Nicolas Schäfstoß, Direktkandidat der Stuttgarter SPD im Wahlkreis II, will die Wähler davon überzeugen, dass die Sozialdemokraten die richtigen Köpfe und Konzepte für die Regierungsübernahme in Berlin haben.

Stuttgart - Der Rewe-Markt am Ostendplatz hat Red Bull und Tomaten im Sonderangebot. Vor dem Eingang gibt es noch mehr Rotes. Dort steht Nicolas Schäfstoß, Direktkandidat der Stuttgarter SPD im Wahlkreis II, um die Einkäufer und Passanten im Stuttgarter Osten davon zu überzeugen, dass die Genossen die richtigen Köpfe und Konzepte für die Regierungsübernahme in Berlin haben. Im Hintergrund glänzen in einer Auslage pralle Melonenhälften mit grüner Schale und saftig rotem Fruchtfleisch verheißungsvoll in der Sonne.

 

Schäfstoß – mit Jeans, Sommerjackett, weißem Hemd und Sneakers – wartet nicht brav am SPD-Stand unter dem obligatorischen roten Sonnenschirm. „Ich gehe lieber direkt auf die Leute zu“, sagt der 31-Jährige, der als Referent beim Statistischen Landesamt arbeitet. „Guten Tag, ich kandidiere bei der Bundestagswahl für die SPD“, erklärt er einer Rentnerin. Die ärgert sich über befristete Arbeitsverträge für junge Leute. „Die können keine Familie mehr gründen, weil sie nicht wissen, wie es morgen weitergeht“, schimpft die Seniorin. „Das wollen wir ändern“, versichert ihr der SPD-Direktkandidat. Er stehe für einen Mindestlohn von 8,50 Euro und dem Verbot von grundlos befristeten Arbeitsverträgen.

Glückskekse für die Wähler

„Es fehlt am Wir in der Gesellschaft“, sagt Schäfstoß. Er plädiert für mehr Gerechtigkeit, für ein soziales Miteinander. „Ich möchte die Rente mit 67 aussetzen, für bezahlbare Wohnungen, eine Mietpreisbremse und genügend Kitaplätze sowie eine Solidarrente kämpfen“, erklärt er einer Wählerin. „Schauen Sie sich mein Programm zu Hause in Ruhe an“, empfiehlt er und greift in seine rote Umhängetasche. Ein Kugelschreiber, ein Glückskeks und ein Faltblatt mit den zentralen Wahlversprechen wechseln die Seite.

Doch solche Wahlkampf-Gimmicks ziehen nicht immer. „Für mich ist die SPD wegen Stuttgart 21 unglaubwürdig“, kritisiert Friedrich Roller. Er sieht die Genossen „auf der Seite reicher Investoren, die sich auf dem Rücken der kleinen Leute bereichern“. Schäfstoß weist darauf hin, dass die SPD nach dem Wahlsieg bei der Bundestagswahl besser Verdienende steuerlich stärker zur Kasse bitten wolle. Bei der Wahl am 22. September gehe es um das Direktmandat, um die Entscheidung zwischen Rot oder Schwarz. „Ich werde wählen, aber ich weiß noch nicht, welches Rot“, lautet die Antwort.

Der Wahlkampf im Stuttgarter Osten, einst eine Hochburg für die Sozialdemokratie, ist für den jungen Wahlkämpfer kein Heimspiel. Der Gegenwind ist spürbar. „In den Innenstadtbezirken ist Stuttgart 21 ein großes Thema“, sagt Schäfstoß. Am Stadtrand sei der Streit über den richtigen Bahnhof hingegen nur ein Aspekt am Rande. Der 31-Jährige ist seit Wochen im Wahlkreis II unterwegs. Zwischen 17 und 19 Uhr macht er fast täglich Hausbesuche. Morgens steht er bereits um 6.30 Uhr an Stadtbahn-Haltestellen, um die Wähler direkt zu erreichen. Schäfstoß setzt auf Bürgernähe, auf so viel persönliche Präsenz wie möglich, „um das Direktmandat im Wahlkreis zu holen“. Auf der Landesliste rangiert er weit hinten.

„Ich weiß noch nicht, was und wen ich wähle“, bekennt Irmgard Trautmann. Ihr Vater habe früher immer SPD gewählt. Aber heutzutage sei alles eben etwas komplizierter, findet die noch unentschiedene Einkäuferin. Der SPD-Mann versucht mit einer ordentlichen Portion Schwiegersohn-Charme zu punkten. „Geben Sie doch einem jungen Kandidaten eine Chance.“

Mehr in Schulen und Kitas investieren

Bessere Chancen müsse es unbedingt für Erzieherinnen geben, findet die Sozialpädagogin Monika Herschel, die mit zwei Kolleginnen in dem privaten Kindergarten Apfelbäumchen im Osten zehn Kinder im Alter bis zu drei Jahren betreut. Es fehle an einer gerechten Bezahlung, an preiswertem Wohnraum und an Aufstiegsmöglichkeiten für Erzieherinnen. „Um den Stellenmangel zu beheben, sollten auch Kinderpflegerinnen eingestellt werden, von denen viele arbeitslos sind“, findet Herschel. Die SPD trete für die bessere Betreuung von Kleinkindern und mehr Geld für Erzieherinnen ein, entgegnet Schäfstoß. „Wir werden das Betreuungsgeld abschaffen und mehr in Schulen und Kitas investieren.“

Nach einer Stunde Wahlkampf hat Schäfstoß ein direktes Erfolgserlebnis. „Ich wähle Sie“, erklärt ihm Ingrid Kurbjuhn. „Bitte motivieren Sie auch noch viele Freunde und Bekannte, auch zur Wahl zu gehen“, antwortet der Auserwählte.