Rathaus und Gemeinderat wollen die Flut der Spielhallen in Stuttgart eindämmen. In der Innenstadt gibt es die Sorge, dabei benachteiligt zu werden.

Stuttgart - Eigentlich hätte der gemeinderätliche Ausschuss für Umwelt und Technik am Dienstag die neue Vergnügungsstättenkonzeption beschließen sollen. Das Papier sieht vor, Spielhallen künftig in den Zentren der Stadtteile zu konzentrieren, ihre Ansiedelung in Erdgeschossen soll grundsätzlich ausgeschlossen werden. Doch den Grünen, der SPD und vor allem dem Bezirksbeirat Mitte gehen diese Einschränkungen nicht weit genug. Die Konsequenz: das Thema wurde fürs Erste von der Tagesordnung genommen.

 

Unzufriedenheit löst insbesondere die Tatsache aus, dass das Konzept die sogenannte Mindestabstandsregelung außen vor lässt. Diese Regelung, die das eingeschaltete Gutachterbüro Acocella Stadt- und Regionalentwicklung als Steuerungselement bei der Ansiedelung von Spielhallen empfohlen hatte, hätte bewirkt, dass ein Glücksspielbetreiber nur dann eine Genehmigung erhalten hätte, wenn nicht in einem Abstand von 100 bis 150 Metern schon ein weiteres Wettbüro oder eine Spielhalle existiert. Während etwa die Städte Berlin, Bremen oder auch Ludwigsburg diese Regel zum Bestandteil ihrer Vergnügungsstätteverordnung gemacht haben, scheut die Verwaltung in Stuttgart davor zurück. Es fehle die rechtliche Grundlage dafür, argumentiert Stuttgarts Baubürgermeister Matthias Hahn.

Ausführungsgesetz des Glücksspielstaatsvertrags

Diese rechtliche Grundlage könnte es aber bis zur Sommerpause geben. Dann soll, so Hermann-Lambert Oediger vom Stadtplanungsamt, das sogenannte Ausführungsgesetz des Glücksspielstaatsvertrags für das Land Baden-Württemberg erlassen werden. Die SPD-Gemeinderatsfraktion fordert, in das geplante Landesgesetz die Abstandsregelung aufzunehmen. Stadtplaner Oedinger hält den Einwand der Bezirksbeiräte aus Mitte, bis dahin mit der Verabschiedung der Vergnügungsstättenkonzeption zu warten, jedoch für falsch. „Das Ausführungsgesetz behandelt nur Spielhallen, nicht jedoch Wettbüros oder Sexclubs.“ Die Vergnügungsstättenkonzeption lasse dafür Aspekte wie den Jugendschutz und das Thema Spielsucht außen vor, da es sich, so Oediger, um eine rein städtebauliche Betrachtung handele.

Die grüne Gemeinderatsfraktion wie auch die Lokalpolitiker im Bezirksbeirat wollen das nicht einsehen: Für die Amüsiermeilen auf der Theodor-Heuss-Straße und im Leonhardsviertel könne das nicht angewendete Mindestabstandsgebots zum Problem werden, heißt es in einem Antrag der Fraktion, und der Bezirksbeirat Mitte fordert in einem einstimmig verabschiedeten Papier, wenigstens eine alternative Einschränkung in das Konzept aufzunehmen. Das Risiko, dass ein Spielhallenbetreiber klagt, sei „in Kauf zu nehmen“.

Gewerbegebiete sollen geschützt werden

Auf großes Unverständnis stößt auch die Aussage der Konzeption, dass Gewerbegebiete geschützt werden sollen, wohingegen in einem Einzelhandelszentrum Spielhallen gut ins Bild passen würden. Grund dafür seien die Bodenpreise. „Bereiche wie das Zentrum in Mitte haben die höchsten Bodenpreise“, so Oediger, „diese werden durch Spielhallen kaum berührt.“ In Gewerbegebieten, in denen der Bodenpreis niedriger sei, könnten Spielhallen hingegen das „Bodenpreisgefälle drastisch aufwirbeln“. Für Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle, den Bezirksbeirat und die Bewohner und Gewerbetreibenden in den Quartieren von Mitte eine Argumentation, die nicht nachvollziehbar ist.

„Es ist paradox, dass man sich um ein Gewerbegebiet mehr sorgt als um ein Wohn- und Mischgebiet“, argumentierte auch Wolfgang Müller vom Verschönerungsverein in der Sitzung des Bezirksbeirats. Für Ulrich Morgenthaler vom Forum 3, das seinen Sitz an der Theodor-Heuss-Straße hat, stellt sich die Frage, wie soziale Einrichtungen vor Spielhallen geschützt werden können, und Pfarrer Eberhard Schwarz aus dem Hospitalviertel kritisierte, dass sich die Konzeption nicht an der Stadtentwicklung orientiere. „Unsere Bemühungen im Hospitalviertel werden hiermit konterkariert.“ Folgerichtig lehnte der Bezirksbeirat die Vorlage einstimmig ab. Die Folgen der Vergnügungsstättenkonzeption für das Stuttgarter Zentrum seien nicht ausreichend geklärt. Die Verwaltung solle prüfen, ob eine Höchstzahl an Spielhallen festgesetzt werden kann, heißt es in dem Beschluss, der auf Antrag der Grünen zustande kam. Zudem fordert das Gremium eine Gestaltungssatzung, um die Reklame an Spielhallen einzudämmen.