Peer Steinbrück hat beim Rennen um die Kanzlerkandidatur in der SPD die Nase vorn. Doch es ist noch lange nichts entschieden.  

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Nur einen Blick wirft Peer Steinbrück auf die Journalisten an der Eingangstür der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin. "Raus", kräht er dann entschlossen, "wir müssen hier raus!" Eine Gelegenheit zum Nachfragen gewährt er nicht. Stattdessen strebt er mit zielstrebigen Schritten und seinen Begleitern im Schlepptau dem nächsten Biergarten zu. Dabei hat Steinbrück gerade erst sein selbst für die Sommerpause gewähltes Schweigegelübde beendet und vor dem Managerkreis der SPD einen tiefen Blick in die Abgründe der Finanzkrise getan.

 

Es ist Steinbrücks erster Auftritt in einer kleinen Serie. Am Donnerstagabend sprach der Mann, der derzeit eigentlich nichts mehr als ein Hinterbänkler im Bundestag ist, aber als wahrscheinlichster SPD-Kanzlerkandidat für die nächste Bundestagswahl wahrgenommen wird, in der baden-württembergischen Landesvertretung und im Berliner Wahlkampf. Trotzdem ist das nur ein Vorspiel, bevor dann im Oktober Steinbrücks mit Altkanzler Helmut Schmidt gemeinsam verfasstes Buch auf den Markt kommt, und eine mindestens einige Wochen dauernde Medienoffensive mit Zeitungsinterviews und Talkshowauftritten des 64-jährigen Ex-Finanzministers allein oder im Doppel mit Schmidt ihren Lauf nehmen wird.

Ex-Minister als Idealbesetzung

Wenn die SPD im Blick auf die Bundestagswahl schon zwei Jahre nach der desaströs ausgefallenen Abwahl Morgenröte wittern kann, dann hat sie das weniger ihren Erfolgen bei den jüngsten Landtagswahlen als der Schwäche der schwarz-gelben Koalition, der Stärke der Grünen und der Tatsache zu verdanken, dass Steinbrück die Fantasien in Bezug auf das Kanzleramt zu entzünden vermag. Vor dem Hintergrund der Euro- und Finanzkrise kann der Ex-Minister sich als Idealbesetzung für den Topjob der Regierung in Szene setzen.

Dass das zurzeit so ist, sehen auch die anderen Anwärter auf die Kandidatur, Parteichef Sigmar Gabriel und Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier, so. Trotzdem ist Steinbrücks Ernennung zum Kanzlerkandidaten kein Selbstläufer. Deshalb ist der Wechsel zwischen seinen öffentlichen Auftritten und Sendepausen sorgfältig kalkuliert. Deshalb ist es auch kein Zufall, dass ihm für seine Vorträge zwar kein Publikum zu groß ist, dass er direkten Fragen von Journalisten aber lieber aus dem Weg geht. Nachdem Steinbrück sich ins Rennen um die SPD-Kanzlerkandidatur gespielt hat, über die frühestens Ende 2012 oder sogar erst Anfang 2013 entschieden wird, muss er das Interesse an sich wachhalten, ohne Überdruss zu erzeugen, ohne im Lager der linken Genossen Anstoß zu erregen und ohne die Einvernehmlichkeit des roten Spitzentrios zu gefährden.

Steinbrück gesteht neuerdings Fehler ein

Das verlangt ihm eine Gratwanderung über viele Monate hinweg ab. Wie anstrengend das noch werden kann, lassen schon die jüngsten Einlassungen von DGB-Chef Michael Sommer ahnen. Der kündigte an, dass die Gewerkschaften 2013 keine Wahlempfehlung für die SPD aussprechen werden. Dazu nannte er als Kriterien für einen SPD-Kanzlerkandidaten, dass der schon mal eine Wahl gewonnen haben und in alle Gliederungen der Partei hineinwirken können müsse. Das erfüllt keiner der drei Anwärter - Steinmeier hat die Bundestagswahl 2009, Steinbrück die Landtagswahl 2005 in Nordrhein-Westfalen und Gabriel 2003 eine Wahl in Niedersachsen verloren - gemünzt war es aber vor allem auf Steinbrück als Vertreter des Agenda-Kurses.

Vor diesem Hintergrund fällt schon auf, dass Steinbrück zwar nicht müde wird, den Bürgern den Ernst der Lage vor Augen zu führen. Hat er die SPD und vor allem ihre Linken in der Vergangenheit mit arroganter Herablassung traktiert, gesteht er dagegen neuerdings auch mal eigene Fehler ein. Nicht als scharfzüngiger Kritiker, sondern als konsequenter Mahner hat er jetzt das Steuerkonzept seiner Partei gutgeheißen und der SPD dringend ans Herz gelegt, ihre soziale durch wirtschaftspolitische Kompetenz zu ergänzen, "weil sie sonst nicht nach vorne läuft, sondern im Kreis".

Seit die drei Spitzengenossen bei einem gemeinsamen Auftritt vor der Bundespressekonferenz der Kanzlerin Unterstützung bei der Eurorettung in Aussicht gestellt haben, marschieren sie demonstrativ Seit an Seit Richtung Bundestagswahl. Parteichef Gabriel nimmt für sich in Anspruch, den zuvor frei schwebenden Buchautor Steinbrück bei der K-Frage eingehegt zu haben. "Kandidat wird am Ende, wer die besten Chancen hat zu gewinnen", hat Gabriel stets betont. Hinter dieser Devise stünden jetzt alle drei. Bis hin zu ausgewogenen Redeauftritten beim Parteitag im Dezember haben die drei sich abgesprochen. Wer am Ende ins Rennen geht, ist offen.