Weihnachtsmann & Co. und Stuttgarter Rotary-Clubs engagieren sich für die Integration junger Flüchtlinge, die ohne Eltern hierher gekommen sind. Drei Jahre lang werden jeweils 50 000 Euro zur Verfügung gestellt.

Stuttgart - Ahmad und Ali sind erst seit kurzem in Stuttgart. Ahmad seit zwei Wochen, Ali seit drei Tagen. „Hallo“ – „wie geht’s – „danke“, einige wichtige Worte kennen sie schon. Dabei hatten sie noch keinen Sprachkurs, nur hausinterne Schulungen. „Ich will so schnell wie möglich Deutsch lernen“, sagt der 16-jährige Ahmad, der wie Ali aus Afghanistan kommt, ein Dolmetscher übersetzt das Gespräch. Mit acht weiteren Jugendlichen schlafen sie auf Feldbetten in einem Raum in der Notaufnahme für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge in der Kernerstraße. Der Raum sollte eigentlich für Freizeitaktivitäten, wie Kinoabende, genutzt werden,tagsüber finden dort zudem Schulungen statt. Doch die Not hat das Jugendamt dazu gezwungen, auch diesen Raum zu belegen (Zahlen hierzu finden sich am Ende des Artikels).

 

Ahmad und Ali beschweren sich nicht über die Enge, sie sind einfach nur froh, dort zu sein. Ganz angekommen sind sie aber noch nicht. Angesprochen auf die Flucht, kommen Ahmad sofort Tränen. Ali sagt: „Ich bin 17, aber ich komme mir vor wie 30.“ Ali ist Vollwaise, muss seit Jahren alleine für sich sorgen. Vor seiner Flucht hat er im Iran in einer Kleiderfabrik gearbeitet, doch das sei kein Leben gewesen. „Ich will lernen und meinen Kopf und nicht nur die Hände benutzen“, sagt er.

Die Jugendlichen sind sehr motiviert

Bisher ist es nicht möglich, dass junge Flüchtlinge, wie Ahmad und Ali, sofort nach ihrer Ankunft in Stuttgart an Integrationsprojekten oder einem Sprachkurs teilnehmen. Erst wenn die staatliche Förderung zur Hilfe zur Erziehung bewilligt ist, kann es losgehen – beziehungsweise, dann muss erst einmal ein Termin für einen Sprachkurs gefunden werden. So könnten durchaus zwei Monate ins Land gehen, berichtet Harry Hennig, der Bereichsleiter, der für die Notaufnahmen des Jugendamts zuständig ist.

Erst seit diesem Frühjahr gibt es Sprachkurse in der Notaufnahme an der Kernerstraße, finanziert über die Louis-Leitz-Stiftung. „Die Jugendlichen sind alle total motiviert“, berichtet die Sprachlehrerin Ulrike Mantel. Der Unterricht mache ihr großen Spaß. Alle machten toll mit, weil sie lernen wollten. Außerdem hülfen sich die Jugendlichen gegenseitig. Als Lehrer müsse man allerdings flexibel sein, denn die Gruppenzusammensetzung ändere sich ständig.

Weihnachtsmann & Co. und Rotary zeigen Flagge

In Zukunft wird Ulrike Mantel deutlich mehr Jugendlichen die deutsche Sprache beibringen können – und die Jugendlichen werden früher als bisher von den Kursen profitieren. Thomas Zell, der Vereinsvorsitzende von Weihnachtsmann & Co. und Präsident des Rosenstein-Clubs von Rotary, kündigt großzügige Spendensummen an: So würden die Rotarier Sprachkurse für die jungen Flüchtlinge vom ersten Tag ihrer Ankunft an finanzieren – anlässlich des 50-Jahr-Jubiläums des Rosenstein-Clubs wollte man ein soziales, humanitäres Projekt unterstützen. Von den elf Rotary-Clubs habe die Mehrheit bereits zugesagt, sich ebenfalls zu beteiligen.

Insgesamt, so das Ziel, sollen drei Jahre lang jeweils 50 000 Euro an Mitteln fließen, berichtet Zell. Weihnachtsmann & Co. werde zudem mit jährlich 35 000 Euro ebenfalls über drei Jahre integrative Projekte fördern: So dass die jungen Flüchtlinge kulturelle Aktivitäten und Sport machen sowie Sommercamps besuchen könnten. Auch Aufklärungsveranstaltungen über Themen wie Ausbildung und Krankenkassen sind geplant. „Es handelt sich um Projekte, die zusätzlich sind und sonst nicht zustande kommen würden“, betont Zell. Weihnachtsmann und Co. sowie Rotary sei es wichtig, „Flagge bei der Integration der minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge“ zu zeigen, sagt er – und gibt insgesamt eine Zielmarke von 265 000 Euro aus, verteilt über drei Jahre.

Jugendliche sind über jedes Angebot dankbar

Die Abteilungsleiterin Erziehungshilfen im Jugendamt, Waltraud Stuntebeck, ist froh, dass sich Rotary und Weihnachtmann & Co. engagieren. Es gebe nur ein recht kurzes Zeitfenster, in dem die Zielgruppe Anspruch auf Jugendhilfe habe. „Die müssen in den ersten zwei Jahren richtig etwas hinkriegen“, pflichtet ihr Hennig bei.

Ahmad und Ali zumindest sind über jedes Angebot dankbar. Abwechslung täte ihnen ebenfalls gut. Ihre Gedanken sind oft in die Heimat. Ahmad fragt sich, ob seine Eltern noch leben. Er hatte schon lange keinen Kontakt mehr. „Ich will später ein Buch schreiben, wie traurig das Leben in Afghanistan ist“, sagt Ali.

Die Ankunftszahlen im Überblick:

Die Zahl der minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge, die nach Stuttgart kommen, ist rapide gestiegen: 303  sind allein in den ersten sieben Monaten dieses Jahres vom Jugendamt aufgenommen worden. Zum Vergleich: 2005 waren es im gesamten Jahr 31. Aktuell leben 45 Kinder und Jugendliche in der Notaufnahme an der Kernerstraße. Diese ist aber eigentlich nur für 15 Personen ausgelegt. Wie berichtet ist auch die zweite, erst im Frühjahr bezogene Notaufnahme in Vaihingen deutlich überbelegt, weshalb das Jugendamt aktuell nach einer weiteren Immobilie sucht.

Im Schnitt kommen jede Woche zehn neue junge Flüchtlinge an. Vor Kurzem waren ein acht und ein zehn Jahre altes Kind dabei. Die meisten stammen aus Pakistan und Afghanistan. Auch die Zahl der Mädchen ist gestiegen: Zehn Flüchtlingsmädchen sind von Januar bis Ende Juli vom Jugendamt in Obhut genommen worden, weitere zwei waren älter als 18 Jahre. Vor 2010 sind gar keine Mädchen in der Statistik aufgetaucht, danach waren es zwischen ein und fünf unter 18-Jährige pro Jahr.

www.weihnachtsmann-co.de und www.rotary.de.