Klaus Wowereits politischer Weggefährte Michael Müller kandidiert nun auch als sein Nachfolger – mit guten Chancen. Doch das innerparteiliche Verfahren wird dadurch nicht gerade einfacher.

Berlin - Jetzt wird das Rennen um die Nachfolge von Klaus Wowereit richtig spannend: Am Freitag erklärte Wowereits langjähriger politischer Weggefährte, der Stadtentwicklungssenator und ehemalige Parteichef, Michael Müller, seine Kandidatur. Er wolle Regierender Bürgermeister von Berlin werden, sagte Müller selbstbewusst lächelnd in die Kameras. Er habe sich einige Tage Zeit gelassen um nachzudenken, schließlich sei der Abschied Wowereits eine Zäsur und vor einer Kandidatur sei einiges zu bedenken. Das klang nach einem Mann, der über die Jahre gelassen geworden ist und die Aufgeregtheiten in der Politik im Unterschied zu jungen Heißspornen einzuordnen gelernt hat – und das sollte es wohl auch: „Ich habe möglicherweise doch Erfahrungen gesammelt, die wichtig sind in den nächsten Jahren“, sagte Müller in aller Bescheidenheit – und hob damit zugleich den Punkt hervor, der ihn von seinen beiden Mitbewerbern unterscheidet. Parteichef Jan Stöß ist gerade seit zwei Jahren im Amt. Fraktionschef Raed Saleh ist ebenfalls seit zwei Jahren in seiner Position und als solcher der zweitmächtigste Mann in der rot-schwarzen Koalition.

 

Michael Müller dagegen sitzt seit 18 Jahren im Parlament und hat 13 Jahre Regierungserfahrung in drei verschiedenen politischen Konstellationen und in verschiedenen Führungspositionen – er war Fraktionschef neben Wowereit, acht Jahre lang Parteichef und zwei Jahre Senator. Er hat die rot-rote sowie die rot-schwarze Koalition mitverhandelt, und er kennt auch die Berliner SPD in- und auswendig. Der 49-jährige gelernte Buchdrucker ist mit 17 in die SPD eingetreten und war im selben Bezirk wie Wowereit aktiv. Er hielt ihm als Fraktionschef stets den Rücken frei.

Erster Machtkampf hat Wunden geschlagen

Die lange Zeit Müllers an der Macht allerdings ist auch eine Sache, derer die Genossen vor zwei Jahren überdrüssig waren, als sie ihren Parteichef sehr schnöde ins Aus schickten. Lange galt er als natürlicher Kronprinz für die Nachfolge Klaus Wowereits. Doch in dem Maße, in dem dieser politisch angeschlagen war, wuchs auch die Kritik an Müller – mal wurde ihm ein autistischer Führungsstil, mal Führungsschwächer vorgeworfen, die traditionell eher linke Berliner SPD sah ihn zu sehr an der Mitte orientiert. An diesen Kritikpunkten hat sich für manche jungen Abgeordneten seither nichts verändert. 2012 verlor er sein Amt – nach einem Machtkampf, in dem keiner einen Fairplay-Pokal verdient hatte – an Jan Stöß.

Eine Freundschaft wird zwischen diesen beiden nicht mehr wachsen, und auch die politische Zusammenarbeit in den beiden vergangenen Jahren war von Reibungen begleitet, nicht nur wegen der Niederlage, die Müller hart traf, sondern auch, weil Stöß ungewöhnlich häufig und öffentlich die Wohnungsbaupolitik des Senators kritisierte. Doch nun betonte Müller, er habe keine alten Rechnungen zu begleichen. „Es geht um keine alten Fragen, die da noch mal zu klären sind.“ Seine beiden Kontrahenten seien profilierte Köpfe, die hervorragende Arbeit machten. Er glaube, „dass wir so miteinander umgehen, dass keiner Schaden nimmt.“ Auch Saleh und Stöß beeilten sich in ihren Reaktionen zu versichern, sie freuten sich auf einen fairen Wettstreit. Vielleicht hat ja auch eine Umfrage die Entscheidung von Michael Müller befördert – danach lag zwar Stöß vor Saleh, aber immerhin 44 Prozent der Befragten fanden keinen der beiden überzeugend.

Vielleicht zwei Mitgliederentscheide nötig

Wie der Machkampf nun ausgehen wird, ist offen – niemand kann die Basis einschätzen, und auch wenn sich die Vorstände mächtiger Kreisverbände hinter einen Kandidaten stellen, so können sie in einer Urwahl nicht für ihre Mitglieder sprechen. Zudem wird das Wahlverfahren nun kompliziert, und es ist noch nicht entschieden, wie genau abgestimmt wird. Zwei Voraussetzungen müssen aus Sicht des Vorstands erfüllt sein: Ein Kandidat muss eine deutliche Mehrheit haben – dies bedeutet bei drei Bewerbern, dass vermutlich ein zweiter Wahlgang nötig wird. Nach einem offenen Brief von mehr als 30 führenden Genossen gilt es als sicher, dass der zweite Wahlgang nicht auf die Delegierten eines Parteitages verlagert, sondern auch von der Basis absolviert wird. Das Mitgliedervotum soll vor einem Parteitag am 8. November abgeschlossen sein. Zuvor sollen die Parteimitglieder Zeit bekommen, die Kandidaten besser kennenzulernen. Angedacht sind dafür Mitgliederforen.