Die Allianz investiert hohe Summen in Nahrungsmittel, das geht aus einer Studie hervor. Nicht alle Aktionäre sind davon begeistert.

München - Das will ich nicht“, entfährt es einer Allianz-Aktionärin. An einem Informationsstand der Hilfsorganisation Oxfam vor der Münchner Olympiahalle hat sie erfahren, dass der Versicherer unter den deutschen Finanzkonzernen am stärksten mit Lebensmitteln spekuliert. Das behauptet zumindest die Oxfam-Studie „Mit Essen spielt man nicht“, die die Münchner noch vor der Deutschen Bank an die Spitze der Spekulanten stellt. Gut 6,2  Milliarden Euro habe Allianz 2011 in fünf Fonds mit Agrarrohstoffen angelegt, gegenüber 4,5 Milliarden Euro der Deutschen Bank, sagt Christine Pohl als Mitautorin der Studie. Dahinter rangiere die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) mit 196 Millionen Euro auf Rang drei.

 

Auch unter dem Dach der Olympiahalle, wo die Hauptversammlung der Allianz tagt, verursacht die Studie Aufregung. Viele Aktionäre sind überrascht. Von Spekulationen der Deutschen Bank haben sie gehört. Dass ihr Unternehmen an führender Stelle mitmischt, löst Interesse bis Entsetzen aus. Offiziell kommentiert die Allianz die Zahlen nicht. Das von Oxfam und einer Agraranalystin ermittelte Investitionsvolumen komme der Wahrheit aber nahe, heißt es. Allianz-Chef Michael Diekmann nimmt die Kritik jedenfalls ernst.

Umstrittene Sicht der Experten

„Das ist ein Reputationsthema und eines, das uns emotional sehr nahe ist“, betont er. Der Ruf der Allianz sei lupenrein. Das wolle man nicht durch kurzfristige Spekulationserfolge gefährden und sich mit Investitionen in Agrarrohstoffe nun ernsthaft auseinandersetzen. „Das ist kein Lippenbekenntnis“, betont der Manager und erntet dafür Beifall. Von sich weist der Versicherer, dass Agrarrohstoffe durch die Geschäfte verteuert werden. „Wir sind überzeugt, dass wir Nahrungsmittelpreise nicht treiben“, beteuert ein Sprecher. Die von Oxfam kritisierten Fonds würden Termingeschäfte auf die Preisentwicklung von Lebensmittel abschließen, also Wetten auf die Zukunft. Das schlage nicht auf die Preise von Weizen, Mais und anderen gehandelten Nahrungsmitteln selbst durch.

Diese Sicht ist unter Experten umstritten. Ein wesentlicher Anteil des Anstiegs der Preise und ihrer starken Schwankungen bei wichtigen Grundnahrungsmitteln könne nur durch die Entstehung von Spekulationsblasen erklärt werden, hat zuletzt Oliver de Schutter als UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung erklärt. Auch Weltbank und EU vermuten solche Zusammenhänge.

Die eigene Praxis prüfen

Die Deutsche Bank, die jüngst von der auf Nahrungsmittel spezialisierten Hilfsorganisation Foodwatch wegen ihrer Spekulationen mit Agrarrohstoffen kritisiert wurde, hat ähnlich wie jetzt die Allianz angekündigt, die eigene Praxis zu prüfen und vorerst keine neuen Fonds dieser Art aufzulegen. Auch Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann hatte vor allem den guten Ruf des Geldhauses als Argument für die Überprüfung der Geschäfte ins Feld geführt. Allerdings hat die Prüfung bisher noch kein Ergebnis gebracht, Insider rechnen damit, dass dies auch bis zur Hauptversammlung der Bank Ende Mai nicht der Fall sein wird. Bis dahin legt die Bank zwar keine neuen Produkte mehr auf, handelt aber ansonsten weiter wie bisher. Ihren Ausstieg aus Spekulationen mit Nahrungsmitteln bis Ende des Jahres haben dagegen die zum Sparkassenlager zählenden Deka-Fonds erklärt. Für sie hat Oxfam ein Investitionsvolumen von 103 Millionen Euro ermittelt. Die LBBW räumt ein, über zwei Fonds investiert zu sein. „Der Anteil von Grundnahrungsmitteln ist aber verschwindend gering“, sagt ein Sprecher.

2011 haben deutsche Finanzkonzerne laut Oxfam über Fonds insgesamt 11,4 Milliarden Euro in Spekulationsgeschäfte mit Nahrungsmittelpreisen gesteckt. Das sei eine Vervierfachung binnen vier Jahren und ein unrühmliches Sechstel des globalen Spekulationsvolumens von 69 Milliarden Euro, kritisiert die Studien-Mitautorin Pohl. „Die Allianz ist ein Global Player auch bei der Spekulation mit Agrarrohstoffen und Lebensmitteln“, sagt Kleinaktionär Frank Braßel, ein Oxfam-Mitarbeiter.