Der Oscar der Brettspielbranche geht nach Frankreich: Das Westernspiel „Colt Express“ des französischen Spieleautor Christophe Raimbault ist zum „Spiel des Jahres“ gekürt worden. Wir stellen alle Nominierten – auch die der Kategorie „Kennerspiel des Jahres“ – vor.

Berlin - Die Oscarverleihung der Brettspielbranche hat die Spielewelt nach Berlin gelockt: Autoren aus Europa, Asien und Australien hofften dort auf eine prestigeträchtige Auszeichnung, als eine Jury aus neun Kritikern am Montag das „Spiel des Jahres 2015“ und das „Kennerspiel des Jahres 2015“ kürte. Am Ende jubelte der französische Spieleautor Christophe Raimbault: Sein Westernspiel „Colt Express“ gewann den Titel „Spiel des Jahres ist“. Zum „Kennerspiel des Jahres“ wurde das Strategiespiel „Broom Service“ gekürt. In beiden Sparten waren je drei Spiele nominiert. Wir stellen alle sechs vor.

 

Für jedermann: die Spiele des Jahres

„Colt Express“: Wie im Western fühlen sich zwei bis sechs Revolverhelden in dem Actionspiel von Christophe Raimbault. Als Banditen überfallen sie einen fahrenden Zug, dessen dreidimensionales Pappmodell mit Lok und Waggons die Spielfläche bildet. Der Raub ist allerdings als derbe Komödie inszeniert; vieles geht schief. Mit Richtungs- und Aktionskarten bewegen die Spieler ihre Figur, immer gleich mehrere Schritte im Voraus. Erst später zeigt sich, ob die Pläne aufgehen. Faustkämpfe oder der Besuch des Marshals haben zur Folge, dass das Opfer unfreiwillig den Ort wechselt, was seine weiteren Absichten meistens durchkreuzt. Die überraschenden Kettenreaktionen sind der Höhepunkt einer jeden Partie. Der ganze Tisch jubelt, wenn jemand ungewollt Luftlöcher boxt oder Geldbörsen dort aufklauben will, wo keine sind. Je mehr mitmischen, desto besser. Man muss allerdings auch einstecken können. (Ludonaute, ab 10 Jahren, 30 Euro).

„Machi Koro“: „Machi“ ist Japanisch und bedeutet „die Stadt“, „Koro“ bedeutet „würfeln“. Und damit wäre das Wesentliche bereits umrissen. Zwei bis vier Bürgermeister wollen ihr Dorf zur Stadt hochpäppeln und Bahnhof, Einkaufszentrum, Funkturm und Freizeitpark errichten. Dazu benötigen sie Geld, das wiederum durch andere Gebäude hereinkommt. Wer an der Reihe ist, rollt zunächst einen oder zwei Würfel. Das Ergebnis bestimmt, welche Häuser ihren Besitzern Münzen bringen. Der Gewinn fließt in neue Projekte oder wird gespart. Ob die Stadtplaner in dem einfachen Wirtschaftsspiel von Masao Suganuma auf einen Supermarkt, eine Molkerei oder eine Möbelfabrik setzen, ist eine Frage ihrer Strategie. Der Verlierer kann sich damit trösten, dass die Würfel auch anders hätten fallen können. Am Ende wollen beide noch mal – die Partien sind schnell, unkompliziert und spannend. (Kosmos, ab 8 Jahren, 13 Euro).

„The Game“: „Spiel... so lange du kannst!“ lautet der Untertitel von Steffen Benndorfs Kartenablagespiel. Der fieseste Gegner ist dabei das Spiel selbst. In einer Art Gruppenpatience versuchen bis zu fünf Spieler partnerschaftlich daran, sämtliche Zahlenkarten von 2 bis 99 auf vier Haufen unterzubringen. Auf zwei der Stapel müssen die Kartenwerte stets ansteigen, auf den anderen beiden absteigen. Wer am Zug ist, muss zwei seiner Karten legen. Die Spieler dürfen einander beraten, sich aber nicht ins Blatt schauen und keine konkreten Zahlenwerte preisgeben. Mit geringen Mitteln erzeugt „The Game“ einen gigantischen Sog. Jede Karte verringert den Bewegungsspielraum, mit jedem Zug wird es schwieriger. Da ist man schon zufrieden, wenn sich die Situation mal nur ein bisschen verschärft. Man hofft, man bangt – und zwar stets gemeinsam. (Nürnberger-Spielkarten-Verlag, ab 8 Jahren, 8 Euro).

