Der Generalbundesanwalt ermittelt gegen 20 mutmaßliche Edogan-Spitzel. Besonders im Fokus ist der Islamverband Ditib.

Berlin - Neuer Zündstoff im deutsch-türkischen Verhältnis: Der Generalbundesanwalt ermittelt gegen mindestens 20 mutmaßliche Spitzel, die der türkischen Regierung Informationen über angebliche Anhänger der Gülen-Bewegung in Deutschland liefern sollten. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken hervor, die dieser Zeitung vorliegt.

 

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan vermutet den im amerikanischen Exil lebenden Geistlichen Fethullah Gülen als Drahtzieher hinter dem Putschversuch im Juli. Besonders im Fokus der Ermittler stehen Imame der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib), dem größten Islamverband in Deutschland. Vor dem Hintergrund der Spionagevorwürfe findet es die Linke bemerkenswert, dass die Zahl der Visa für Ditib-Geistliche sich seit 2013 und vor allem im vergangenen Jahr drastisch erhöht hat. Waren es 2015 noch 240 Visa, so schnellte diese Zahl 2016 auf 345 nach oben.

Bereits am 18. Januar leitete laut Bundesregierung Generalbundesanwalt Peter Frank „ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannt wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit im Auftrag der türkischen Regierung eingeleitet.“ Am 19. Januar sei das Verfahren auf „16 namentlich bekannte Beschuldigte erstreckt“ und das Bundeskriminalamt mit den Ermittlungen beauftrag worden. „Derzeit wird gegen insgesamt 20 Beschuldigte sowie gegen unbekannt“ im Zusammenhang mit der „Ausspähung von Anhängern der Gülen-Bewegung“ ermittelt. Interessant ist der Zusatz „gegen unbekannt““. Offenbar rechnen die Ermittler mit weiteren schwarzen Schafen.

Der türkische Geheimdienst MIT hat gegenüber der Bundesregierung gar keinen Hehl daraus gemacht, dass angebliche Gülen-Sympathisanten in Deutschland bespitzelt werden sollen. Am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz wurde eine Liste mit Verdächtigen an deutsche Sicherheitsdienste weitergegeben. Offenbar in der Annahme, diese könnten behilflich sein. Neben der SPD-Bundestagsabgeordneten Michelle Müntefering steht auf der Liste auch die Berliner Landtagsabgeordnete Emine Demirbüken-Wegner.

Die CDU-Politikerin hatte erst mit knapp drei Wochen Verspätung von diesem Umstand erfahren. Das Gemeinsame Terrorabwehrzentrum (GTAZ) hatte die Information bereits am 10. März erörtert, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des Berliner CDU-Abgeordneten Kai Wegner hervorgeht. Die CDU hatte deshalb zunächst scharfe Kritik am Innensenat geübt. Innensenator Andreas Geisel (SPD) erklärte jedoch, er habe selbst erst am 29. März von der Liste erfahren und am selben Tag die Politikerin informiert. Am Donnerstag demonstrierte das Abgeordnetenhaus dann Einigkeit. Präsident Ralf Wieland (SPD) sagte unter dem Applaus aller Abgeordneten: „Diese Versuche, in der deutschen Gesellschaft Konflikte zu schüren, Misstrauen zu sähen, Menschen einzuschüchtern und Angst zu verbreiten - das lassen wir uns nicht gefallen.“

Regierung in der Klemme

Öffentlich gibt die Bundesregierung unter Verweis auf laufende Ermittlungen keine Bewertung ab, ob die Entwicklung die Zusammenarbeit mit Ditib verändern könnte. Ditib ist wichtiger Gesprächspartner in der noch von Wolfgang Schäuble (CDU) ins Leben gerufenen Islamkonferenz und spielt bei der Entwicklung von Konzepten für den Islamunterricht bisher eine prägende Rolle – auch in Baden-Württemberg. Ein Einfluss, der nicht nur im Südwesten zunehmend kritisch beäugt wird. In Kreisen der Bundesregierung heißt es deshalb, man sei sich der schwierigen Situation bewusst. Es sei aber keine Lösung, alle Gesprächskontakte abzubrechen.

Immerhin geht die Bundesregierung jetzt so weit, die „strukturelle und personelle Anbindung von Ditib an das staatliche türkische Präsidium“ hervorzuheben. Soll heißen: man erkennt an, es hier in gewisser Weise mit dem verlängerten Arm Erdogans zu tun hat. Im März gab Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) deshalb einen Warnschuss ab. Auf der Islamkonferenz sagte er, die Spionage-Berichte, so sie denn stimmten, ließen bei ihm „alle Alarmglocken“ schrillen. Eine Gemeinschaft, die auf eine solche Weise aus dem Ausland beeinflusst werde, könne in Deutschland nicht die Voraussetzung einer Religionsgemeinschaft erfüllen. Dies aber ist eines der erklärten Ziele Ditibs.

Die Linkspartei-Abgeordnete Sevim Dagdelen nennt das ihrer Ansicht nach „laxe Vorgehen“ gegen Ditib gegenüber dieser Zeitung gleichwohl „rechtsstaatlich völlig inakzeptabel.“ Bundesregierung und Generalbundesanwaltschaft müssten „beim Thema Spitzelnetzwerk des türkischen Präsidenten Erdogan zum Jagen getragen“ werden. „Erdogans Spitzelimame“ hätten sich durch „diese Beihilfe in aller Ruhe in die Türkei absetzen und sich der Strafverfolgung entziehen“ können.