt sie mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in der Wohnung und freut sich den Sohn ihrer Vormieterin kennenzulernen. Pfeffers Mutter hat bis zu ihrem Tod in dem Haus an der Düsseldorfer Straße gelebt.

1941 sei seine Familie in die Vier-Zimmer-Wohnung eingezogen. Damals war das Haus neu. Heute gehört es zumindest äußerlich zu den älteren Gebäuden im Quartier, liegt es doch mitten im Sanierungsgebiet der Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft (SWSG). Pfeffer ist von den renovierten Altbauten fasziniert. Mit dem Ausruf „Menschenskinder“ bleibt er vor dem Haus Hallschlag 48 stehen. Ein Schulfreund hat dort gewohnt und der Büttel staunt, was aus dem „roten Bau“ geworden ist. Doch es sind nicht nur die Häuserfassaden, die sich verändert haben. Der Büttel erinnert sich, dass es an der Straße Am Römerkastell ein Kino gab. Jetzt entsteht dort das neue Mehrgenerationenhaus. Ein paar Häuser weiter war ein Konsum. Was Pfeffer heute wie damals am Hallschlag gut gefällt, ist das Grün zwischen den Häusern. Nur wer sich tief in den Stadtteil hineinwagt, bekommt die vielen Rasenflächen zu sehen.

Wer konnte, versuchte sich abzugrenzen

Es geht weiter zu den Wohnblocks an der Dessauer Straße. Hier hat die Negativentwicklung des Stadtteils laut Pfeffer ihren Anfang genommen. Aus der Not heraus habe man dort nach dem Krieg schnell viel Wohnraum schaffen wollen. Die Häuser waren überbelegt, in einer Zwei-Zimmer-Wohnung hätten manchmal bis zu sieben oder acht Personen gewohnt, erzählt der 69-Jährige. Er erinnert sich, dass sich schon in seiner Kindheit viele Hallschläger für ihren Wohnort geschämt haben. Wer konnte, versuchte sich abzugrenzen, betonte, dass er nicht vom Hallschlag, sondern zum Beispiel vom Sparrhärmlingweg komme. „Viele haben in der Straßenbahn Altenburg statt Hallschlag gelöst“, erzählt der Büttel. Was hier aber auch deutlich wird, die Linie U12 ist nicht die erste Stadtbahn, die auf den Hallschlag fährt. Schon vor über 80 Jahren gab es eine Schienenverbindung. „Der 12er und der 22er sind zum Hallschlag gefahren“, sagt Pfeffer; und zwar die Altenburger Steige hinauf.

Doch auch wenn der Stadtteil durch die Straßenbahn mit der Altstadt verbunden war, einen wirklichen Austausch gab es nicht. „Zu den Marktsträßlern hatten wir keinen Kontakt“, sagt er. Erst auf der Altenburgschule habe er die Kinder dieser Familien kennengelernt. Als Bewohner der Sauerwasserstadt fühlte sich Pfeffer aber schon damals. Wenn er als Kind beim Fußball Durst bekommen habe, sei er hinunter zum Kurpark gelaufen. Wie es sich für einen Cannstatter gehört, könne er bis heute nicht am Lautenschlägerbrunnen vorbeigehen, ohne einen Schluck zu trinken.

Der Hallschlag ist besser als sein Ruf

Kriminalität
: Polizeihauptkommissar Uwe Meierhofer leitet den Polizeiposten Hallschlag an der Rostocker Straße. Seit dem Jahr 2004 arbeitet er im Stadtteil und betont: „Der Hallschlag ist besser als sein Ruf“. Die Straßenkriminalität sei im Hallschlag nicht höher als in anderen Stuttgarter Stadtteilen.

Entwicklung:
Der Hallschlag hat laut Meierhofer eine positive Entwicklung genommen. „Das sei der Verdienst von vielen, die sich im Stadtteil amtlich oder ehrenamtlich engagieren.“ Das Förderprogramm Soziale Stadt habe dazu beigetragen, dass sich die einzelnen Einrichtungen vor Ort untereinander vernetzt haben.

Standortvorteil:
Insgesamt findet Meierhofer, dass es im Hallschlag „lebenswert“ ist. Die bauliche Verdichtung sei deutlich geringer als in anderen Stadtteilen, es gebe viele Kinderspielplätze, die Anbindung in die Innenstadt sei dank der neuen Stadtbahnlinie U12 gut und gleichzeitig sei man schnell im Grünen.