Anlässlich der Generalsanierung des Mineralbads 1983 bestellte die Stadt Stuttgart als Präsente 5000 Schmuckteller in der Porzellanstadt Selb. Jetzt sind sie angekommen.

Lokales: Sybille Neth (sne)

Stuttgart - Manche Dinge haben es so an sich, dass sie leicht verloren gehen: der Lieblingskugelschreiber, die Mütze, der Schirm. Meistens findet sich das vermisste Stück zufällig wieder, zum Beispiel unter dem Autositz. Auch die Bäderverwaltung der Stadt Stuttgart hat kürzlich etwas wiedergefunden: Stolze 5000 Porzellanteller wurden ihr aus heiterem Himmel mit 33 Jahren Verspätung frei Haus geliefert. Vor knapp einem Jahr klingelte bei der Betriebsleitung im Leuze das Telefon. Ein Spediteur meldete sich und sagte, er würde gerne eine Palette Porzellanteller liefern, die bei ihm rumsteht und die laut Aufschrift wohl ins Leuze gehöre. Wenn das Bad die Ware nicht mehr haben wolle, würde er sie eben entsorgen. „Das wäre natürlich schade gewesen“, sagt der heutige Leiter der Mineralbäder, Norbert Paydl, der in der ganzen Sache ratlos ist, weil dies alles seine Vorvorgänger in die Wege geleitet hatten und er sich jetzt mit einem Puzzle konfrontiert sieht, bei dem Teile fehlen.

 

Original hängt im Stadtarchiv

Die Stadt hatte zur Wiedereröffnung des Mineralbads Leuze nach dessen Generalsanierung 1983 die Teller in der Porzellanstadt Selb in Auftrag gegeben. Sie sollten an die lange Stuttgarter Bädertradition erinnern. Deshalb ist darauf das „Neue Gast-und Badhaus des Dr. Frösner in Cannstatt“ zu sehen. Die Original-Lithografie stammt von Carl Friedrich Baumann aus dem Jahre 1831 und lagert in der Württembergischen Landesbibliothek.

„In den 1980er Jahren gab es noch die Stuttgarter Kur“, weiß Paydl. Das war eine Art ambulante Reha für Arbeitnehmer. Diese Kurgäste sollten den Teller als Präsent erhalten – und so war es auch. Einerseits waren die bestellten Teller verschollen, andererseits ist belegt, dass einige verschenkt wurden. Paydl kann sich das nur so erklären, dass eine zweite Charge in Auftrag gegeben wurde, nachdem die erste Lieferung ausgeblieben war. Ob sie schon im Voraus bezahlt war oder ob die Porzellanfirma versichert war? Keiner weiß mehr etwas darüber. „Nach über drei Jahrzehnten ist von den Verantwortlichen niemand mehr da. Auch Unterlagen gibt es keine mehr“, sagt Paydl.

5000 Teller beim Ausmisten entdeckt

Wie so oft bei vermissten Gegenständen war es auch bei den 5000 Präsenttellern. Sie wurden beim Ausmisten wiederentdeckt. Die damals beauftragte Spedition hat heute einen neuen Besitzer. Der kroch nach der Übernahme bis in die hintersten Winkel der Lagerhalle, just bis zur völlig verstaubten Bad Cannstatter Teller-Palette und kombinierte die Aufschrift mit seiner Ortskenntnis. Deshalb sind jetzt die Stück für Stück in weißen Karton verpackten Teller endlich dort angekommen, wo sie hingehören: im Leuze.

Exemplar der zweiten Charge bei Ebay

Von den Ersatztellern aus den 1980ern wurde vergangenes Jahr einer bei Ebay angeboten: Er trägt die Nummer 783. „Vierter Kunstteller der Serie – Das schöne Alt-Cannstatt und seine Bäder“, beschrieb der Verkäufer aus Filderstadt den Wand- und Schmuckteller mit 19 Zentimeter Durchmesser. Das Motiv ist das Mineralbad Leuze, wie es früher war. Im Dezember endete die Auktion bei einem Preis von 29,90 Euro.

Das könnte für die Bäderverwaltung ein Hinweis auf den Wert der Präsente sein, denn auch darüber gibt es keine Angaben mehr. Unstrittig ist: Die Teller werden, ihrem ursprünglichen Zweck entsprechend, verschenkt. So wie am 23. September, als die Leuzes, die vier Generationen lang das Bad besessen oder geleitet hatten, hier ihr Familientreffen mit insgesamt 56 Personen hatten. Paydl überreichte jeder Familie einen Schmuckteller als Geschenk – und er hat von den 5000 noch ein paar übrig, für weitere besondere Anlässe in den kommenden Jahrzehnten.