Für Anspruchsvolle: die Kennerspiele des Jahres

„Broom Service“: Wir sind die Inhaber eines Bringdienstes – allerdings in einer magischen Welt. Pizza bestellt hier niemand; unsere Kundschaft verlangt nach Zaubertränken. Und natürlich liefern wir nicht per Mofa oder Fahrrad. Wir düsen auf unserem Feger umher, was dann auch den Namen des Spiels erklärt: Das englische „broom“ bedeutet „Besen“. Der Trick bei diesem Kennerspiel von Andreas Pelikan und Alexander Pfister besteht darin, genau das zu tun, was sonst niemand tut. Nur weiß man das vorher nicht, denn jeder der zwei bis fünf Firmenchefs wählt geheim vier seiner zehn Angestellten, die er in der kommenden Runde einsetzen möchte. Wer an der Reihe ist, spielt dann eine seiner vier Karten, beispielsweise die Waldhexe, um in einen Wald zu liefern. Zugleich entscheidet er, ob die Hexe feige oder mutig sein soll. Mutig auszuspielen bedeutet, mehr zu bekommen – doch auf die Gefahr hin, von den Waldhexen der Mitspieler ausgestochen zu werden. (alea, ab 10 Jahren, 40 Euro).

„Elysium“: Niemand Geringeres als die Olympischen Götter zanken sich in „Elysium“. Mittendrin zwei bis vier Strategen in der Rolle von Halbgöttern mit Aufstiegsambitionen. Brett J. Gilbert und Matthew Dunstan haben sich ein abstraktes Kartensammelspiel ausgedacht, das mit stimmungsvoller Grafik in die mythologische Welt hineinzieht und manch ausgefeilten Dreh besitzt. Das spielerische Oberthema ist: Trennung! Ein Portfolio aus verschiedenen Farbsäulen bestimmt, welche Götterkarten ein Spieler erwerben darf. Doch jede Runde muss er eine der vermeintlich unverzichtbaren Säulen abgeben. Die Götterkarten wiederum verleihen ihrem Besitzer starke Eigenschaften. Am Ende aber zählen nur Punkte. Und um Punkte zu erhalten, muss man beizeiten auf die wertvollen Eigenschaften verzichten. Schweren Herzens natürlich. (Space Cowboys, ab 14 Jahren, 50 Euro).

„Orléans“: Viele Spieler lieben es, aus dem Nichts ein eigenes Imperium heranwachsen zu sehen. Den Reiz, etwas aufzubauen, kitzelt „Orléans“, wo zwei bis vier Kaufleute eine mittelalterliche Gefolgschaft sammeln, um wertvolle Waren und ein hohes Ansehen zu gewinnen. Jeder startet mit Schiffern, Handwerkern, Händlern und Bauern. In Form von Pappchips stecken sie in einem Stoffbeutel. Während der Partie wächst der Personalbestand. Vier bis acht Plättchen ziehen die Spieler zu Beginn eines Durchgangs heraus – aber nicht immer die gewünschten. Die zu Verfügung stehenden Gefolgsleute kombiniert man für Aktionen. Für den Bau eines Gildenhauses müssen beispielsweise Handwerker, Bauer und Ritter zusammenkommen. Auf welche der sieben Berufsgruppen Spieler vermehrt setzen, hängt von ihren Vorlieben und Plänen ab. Welche Figuren allerdings der Beutel letztlich ausspuckt, ist dann eine Frage des Glücks. (dlp games, ab 12 Jahren, 50 Euro).