Der Parteitag der SPD in Offenburg verlief ohne Konflikte - aber auch ohne Höhepunkte. Er war geprägt vom Bemühen um staatstragende Harmonie.

Offenburg - Alexander Bonde gab den SPD-Versteher. „Sogar Genossinnen und Genossen hat er gesagt“, merkten Delegierte nach dem Gastauftritt des grünen Agrarministers beim SPD-Parteitag wohlwollend an. Der Gast bügelte nach eigenem Bekunden sogar eigens seine rote Krawatte, als er erfahren hatte, dass er anstelle der erkrankten Fraktionschefin Edith Sitzmann der Abgesandte der Grünen sei.

 

Das Treffen der SPD war durch und durch geprägt vom Bemühen um staatstragende Harmonie. Kein böses Wort war dem Parteichef Nils Schmid bei seiner zentralen Rede gegen den Koalitionspartner über die Lippen gekommen. Dagegen hatte es eine Woche zuvor beim Grünen-Parteitag einige Sticheleien gegen die SPD gegeben. Diese sammelte Bonde am Samstag munter wieder ein. „Regierung ist ein Mannschaftssport. Am Ende werden wir gemeinsam gemessen“, sagte der Gast unter dem Beifall der Genossen. Sogar das Zitat, das seinen Kabinettskollegen Rainer Stickelberger, den SDP-Justizminister, eine Woche zuvor in die Bredouille gebracht hatte, nahm Bonde auf. Auch er komme mit der SPD-Fraktion manchmal besser aus als mit seiner eigenen, revanchierte sich der Grüne und lobte sogar den Haudegen Claus Schmiedel, der, anders als die Grünen, für Stuttgart 21 eintritt. „Heilfroh“ sei er, so Bonde, dass Schmiedel Peter Hauk (CDU) und Hans-Ulrich Rülke (FDP) im Landtag regelmäßig alt aussehen lasse. Damit war der Koalitionssegen wieder geradegerückt, und der munterste Teil des zweitägigen Parteitags vorbei.

Zurückgelehnt aufgenommen

Die Rede ihres Landesvorsitzenden Nils Schmid hatten die Genossen sehr zurückgelehnt aufgenommen. Der hatte vor seiner ersten Wiederwahl als Parteichef die SPD als inhaltlichen Motor der grün-roten Landesregierung bezeichnet und die Bedeutung der Koalition in Baden-Württemberg für einen Regierungswechsel im Bund unterstrichen. Mit Blick auf die unterschiedlichen Haltungen innerhalb der SPD zu Stuttgart 21 betonte Schmid, „eine Sachfrage darf uns niemals trennen“. Dazu ist auch der Parteitag entschlossen. Zwar hätten einige SPD-Mitglieder gerne genau gewusst, wie die Haltung zu dem Streitthema in der Partei wirklich ist, doch zu einer Mitgliederbefragung vor der Volksabstimmung kommt es nicht. Stattdessen wurde bei nur einer Gegenstimme eine Resolution des Landesvorstands angenommen, die respektvollen Umgang mit Befürwortern und Gegnern in der Partei verlangt. Nils Schmid empfiehlt, die SPD solle für eine hohe Wahlbeteiligung bei der Abstimmung am 27. November werben. Wenn sich jetzt Bündnisse für und gegen das Projekt formieren würden, sei das nicht die Stunde der Parteien, mahnt Schmid.

Nach der Volksabstimmung will die SPD richtig durchstarten. Wie, ist noch nicht ganz klar. Programmatisches ließ der Parteichef in seiner Rede vermissen. Sein Wahlergebnis von 88,2 Prozent nannte er „eine gute Basis, auf der man gut regieren kann“. Die neu gewählte Generalsekretärin Katja Mast kündigte an, sie wolle der Partei „eine eigene Stimme und eigenes Gewicht geben“. Sie sprach von sozialer Gerechtigkeit, sozialem Ausgleich, und nannte die SPD „die Demokratiepartei in Baden-Württemberg“. Nach dem 27. November führe nichts mehr an der thematischen Auseinandersetzung vorbei. Mast will sich für ein Tariftreuegesetz, für Mindestlohn und die neue Gemeinschaftsschule starkmachen.

Kräfteverhältnis muss stimmen

Auch wenn die SPD jetzt eine neue Rolle als Regierungspartei habe, so müsse doch das Kräfteverhältnis stimmen, dafür warben die Vizeparteivorsitzenden Leni Breymaier und Hilde Mattheis. „Wenn sich die Regierung zu weit von der Partei entfernt hat, war das immer Käse“, sagte die Verdi-Landeschefin Breymaier, die mit 90 Prozent das beste Ergebnis aller Stellvertreter erzielte. Auch die Parteilinke Mattheis, die häufig wegen ihrer Positionen abgestraft wurde, profitierte vom Streben nach Harmonie, und schnitt mit 63 Prozent deutlich besser ab als häufig in der Vergangenheit.

Der Schatzmeister Karl-Ulrich Templ warnte indes, die SPD könnte bald ihre Kampagnenfähigkeit einbüßen. Die Hälfte der Genossen sei älter als 60 Jahre. In den vergangenen 20 Jahren habe die SPD 42 Prozent ihrer Mitglieder verloren. Templ, der bei seiner Wiederwahl auf 94 Prozent der Stimmen kam, verlangte inhaltliche Profilierung. Darin sehen auch die meisten Delegierten eine Chance, aus dem tiefen Tal herauszukommen, in dem sie trotz der Regierungsbeteiligung stecken. Auf 23 Prozent kamen sie bei der Landtagswahl. Das könne nur besser werden, wenn die SPD-Minister überzeugende Arbeit leisteten. „Wir sind entschlossen, aus der Regierungsbeteiligung etwas zu machen“, sagt eine Delegierte aus Remshalden. „Es kommt langsam an, dass man diese Chance nutzen muss und kann.“ An Themen fehle es nicht, sagt sie und listet die ganze Palette von der Pflege über die Umwelt bis zu Bildung auf.

Die Bedeutung der Bildung hat sich für die Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer ausgezahlt. Sie wurde mit dem besten Ergebnis der 20 Beisitzer erneut in den Landesvorstand gewählt. „Das Ergebnis zeigt, dass Bildung für die SPD ein sehr wichtiges Thema ist“, sagte sie erfreut. „Es ist ein schöne Bestätigung meiner bisherigen Aktivitäten, und es ist gleichzeitig eine Aufforderung, sieh zu, dass was geht.“