Bei der Neuheitenschau präsentieren Aussteller vor dem eigentlichen Messestart erste Innovationen. Die großen Hersteller aus Baden-Württemberg sind im vergangenen Jahr allesamt gewachsen – mit einer Ausnahme.

Nürnberg - Es ist der Appetitanreger der Spielwarenmesse in Nürnberg. Bevor am Mittwoch die Tore zur 67. Auflage der weltgrößten Branchenschau für das internationale Fachpublikum geöffnet werden, bekamen Vertreter der Medien bereits am Dienstag einen Vorgeschmack. Ein kleiner Teil der mehr als 2800 Aussteller präsentierte ausgewählte Innovationen im Rahmen der Neuheitenschau.

 

Die inoffizielle Messeeröffnung begann mit einer Rolltreppenparade, bei der Kinder an der Hand von Maskottchen ins Messecenter Ost begleitet wurden. Ohne die Prinzessinnen, Feuerwehrmänner, Piraten, Bären und Superhelden geht es nicht in der Branche, die 2015 erneut einen Umsatzrekord zu verzeichnen hatte. Auf sechs bis acht Prozent schätzen Experten den Umsatzzuwachs in Deutschland auf ein Marktvolumen von rund drei Milliarden Euro.

Für das Wachstum sind nach Ansicht von Ravensburger-Chef Karsten Schmidt vor allem drei Dinge verantwortlich. Erstens: der Boom in der Spielwarenkategorie Actionfiguren, getrieben von Lizenzprodukten der Kinofilme „Minions“, „Frozen“ („Die Eiskönigin 2“) und „Star Wars“. Als zweiten Umsatztreiber nennt Schmidt den langen, heißen Sommer, der vor allem den Bereich Outdoor-Spielzeuge angekurbelt habe. Als dritten Grund sieht der Chef des Spieleverlags vom Bodensee eine unsichere Grundstimmung in der Gesellschaft an, die durch die nahen und fernen Krisen befeuert werde.

„In Zeiten des Wandels und der gefühlten Unsicherheit erfolgt eine Rückbesinnung auf das Wesentliche – zum Beispiel auch das Spielen im Kreis der Familie“, sagt der Vorstandsvorsitzende von Ravensburger. Davon haben vor allem Spiele und Puzzles profitiert, die stärksten Warengruppen des Unternehmens.

Tiptoi bleibt der Kassenschlager bei Ravensburger

Die Erlöse von Ravensburger sind 2015 um 19,2 Prozent auf 444,9 Millionen Euro angestiegen. Für den Umsatzsprung ist zu einem großen Teil der Zukauf des schwedischen Holzeisenbahnbauers Brio verantwortlich. Doch auch ohne Brio hätte der Umsatz der Gruppe noch um 7,6 Prozent zugelegt.

Wenn sich die Familie zum Spielen zurückzieht, wie es Schmidt beschreibt, dann kommen vor allem alte Klassiker auf den Tisch wie „Das verrückte Labyrinth“ oder „Der zerstreute Pharao“. Zwei Dauerbrenner der Gruppe sind die 3-D-Puzzles, die in immer neuen Varianten auf den Markt kommen, und das audiodigitale Lernsystem Tiptoi. Mit dem intelligenten Lesestift funktionieren auch die neuen Spielewelten, die die Oberschwaben auf der Neuheitenschau in Nürnberg präsentierten: Egal ob Feuerwehr, Polizei, Autorennen oder Einkaufszentrum – die Kinder lernen spielerisch und im Kleinen, wie die Welt im Großen funktioniert.

Nach einem ähnlichen Prinzip funktioniert auch die „My World“-Serie des Modellbahnbauers Märklin. Mit diesen einfachen und relativ günstigen Einsteigersets versuchen die Göppinger junge Kunden zu gewinnen. Bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen sieht der junge Märklin-Geschäftsführer Florian Sieber (30) noch echtes Wachstumspotenzial. Rund 80 Prozent seines Umsatzes von zuletzt 98 Millionen Euro macht Märklin allerdings mit Profi- und Sammlermodellen. Da der Markt rückläufig ist, rechnet Sieber für das laufende Geschäftsjahr 2015/16 (30. April) mit einem Umsatzrückgang um zwei Prozent auf 96 Millionen Euro. Das Unternehmen bleibe dennoch profitabel.

Einige limitiere Märklin-Bahnen sind bereits vergriffen

Auf der Messe in Nürnberg und in den Wochen davor und danach machen die Göppinger bis zu 40 Prozent ihres Jahresumsatzes. Manche Produkte sind jetzt bereits vergriffen, sagt Sieber und tippt im Katalog auf das Bild einer auf 999 Stück limitierten Auflage eines Kranwagens für 999 Euro. Technisch hochwertiger und dennoch günstiger ist die neue digitale Steuereinheit „Central Station 3“. „Die Elektronik war nicht mehr auf dem Stand der Zeit“, erklärt Sieber. Das neue Gerät sei mit einem schnelleren Prozessor, mehr Speicherkapazität und einem hochwertigerem Display ausgestattet. Trotzdem ist der Preis von 850 Euro auf 650 Euro gesunken.

Der Innovationsdruck in der Branche ist für Michael Fleissner, den Chef des Stuttgarter Kosmos Verlags, der entscheidende Antrieb. Kosmos präsentiert auf der Messe in Nürnberg die aktuellste Version eines Klassikers: „Wir haben vor 80 Jahren mit dem Experimentierkasten ‚Radiomann‘ angefangen, jetzt stellen wir den ‚Programmiermann‘ vor“, sagt Fleissner. Mit dem Kosmo-Bits genannten Experimentierkasten sollen Kinder und Jugendliche auf spielerische Art programmieren lernen.

