Der Journalist Jo Frühwirt hat in dem 100-Seelen-Nest Großhöchberg das Seminarhaus „Via – der Weg“ eröffnet ujnd meint: „Mich hat das Schicksal hierher geweht.“

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Spiegelberg - Im Rückblick könnte man sagen, dass es wohl so kommen musste. Der Journalist Jo Frühwirth hat dreieinhalb Jahrzehnte lang in Stuttgart für den Süddeutschen Rundfunk (SDR) und später auch für den Nachfolgesender Südwestrundfunk (SWR) Dokumentarfilme gemacht.

 

Meistens hat der heute 65-jährige Redakteur die sozialen Themen beackert. Jetzt hat der gebürtige Urbacher in dem 100-Seelen-Nest Großhöchberg hoch droben im Schwäbischen Wald das Seminarhaus „Via – der Weg“ eröffnet.

Fortbildungen in der Sozialarbeit

Während seiner Jahre beim Fernsehen besuchte Frühwirth mehrere Fortbildungen, die wenig mit Journalismus zu tun hatten und viel mit Sozialarbeit. Er ist ausgebildeter Festhaltetherapeut und kann sogenannte Familienaufstellungen anleiten. Im Laufe seiner Karriere hat sich der allein lebende Vater zweier erwachsener Kindern ganz allmählich auf die Jahre nach dem Film vorbereitet, zunächst vermutlich eher unbewusst. Irgendwann stand für ihn jedenfalls fest: „Ich will weg aus der Stuttgarter Stadtmitte und raus aufs Land ziehen.“ In seinem ehemaligen Bauernhaus mit komplett umgebauter Scheune startet er nun in den (Un)Ruhestand – die ersten Seminare sind bereits über die Bühne gegangen. Frühwirth ist optimistisch, dass sich seine Angebote allmählich herumsprechen und die Kurse angenommen werden. Im Herbst beispielsweise steht das Thema „Männersache“ auf dem Programm, dann geht es um „den modernen Mann auf der Suche nach seinem Platz“. Jo Frühwirth lacht und sagt: „Keine Angst, das wird bestimmt keine Softie-Veranstaltung.“

Der Filmemacher hat 15 Jahre lang im Dritten Programm die Talksendung „Thema M“ moderiert – M wie Mensch. Er war 1977 als Absolvent der Münchener Journalistenschule nach Stuttgart gekommen und hatte zunächst bei der Redaktion der Abendschau kleinere Filmchen gedreht. In seinen Produktionen und in den Talkrunden hat Frühwirth oft Themen vor ihrer Zeit aufgegriffen, in seinen Filmen ging es um Partnerschaft und um Wendepunkte im Leben, um Autismus, um die Angst beim Frauenarzt. Eine seiner letzten Produktionen, der Dokumentarfilm „Letzte Ausfahrt Hofgut“, wurde mit dem Caritas-Medienpreis dekoriert. „Ein schöner Abschluss“, sagt der Neu-Großhöchberger und startet noch mal durch – in das schöne Leben nach dem Film.

In dem zu Spiegelberg gehörenden Dorf ist der Mann aus Stuttgart zufällig gelandet. Er hatte ein Haus gesucht, das sich für seine geplanten Seminare eignet. Das Fachwerkgebäude an der Durchgangsstraße in dem Flecken an der Kreisgrenze war die erste Immobilie, die er sich genauer angeschaut hat. Erst nach einiger Zeit bemerkte Frühwirth in welch ungewöhnlicher Siedlung er da gelandet ist. Die Bewohner bezeichnet Großhöchberg als „Kulturbuckel“. Am Ortsrand arbeitet die Kleinkunstbühne Kabirinett des Mimen Thomas Weber. Und mitten im Ort ist der Klosterhof, wo Jutta Scheuthle ein ambitioniertes Kulturprogramm veranstaltet. Nun also gibt es ein weiters Angebot. Frühwirth sagt, „mich hat wohl das Schicksal her geweht“.

Lockere Gespräche im Blauen Salon

Ein Sommerabend im Juli. „Blauer Salon“ – so nennt Jo Frühwirth seine offene Veranstaltungsreihe. Einmal im Monat lädt er ein zum lockeren Gespräch in der Scheuer, zum „Austausch über Alltagsgeschichten“. Die Gäste sollen einen „neuen Blick bekommen“. Diesmal geht es um die neuen Medien. „Sind Freundschaften nur noch mit I-Phone, Facebook und Internet möglich? Beziehungen ohne Computer – geht das?“ Gekommen sind acht Männer und Frauen, mache kennen sich schon, andere sind zum ersten mal da.

Was bedeutet Freundschaft?, fragt der Moderator. „Eine Festung der Geborgenheit“, sagt eine Frau. Dann fallen Worte wie Dabeisein, Geborgenheit, Vertrauen und keine Angst haben. Die Rundes diskutiert, ob die neuen Internettechniken und Dienste wie Facebook zur Vereinsamung der Menschen beitragen. Eine Teilnehmerin sagt, „das Internet hilft, Kontakte zu pflegen“. Ein Mann kontert: „Kindern wird die Zeit gestohlen.“ Die meisten Gäste des Blauen Salons sind älteren Semesters, sie haben kein Verständnis dafür, dass Jugendliche in Internetforen viele hundert „Freunde“ haben. „Wirkliche Freunde haben, das ist eine Seltenheit“, sagt eine Frau.

Nach gut zwei Stunden ist Schluss. Frühwirth serviert Wein und Käse. Noch ein bisschen Geplauder, dann verabschieden sich die Gäste – die meisten wollen beim nächsten Mal wieder kommen in den Blauen Salon. Der Hausherr sagt, er setze in erster Linie auf Mund-zu-Mund-Werbung und hoffe, dass sich künftig auch der ein oder andere Interessent für seine Einzelberatungstermine anmelde.