Der SPD-Parteitag in Hannover hat den ehemaligen Bundesfinanzminister Peer Steinbrück mit 93,45 Prozent zum Kanzlerkandidaten gewählt. Dieser will seine Partei als klaren Gegenentwurf zu Schwarz-Gelb positionieren.

Hannover - Der SPD-Parteitag in Hannover hat den ehemaligen Bundesfinanzminister Peer Steinbrück mit 93,45 Prozent zum Kanzlerkandidaten gewählt. Damit ist der 65-Jährige jetzt auch offiziell Herausforderer von Bundeskanzlerin Angela Merkel für die Wahl im nächsten Herbst.

 

Der Kanzlerkandidat will seine Partei mit einem klaren Kontrastprogramm zur schwarz-gelben Koalition ins Kanzleramt zurückbringen.  Steinbrück legte sich in seiner Rede eindeutig auf ein Bündnis mit den Grünen fest.

"Zeit für einen Wechsel"

"Es ist Zeit für einen Wechsel", sagte Steinbrück unter großem Applaus. Für eine Wiederauflage der großen Koalition, in der er von 2005 bis 2009 unter Merkel Finanzminister war, stehe er "nicht zur Verfügung". Er wolle einen "ganzen Regierungswechsel" und keinen halben.

Bei der Wahl zum Kanzlerkandidaten durch die 600 Delegierten am Nachmittag war der 65-jährige Steinbrück einziger Kandidat. Die Parteiführung hatte sich bereits Ende September auf ihn festgelegt. Die nächste Bundestagswahl findet im Herbst 2013 statt, vermutlich Ende September. Einen genauen Termin gibt es noch nicht. In den Umfragen liegt die SPD derzeit deutlich hinter der Union.

Steinbrück preist sein Vorbild Helmut Schmid

Unter den Genossen: Deutschlands bekanntester Kettenraucher Helmut Schmidt, der sich auch auf dem Parteitag das Rauchen nicht verkniff. Steinbrück lobte in seiner Rede die politische Geradlinigkeit des Altkanzlers und endete mit dem Satz: „Und deshalb darf er im deutschen Fernsehen auch rauchen.“

Daraufhin fingerte Schmidt vor laufenden Kameras demonstrativ seine Zigaretten aus dem Jackett und zündete sich unter dem Gejohle des Saals grinsend eine an. Steinbrück fügte hinzu, es handele sich ja bekanntlich um Gesundheits-Zigaretten, nämlich Menthol-Zigaretten.

Steinbrück entschuldigt sich für holprigen Anfang

In seinem eindreiviertelstündigen Auftritt ging Steinbrück auch auf die Kritik an den gut bezahlten Reden ein, die er in den vergangenen Jahren als Abgeordneter hatte. An die Adresse seiner Partei sagte er: "Meine Vortragshonorare waren Wackersteine, die ich in meinem Gepäck habe und leider auch Euch auf die Schultern gelegt habe." Neben Kritik habe er aber auch "viel Solidarität" erfahren. Zu Beginn wurde seine Rede durch ein Plakat "Genug Kohle gescheffelt" gestört, das Greenpeace-Mitglieder in die Höhe hielten und mit dem sie auch auf die Energiepolitik der SPD anspielten. Zum Ende gab es für Steinbrück mehr als zehn Minuten Applaus

Der Merkel-Herausforderer kündigte an, die Wahl zu einer Richtungsentscheidung zu machen. Die SPD werde eine klare programmatische Alternative zum Bündnis aus Union und FDP anbieten. Gebraucht werde ein "neues Gleichgewicht". Durch die Wirtschafts- und Finanzkrise sei in den vergangenen Jahren auch in Deutschland "etwas außer Lot" geraten. Wörtlich sagte der frühere nordrhein-westfälische Ministerpräsident: "Deutschland braucht wieder mehr Wir und weniger Ich."

Steinbrück will Gleichstellungsministerin

Als Beispiele für eine andere Politik nannte er einen flächendeckenden Mindestlohn, verbindliche Frauenquoten, die steuerliche Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften mit der Ehe sowie eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Das geplante Betreuungsgeld werde die SPD zurücknehmen. Steinbrück kündigte auch an, eine "Staatsministerin für Gleichstellung" einzusetzen.

Der Union warf Steinbrück vor, zu einer "bloßen Machtmaschine" verkommen zu sein. "Das einzige programmatische Angebot ist: die Vorsitzende selber und sonst gar nichts." Politisch wisse aber niemand, wohin die Reise mit der Union überhaupt gehen solle - in Europa ebenso wie in der Gesellschaft. Zugleich warf er Merkel vor, Deutschland in Europa in die Isolierung geführt zu haben. Derzeit trete Deutschland zu oft als "Lehrmeister" auf.

Zuvor hatte auch der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel einen Machtwechsel in Berlin verlangt. Nach vier Jahren "Anarchie" bei Schwarz-Gelb sei die Zeit für eine neue Politik reif. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft bezeichnete die CDU als "inhaltsleere Hülle" und "Merkel-Wahlverein". Beide waren ebenso wie SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier als mögliche Kanzlerkandidaten gehandelt worden.