Der hessische SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel poltert gegen den Bundesfinanzminister und will Vermögende zur Kasse bitten.

Die SPD bastelt am Programm für die Bundestagswahl, und Hessen-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel ist mitverantwortlich für das Steuerkonzept. Im Interview erklärt er, wohin die Reise gehen soll.

 
Herr Schäfer-Gümbel, SPD-Chef Sigmar Gabriel hat die Vermögensteuer vor noch nicht allzu langer Zeit für tot erklärt. Sie versuchen, diese mit einem Gesetzentwurf Ihrer Landtagsfraktion wiederzubeleben. Mit Erfolg?
Das kann ich noch nicht endgültig sagen, aber ich bin guten Mutes. Sigmar Gabriel hat die Vermögensteuer übrigens nie kategorisch abgelehnt, sondern zu Recht bemängelt, dass ihm bisher keine pragmatisch umsetzbare, verfassungskonforme Regelung bekannt sei, die nicht die Substanz der Unternehmen gefährdet. An diesen drei Kriterien arbeiten wir in Hessen.
Wie weit sind sie gekommen?
Nach einer Expertenanhörung in der Fraktion würde ich sagen, dass die Ampel von Rot auf Gelb gesprungen ist. Eine verfassungskonforme Regelung bekommen wir hin und Aufwand und Ertrag lassen sich in ein akzeptables Verhältnis bringen. Bei diesen Punkten steht die Ampel aus meiner Sicht auf Grün. Noch nicht geklärt ist, wie wir die Substanz der Unternehmen schützen. Die Experten haben uns Hinweise gegeben, die wir ernst nehmen müssen. Bei dieser Frage würde ich sagen, Ampelfarbe: Dunkelgelb. Da müssen wir nacharbeiten.
Woran hakt es?
Die Substanz vor allem der Personengesellschaften und Familienunternehmen zu schützen, ist alles andere als trivial. Wir haben im Gesetzentwurf, mit dem wir einen jährlichen Ertrag von etwa 10 Milliarden Euro erzielen würden, sehr hohe Freibeträge vorgesehen. Bei Privatpersonen zwei Millionen, bei Verheirateten vier Millionen Euro. Bei Unternehmen würde die Steuer erst bei fünf Millionen Euro greifen. Dennoch haben wir bei Unternehmen die Abgrenzung von Privat- und Produktivvermögen noch nicht so hinbekommen, dass wir sicher sein können, Arbeitsplätze und die Investitionsfähigkeit von Unternehmen nicht zu gefährden.
Warum klammert sich die SPD so an die Vermögensteuer?
Tun wir nicht. Für uns steht Gerechtigkeit im Mittelpunkt. Ein zentraler Punkt ist der Kampf gegen Steuerdumping und Steuerbetrug, da lässt uns in der großen Koalition die Union im Stich. Dieses Geld steht der Gesellschaft zu. Es geht um dringend notwendige Investitionen in Infrastruktur, Digitalisierung und Bildung. Schultoiletten sind heutzutage an manchen Orten regelrechte Angsträume. Da muss was getan werden, das kostet Geld, und Verschuldung ist keine Lösung. Deshalb werden wir bei der Bundestagswahl über Mittel der Finanzierung sprechen müssen und ich bin dafür, zuerst an die ranzugehen, die sich der Steuer bisher entziehen. Wir werden auch dem Umstand Rechnung tragen müssen, dass wir bei der Erbschaftsteuer mit der Union nicht weit genug gekommen sind. Ich plädiere außerdem dafür, dass Managergehälter jenseits von einer Million Euro im Jahr nicht mehr steuerlich absetzbar sind. Wer solche Gehälter zahlen will: bitte schön. Aber nicht zulasten der Steuerzahler.
Ist das nicht ein Symbolthema?
Es ist zuallererst ein Symptom für ein extremes Maß an Ungerechtigkeit, das viele hart arbeitende Menschen in diesem Land nicht mehr akzeptieren wollen. Die haben zurecht die Erwartung, dass sich diejenigen, die mehr leisten könnten und die sich mit allen legalen und zum Teil illegalen Mitteln ihrer Verantwortung für die Gemeinschaft entziehen, angemessen beteiligen. Ich bin optimistisch, dass wir im Wahlprogramm dann am Ende ein Steuern- und Abgabenkonzept vorlegen können, das niedrige und mittlere Einkommen sogar entlastet.
Ums Geld geht es auch im Streit über die Folgen der Brexit-Entscheidung. Weshalb sind Sie so sauer auf Herrn Schäuble?
Wolfgang Schäuble bremst den Kampf für Steuergerechtigkeit aus und verweigert Wachstumsimpulse. Den Ländern der EU gehen durch Steuerhinterziehung und -vermeidung im Jahr mehrere Hundert Milliarden Euro verloren. Der Versuch, uns Sozialdemokraten das Image der Schuldenmacher anzuhängen, ist deshalb billig und bösartig. Das Geld ist da, wenn wir maximale Härte gegenüber Steuerhinterziehern an den Tag legen. Es wird Europa endgültig auseinandertreiben, wenn wir weiter einseitig sparen, ohne Wachstum zu fördern, wie Schäuble es will. Vor allem die Jugend Europas hat die Nase voll von Schäubles Schulmeisterei. Ich war vor Kurzem in Sevilla. Der andalusischen Regierung stehen an europäischer Unterstützung täglich 40 Cent pro Jugendlichem für Ausbildungsförderung zur Verfügung. Das ist ein Witz in einer Region, in der die Hälfte der Unter-25-Jährigen ohne Arbeit und Ausbildung ist. Schäuble ist mittlerweile in Europa Teil des Problems.
Die Kanzlerin will aber doch die Jugendarbeitslosigkeit angehen. Sie hat außerdem, gemeinsam mit Francois Hollande und Matteo Renzi, Wachstumsimpulse angekündigt…
Schäuble attackiert auch nur auf den ersten Blick die SPD. Seine Worte richten sich auch gegen Angela Merkel, die deutlich andere Töne anschlägt. Solange die Kanzlerin ihren Finanzminister aber nicht auf Kurs bringt, bleibt ihre Forderung, die Jugendarbeitslosigkeit anzugehen, folgenloses Marketing. Nicht zum ersten Mal übrigens.
Schäuble hat auch Außenminister Steinmeier angegriffen, weil der vor einem Säbelrasseln an der Ostgrenze der Nato gewarnt hat…
Das war nun wirklich schäbig. Kein Sozialdemokrat akzeptiert die völkerrechtswidrige Annexion der Krim. Aber den Dialog mit Russland dürfen wird trotzdem nicht abreißen lassen. Es gilt der Satz Helmut Schmidts: Es ist besser hundert Stunden miteinander zu reden, als nur eine einzige Minute aufeinander zu schießen. Dafür steht Steinmeier. Die alten Reflexe der Kalten Krieger werden die Lage ganz sicher nicht beruhigen.
Mit einem EU-Austritt Großbritanniens wurden die marktliberalen Hardliner in der EU geschwächt. Erkennt die europäische Linke darin die Chance, den Austeritätskurs der EU zu verändern?
Ich hätte mir gewünscht, dass Großbritannien in der EU bleibt. Der harte Sparkurs hat Europa in der Tat in eine schwierige Situation gebracht. Insofern ist der Brexit auch eine Chance für ein besseres Europa. Ich glaube, dass wir jetzt für ein Europa der Menschen kämpfen müssen, das mehr für Wachstum und Beschäftigung tut.