Reportage: Robin Szuttor (szu)


Bhagwans Jünger tragen rote Gewänder und das Bild ihres Meisters an einer Kette aus Holzperlen. Es wird viel getanzt, gelacht, geliebt. Der Schlüssel zur inneren Befreiung, den ihnen ihr Meister in die Hand gibt, ist die Meditation. In Tantragruppen erfahren die Sannyasins kosmische Ekstasen - oder wie die Kritiker sagen "entbinden die Sexualität durch eine schockierende Praxis von allen Hemmungen". In Encounter-Gruppen sind körperliche Konfrontationen zugelassen, um seelische Verkrustungen aufzubrechen - was einige Rippenbrüche zur Folge hat. In Enlightenment-Gruppen versucht man über mehrere Tage hinweg, die Frage "Wer bin ich?" zu beantworten. Das geht ungefähr so: alle Gedanken und Empfindungen an sich vorbeiziehen lassen, ohne sich damit zu identifizieren. Erst wer Beobachter seiner selbst wird, erfährt, wer er wirklich ist.

Viele Jünger sind intellektuelle Linke, Sprösslinge aus wohlhabenden Häusern, Industrielle, die ihre bürgerliche Existenz und ihr Vermögen aufgeben, um nur noch für den Meister zu arbeiten. Bhagwan nennt sich provozierend "Guru der Reichen". Nachdem die 68er-Bewegung allmählich zerfasert, trifft er den Nerv eines neuen Zeitalters: von der Gesellschaftsrevolution zum Egotrip - auch wenn es im Ashram eigentlich darum geht, das Ich zu überwinden und zum leeren Gefäß zu werden.

Dhyan Tura sprach 3 Jahre lang kein einziges Wort


Während Barbara Rütting, Peter Lustig oder Peter Sloterdijk in Poona meditieren, Argentinien Fußball-Weltmeister wird und das Land zugleich vom Terror der Militärjunta geknechtet wird, studiert Eric Baer Medizin, später Agrarwissenschaft. Aber es ist nichts für ihn. Beruf, Geld und Erfolg bedeuten ihm wenig. Er beschäftigt sich lieber mit asiatischer Heilkunst, mit Fußmassagen oder Rugby. Seine Familie beäugt diese Rast- und Ziellosigkeit mit Skepsis. Und spätestens als er Vegetarier wird - in Argentinien, wo schon die Muttermilch nach Steak schmeckt - hält man ihn für reichlich überspannt. Mit 24 raubt ihm ein nicht mehr ganz funktionstüchtiger Kerosinofen über Nacht den Sauerstoff. Eric Baer schläft ein und wacht am nächsten Morgen nicht mehr auf. "Ich erlebte meinen Papa, ich konnte mit ihm sprechen", sagt er. Nach vier Wochen Koma und sieben Monaten Krankenhaus startet er ein Comeback ins Leben: völlig konfus und noch keine Spur von "easy going".

Bhagwan verkörpert kein Glaubenssystem. Seine Religion ist alles und nichts. Er zitiert Heidegger, Kant und die Evangelisten, er hat nichts gegen Sex und Kapitalismus, er ist inspiriert von der Zen-Philosophie, islamischer Mystik und Psychoanalysetechniken. Dass er sich in seinen Vorträgen selbst widerspricht, ist kein Widerspruch. Es zeigt nur die Unzulänglichkeit der Sprache und des Verstands. Die Menschen der westlichen Welt haben Wohlstand, verkündet Bhagwan, aber keine Freude und kein Bewusstsein. Viele wagen mit ihm den Sprung ins Unbekannte.