Erst allmählich wird uns als gesellschaft klar, welche Kinderschinderei hinter den Türen ehrwürdiger Institutionen jahrzehntelang betrieben wurde. Der Spielfilm „Freistatt“ zeigt ein Erziehungsheim, das Züge eines Folterlagers trägt.

Stuttgart - Wie das ist, mitten in einer beständig die Rechte des Menschen beschwörenden Gesellschaft völlig ausgeliefert zu sein, das beschreibt Marc Brummunds Spielfilm „Freistatt“ fraglos sehr eindringlich. Denn der Mensch, dessen Rechte hier in der Bundesrepublik permanent verletzt werden, der in dauernder Angst lebt, gedemütigt und missbraucht wird, ist kein Erwachsener, sondern ein Kind.

 

Und in der Bundesrepublik des Jahres 1968 herrscht die Meinung vor, ein Kind solle sich nicht so haben: ein wenig Strenge hat noch keinem geschadet, und wilde Geschichten über extreme Übergriffe im Heim können ja nichts anderes sein als dreiste, allenfalls wehleidige Flunkereien von Bürschchen, die sich damit unbequemer Disziplin entziehen möchten.

Wie Sträflinge im Moor

Die Erzieher in jenem Fürsorgeheim, in das der Stiefvater den 14-jährigen Wolfgang (Louis Hofmann) abschiebt, beherrschen die süßliche Freundlichkeit nach außen und auch die halbwegs moderne Rhetorik verantwortlicher Pädagogen. In der Anstalt selbst aber werden die Kinder dann wie Sträflinge zum Torfstechen ins Moor gezwungen: die KZ-Assoziation provoziert nicht das Drehbuch, sie entsteht aus dem authentischen Hintergrund. Erzählt aber wird von Missbrauch und Auflehnung doch zu bieder, nach bewährtem Schema problembewusster Fernseharbeiten, auf Betroffenheit bauend: an den thematisch ähnlichen norwegischen Film „King of Devil’s Island“ reicht das leider nicht heran.

Freistatt. Deutschland 2014. Regie: Marc Brummund. Mit Louis Hofmann, Alexander Held, Stephan Grossmann, Uwe Bohm. 108 Minuten. Ab 12 Jahren.