Dem Parteichef bleibt beim Konvent in Wolfsburg ein Desaster erspart. Bei dem SPD-Treffen in Wolfsburg stimmt am Montag die Mehrheit der Delegierten grundsätzlich für das Abkommen der EU mit Kanada und damit für Gabriels Linie.

Wolfsburg - Vor den Türen des Wolfsburger Congress-Parks brüllten sich rund dreihundert Demonstranten die Seele aus dem Leib. „SPD hab Mut, Ceta-Stopp tut gut“, riefen sie von Trommeln und Trillerpfeifen begleitet. Sie protestierten gegen die EU-Freihandelsabkommen mit den USA und Kanada, TTIP und Ceta. Das hat inzwischen Tradition bei SPD-Veranstaltungen, aber diesmal war der Demo-Zeitpunkt besonders gut gewählt. Denn die SPD-Delegierten, die an diesem Spalier des Protestes vorbei in das Tagungszentrum gingen, stimmten darüber ab, wie denn nun weiter mit Ceta umzugehen sei.

 

Gabriel geht ein hohes Risiko

Die Demonstranten hofften, dass die SPD nicht nur TTIP fallen lässt, sondern auch Ceta kippt. Das aber hätte SPD-Chef Sigmar Gabriel tief ins Mark getroffen, ihn womöglich den Parteivorsitz gekostet, die Kanzlerkandidatur sowieso. Aber es kam anders: Gabriel seine Partei hinter sich gebracht. Beim Parteikonvent stimmte die Mehrheit der Delegierten grundsätzlich für das Abkommen der EU mit Kanada und damit für Gabriels Linie. Bis kurz vor Beginn des Konvents wurde hinter verschlossenen Türen an einem Kompromiss gearbeitet, der es offensichtlich vielen Kritikern ermöglichte, Gabriels Kurs zu stützen, damit dieser auf dem informellen EU-Handelsministerrat in Bratislava mit seinen EU-Kollegen das parlamentarische Verfahren auf den Weg bringen kann.

Den Linken eine Brücke gebaut

Der Vorsitzende der Parlamentarischen Linken (PL) im Bundestag, einer der einflussreichsten Ceta-Skeptiker, hatte gemeinsam mit dem Vorsitzenden des EU-Handelsausschusses, Bernd Lange, eine Brücke gebaut, über die auch Gabriel am Montag gehen konnte. Ceta-Fan Lange und Freihandelskritiker Miersch kennen sich gut, beide gehören dem stramm linken Bezirk Hannover an, der das Kompromisspapier in die abschließende Parteivorstandssitzung unmittelbar vor dem Konvent einbrachte. Knackpunkt war die Frage, welche Teile des Abkommens nach der Abstimmung des Europäischen Parlaments, noch vor dem Votum der nationalen Parlamente, bereits vorläufig in Kraft treten können. Der Kompromiss sah vor, dass vor der Abstimmung des EU-Parlaments im Frühjahr 2017 eine Art Konsultationsprozess gestartet werden soll, bei dem mit den nationalen Parlamenten und der Zivilgesellschaft die Frage erörtert wird, was genau vorläufig in Kraft treten kann, und was in der Hoheit der Länder bleibt.

Eine Mail entschärft den Streit

Miersch schickte unmittelbar vor Konventsbeginn eine Mail an die Delegierten, einen Appell an alle Kritiker in seinem linken Lager, den eingeschlagenen Weg nun mitzugehen. Damit schien die Lage entschärft. Zumal bereits die ursprüngliche Fassung des Leitantrags des Parteivorstands den Kritikern weit entgegenkam. So sollte bei dem geplanten Investitionsgerichtshof, der die ursprünglich geplanten privaten Schiedsgerichte ersetzt, „die Unabhängigkeit der richterlichen Entscheidung gesichert“ werden. Gabriel hatte mit hohem persönlichen Einsatz im Vorfeld des Konvents versucht, eine Konfrontation abzuwenden, hatte bei einem Kurzbesuch in Montreal mit dem kanadischen Premierminister Justin Trudeau vereinbart, in den nun anstehenden Beratungen von EU-Parlament und nationalen Parlamenten weitere „Präzisierungen“ des bereits ausgehandelten Abkommens zuzulassen.

Gabriel hält sich auf der Bühne zurück

Parteichef Gabriel selbst hielt sich an die Stallorder der Parteispitze, sich so gut es ihm möglich ist zurückzuhalten. Von keiner Rücktrittdrohung und keiner Basta-Attitüde Gabriels war zu hören. Nur 20 Minuten dauerte sein Auftritt in Wolfsburg. Die Bühne überließ er anderen. Diese Taktik hat sich offensichtlich gelohnt. Die SPD hat die Klippe umschifft, und Gabriel geht gestärkt aus dem SPD-Konvent heraus. „Ceta ist ein Riesenschritt nach vorne“, sagt der SPD-Chef nach dem Konvent in Wolfsburg. „Natürlich wollen wir an weiteren Verbesserungen arbeiten.“ Der eingeschlagene Weg sei dafür sehr gut. Und das finde er sowohl als Wirtschaftsminister als auch als Sozialdemokrat.