Sie können zum Beispiel kleine Alarmanlagen oder LED-Discos entwickeln und später eigene digitale Projektideen kreativ umsetzen. „Wir fühlen uns als das Original. Deshalb wollen wir auch bei neuen Ideen an der Spitze stehen“, sagt Fleissner. Von einem weiteren Kassenschlager, dem vor über 20 Jahren auf den Markt gekommenen Brettspielklassiker „Catan“, bringt der Verlag in diesem Jahr eine Big Box heraus.

Das Buchgeschäft bereitet Kosmos-Chef Fleissner Sorgen

Im vergangenen Jahr konnten die Stuttgarter ihren Umsatz um etwa acht Prozent auf rund 75 Millionen Euro steigern. Zum Gewinn macht das mittelständische Unternehmen mit rund 200 Beschäftigten wie die meisten Konkurrenten keine Angaben. Vor allem die internationale Expansion setzte der Spiele- und Buchverlag erfolgreich fort. In den USA brachte Kosmos seine ersten Brettspiele auf den Markt und setzte erstmals mehr als zehn Millionen Euro um. In Großbritannien wurde die Millionenmarke beim Umsatz erreicht.

Sorgen bereitet Fleissner das Buchgeschäft. Er spricht von einer Schwächephase im gesamten Markt, vor allem durch die Digitalisierung und den gleichzeitigen Flächenrückgang im stationären Handel. In den vergangenen Jahren haben sich daher   für Kosmos die Schwerpunkte verschoben. Heute betrage der Umsatzanteil des Buchbereichs nur noch 40 Prozent, der von Experimentierkästen und Spielen 60 Prozent. Erfolgreich sei die Eingliederung der Kartografie-Sparte Wissenmedia Mapworks von Bertelsmann verlaufen, den die Stuttgarter in der zweiten Jahreshälfte 2014 übernommen hatten. Für das laufende Jahr wagt Kosmos-Chef Fleissner keine Prognose. Nur so viel: „Wir wollen unsere Kunden erneut mit Qualität und Attraktivität begeistern.“

Der 3D-Drucker von Fischertechnik kostet 699 Euro

Genauso experimentell wie bei Kosmos geht es bei Fischertechnik zu. Die Tochter der Fischer-Gruppe aus Waldachtal präsentiert in Nürnberg ihren ersten 3-D-Drucker-Baukasten für Jugendliche ab 14 Jahren. Zunächst müsse der Drucker zusammengebaut werden, erläutert Geschäftsführer Marcus Keller. Für den geübten Bastler dauere das etwa zwei Stunden. Anschließend können dann kleine Zubehörteile aus Kunststoff wie Mützen für die Spielfiguren oder Kotflügel für die Autos von Fischertechnik ausgedruckt werden. Der Baukasten ist für 699 Euro von Juni an im Handel erhältlich.

Keller stellt vor allem den pädagogischen Wert der Neuheit heraus. Der 3-D-Drucker könne auch in Schulen und Berufsschulen als Lehrmaterial eingesetzt werden. Der Hersteller aus dem Schwarzwald ist vor allem in Südamerika und in Asien mit seinen edukativen Produkten in den Schulen vertreten. In Deutschland würden den Schulen oft nicht die nötigen Budgets zur Verfügung stehen, bedauert Keller. Im vergangenen Geschäftsjahr waren neben den Baukästen vor allem die elektronischen Kugelbahnen ein Erfolgsgarant des Unternehmens.

Auch mit dem Abverkauf von zwei Einsteiger-Baukästen – Pneumatik und Solarenergie – zeigt sich Keller zufrieden. Insgesamt sei der Umsatz des kleinen Herstellers im zweistelligen Prozentbereich gewachsen. Absolute Zahlen nennt das Familienunternehmen für seine Töchter traditionell nicht. 2013 lag der Umsatz von Fischertechnik bei 8,7 Millionen Euro. Keller erwartet auch für das laufende Geschäftsjahr wieder ein zweistelliges Wachstum.

Ein starkes Geschäftsjahr hat auch Schleich hinter sich. Der Umsatz stieg von 113 Millionen Euro im Jahr 2014 um 17,3 Prozent auf 132,5 Millionen Euro. „Unser langfristiges Ziel ist klar: Wir möchten auf Erfolgskurs bleiben und pro Jahr ein Umsatzwachstum im deutlich zweistelligen Bereich erreichen“, sagt Dirk Engehausen, seit einem Jahr Chef der Schleich-Gruppe. Als entscheidende Wachstumstreiber nennt er den Ausbau der themenspezifischen Spielwelten.

Mit einer Umsatzsteigerung von mehr als zehn Prozent sei das „Farm Life“-Sortiment mit Produkten wie „Großes Reitturnier“ und „Pferdehof“ besonders erfolgreich gewesen. Auch die Themenwelt „Wild Life“ habe sich gut verkauft. Mit seinen Urzeitriesen in der Spielwelt „Dinosaurier“ verzeichnete Schleich sogar ein Umsatzplus von 18 Prozent. Der Hersteller aus Schwäbisch Gmünd ist in diesem Jahr zwar mit einem Stand auf der Messe vertreten, war am Dienstag allerdings nicht bei der Neuheitenschau dabei.