Spielwarenhersteller präsentieren in diesem Jahr 75.000 Neuheiten in den Nürnberger Messehallen. Unter ihnen sind auch Firmengründer, die sich mit ihren selbst entworfenen Produkten eine Existenz schaffen wollen.

Nürnberg - Die Spielwarenbranche boomt. Zum ersten Mal haben die Umsätze in Deutschland im vergangenen Jahr die Marke von drei Milliarden Euro geknackt. Neben Klassikern sind es vor allem Innovationen, die das Wachstum ankurbeln. Auf der Spielwarenmesse in Nürnberg präsentieren die Aussteller in dieser Woche mehr als 75 000 Neuheiten. Doch nicht jedes neue Produkt wird sich am Markt durchsetzen. Nur etwa zehn Prozent der Neuheiten werden in einem Jahr noch in den Läden zu sehen sein. Für die Platzhirsche wie Playmobil und Ravensburger ist es nicht so schlimm, wenn ein Produkt nicht beim Kunden ankommt, sie bringen in jedem Jahr viele Neuheiten heraus. Doch bei kleinen Herstellern und Gründern hängt oft die gesamte Existenz an einem einzigen Produkt. Wir haben drei Start-ups auf der Messe besucht.

 

Dass Philipp Müller ein Händchen für Design hat, merkt man auf den ersten Blick. Die geschwungene Optik seines Rutschautos „Flink“ erinnert an Rennwagen aus den fünfziger Jahren. Dabei ist Flink nicht etwa für die Vitrine gemacht: Kinder ab einem Jahr sollen damit herumflitzen. Der 46-jährige Industriedesigner aus Berlin ist seit Herbst 2014 mit dem Sperrholzgefährt am Markt. Er verkauft die Bausätze für 250 Euro über seine eigene Website (www.phim-berlin.de), außerdem hat er einige kleinere Handelspartner. In seinem Start-up Phim macht Müller fast alles selbst: von der Vormontage einiger Bauteile wie Lenkrad, Sitz und Reifen über die Bestellbearbeitung und den Versand.

Der Flitzer kommt aus einer Werkstatt, die auch Schwippbögen fertigt

Die Bausätze werden von einer Drechslerei im Erzgebirge gefertigt, die auch Schwippbögen und andere Holzprodukte baut. Die Endmontage sei selbst für Laien in eineinhalb bis zwei Stunden problemlos zu schaffen, erklärt der Unternehmensgründer. Rund 600 kleine Holzautos hat Müller bisher verkauft: „Zu wenig zum Überleben“, räumt er selbst ein. Daher will er expandieren. „Ich brauche ein zweites Produkt.“ Seine jüngste Idee kann mit wenigen Handgriffen vom Herd zur Werkbank umgebaut werden. Den Prototyp hat Müller gleich gebracht. „Ich bin gespannt, wie es bei den Besuchern ankommt“.

Mit einer echten Neuheit im Gepäck ist auch German Brodbeck nach Nürnberg gekommen: Bauklötze aus Pappkartons. 48 davon in sechs verschiedenen Farben stecken in der Packung eines „Colour Bricks“-Sortiments, das für 32 Euro im Handel zu kaufen sein soll. Die einzelnen Klötze haben die Größe von Backsteinen. „Wir haben es mit Kindern im Bekannten- und Verwandtenkreis getestet – da kam es super an“, sagt Brodbeck. Der 35-jährige Techniker für Druck- und Medientechnik leitet in Albstadt die Verpackungsdruckerei Ebro Color mit 22 Beschäftigten. Dort werden unter anderem Kosmetika, Lebensmittel, Textilien und Tee verpackt. Das Familienunternehmen ist mehr als 90 Jahre alt.

Bauklötze aus Pappe

In Nürnberg vertritt Brodbeck seinen jüngeren Bruder Simon. Der 32-jährige Betriebswirt hat vor drei Jahren das Start-up Buntbox gegründet. Gestartet ist er mit Geschenkschachteln zum selbst zusammenfalten in vier verschiedenen Größen. Mittlerweile verschickt er mehr als 1,5 Millionen davon pro Jahr in die ganze Welt. Die bunten „Backsteine“ für Kinder sollen ähnlich erfolgreich werden. „Es waren schon einige Interessenten am Stand, darunter auch eine größere Handelskette“, sagt Brodbeck. Der Messeauftritt, dessen Kosten von der Bundesregierung bezuschusst werden, ist für das junge Unternehmen eine große Chance: „Wir haben hier die Gelegenheit, der ganzen Spielwarenwelt unser Produkt zu zeigen“, sagt der junge Schwabe. Der große Vorteil der „Colour Bricks“ sei, dass sie nicht viel Platz benötigen und sich die Kinder ganz ohne Vorgaben kreativ ausleben könnten. „Sie können Türme bauen, die größer als sie selbst sind“, so Brodbeck.

Bereits zum zweiten Mal präsentiert Hermann Schlake seine „Footbi-Arena“ in Nürnberg. Dahinter verbirgt sich ein vier mal zwei Meter großes Feld mit Banden und Toren, auf dem man Fußball-Billard spielen kann. Schlakes Fußball-Idee GmbH (www.fussball-idee.de) ist zwar eher ein Hobby als eine Existenzgrundlage für den fußballbegeisterten Umwelttechniker – allerdings mit einem ernsten Hintergrund. Die Ausrüstung zum Spiel wird in der Delme-Werkstatt, einer Behindertenwerkstatt in Sulingen, etwa 60 Kilometer südlich von Bremen, gebaut. Dort ist Schlake hauptberuflich als Gruppenleiter in der Recycling-Abteilung beschäftigt.

Hermann Schlake setzt auf ein Verleihmodell

Die Footbi-Arena verleiht er genauso wie die 60 unterschiedlichen Fußball-Minigolf-Hindernisse, die Schlake in den vergangenen Jahren entwickelt hat. „Im Umkreis von 200 Kilometern rund um meinen Wohnort Twistringen bringe ich die Spiele selbst auf Vereins-, Stadt- und Firmenfesten vorbei.“ Je nach Dauer und Weg kostet die Leihe zwischen 250 und 400 Euro. Wer eine Footbi-Ausrüstung kaufen will, muss etwas tiefer in die Tasche greifen: Das Komplett-Paket inklusive 15 Bällen, Netztoren und in der Wunschfarbe lackiert kostet 865 Euro. Es kann in einer Ski- und einer Sporttasche transportiert werden und ist in zehn Minuten ohne Werkzeug aufgebaut.

In den Handel hat es Schlake mit seinen Produkten, deren Namen und Design er sich europaweit als Patent gesichert hat, allerdings noch nicht geschafft: „Die Händler sagen mir, ihnen sei die Marge zu gering“, erklärt der Norddeutsche. Er ist darüber nicht traurig, schließlich versucht Schlake ohnehin vor allem Kindergärten und Schulen als Kunden zu gewinnen. Die Faszination an den Spielen beschreibt der Mann, der nebenbei auch noch als Stützpunkttrainer für den Deutschen Fußballbund in der Talentförderung arbeitet, wie folgt: „Zwei Gegner duellieren sich auf dem Feld und fünf Kumpels stehen drum herum und geben schlaue Kommentare ab.“

Der Staat fördert den Messeauftritt junger Unternehmen

Förderung
Der Gemeinschaftsstand Junge Innovative Unternehmen (JIU) auf der Spielwarenmesse dient Start-ups als Sprungbrett. Sie können sich dem internationalen Fachpublikum präsentieren, neue Geschäftskontakte knüpfen und Käufer für ihre Produkte finden. 22 junge Unternehmer haben in diesem Jahr die Chance genutzt. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) fördert ihre Messebeteiligung.

Bedingungen
Teilnehmen dürfen Unternehmen, die höchsten zehn Jahre alt sind sowie maximal 50 Mitarbeiter und zehn Millionen Euro Umsatz haben. Bei den ersten zwei Messebeteiligungen werden ab diesem Jahr 60 Prozent der Kosten gefördert, ab der dritten Messebeteiligung 50 Prozent. Insgesamt können drei Teilnahmen eines Unternehmens an der gleichen Messe gefördert werden. Gewährt wird eine Gesamtsumme von maximal 7500 Euro pro Aussteller und Messe.