Acht Sternerestaurants in Stuttgart, das sind so viele wie nie zuvor. Dennoch ist es weiterhin schwer, das hohe Niveau zu erreichen – und zu halten. Eine Zwischenbilanz aus der Szene der Spitzengastronomie.

Lokales: Matthias Ring (mri)

Stuttgart - Oft spiegelt die StZ-Tabelle der besten Restaurants in Stuttgart und der Region Stillstand auf hohem Niveau wider. Doch 2012 hat sich einiges getan: Wie berichtet gibt es mit dem Yosh und dem 5 zwei Sterne mehr und einen (Breitenbach) weniger. Streng genommen ist bald auch das Top Air ohne Stern, der mit dem Küchenchef kommt und geht, denn Claudio Urru verlässt das Flughafenrestaurant. Ab Januar 2013 heißt es: alles auf null. Urrus Stellvertreter Marco Akuzun ist dann der Mann mit dem Auftrag, einen neuen Stern zu holen. Frank Oehlers Speisemeisterei ist wegen eines Punktverlusts im „Gault Millau“ nach unten gewandert, einer aber klettert nach oben: Nico Burkhardt, der schon im vorvergangenen Jahr Aufmerksamkeit erregt hatte. Nach unserem jüngsten Besuch im Olivo waren wir schwer beeindruckt, wie kunstvoll und präzise der 28-Jährige mit den Produkten umzugehen weiß. Man sollte ihn im Auge behalten – auch die alten Meister, die in der Tabelle über ihm stehen.

 

Bernhard Diers ist die Nummer eins in der Region

Und dann wäre da noch Bernhard Diers. Weil Armin Karrer im Fellbacher Avui nun kein Kandidat mehr für den zweiten Stern ist und zudem einen Punkt beim „Gault Millau“ verloren hat, ist Diers nun wieder die absolute Nummer eins in der Region. Und dies trotz des Umzugs von der Zirbelstube ins etwas größere Schlossgarten-Restaurant, trotz eines erweiterten Betriebs auf sieben Tage die Woche mittags und abends, trotz des Spagats zwischen Business Lunch und Gourmetmenü. „Ich habe alles gegeben, mehr kann ich nicht“, sagt Diers, der keinen Frühling, keinen Sommer und keinen Herbst gesehen habe. Sein unermüdlicher Einsatz für ein Haus, dem er seit zehn Jahren verbunden ist, hat ihm im „Gault Millau“ wieder 18 Punkte eingebracht, die eigentlich dem Zwei-Sterne-Niveau entsprechen.

In dieser Liga sehen viele Bernhard Diers schon seit Jahren, er selbst zeigt sich erst einmal erleichtert, dass das sehr hohe Niveau gehalten werden konnte. Er wollte den Umzug nicht, spricht aber von einer „richtigen unternehmerischen Entscheidung“ und „positiver Reibung“ mit Thomas Althoff, zu dessen Luxuskette das Hotel am Schlossgarten zählt. Auf der anderen Seite höre er aber auch Klagen von Gästen, die ihre gute Zirbelstube vermissten, die nur noch für private Veranstaltungen zur Verfügung steht – aber fleißig gebucht werde.

Mehr Verantwortung für die Souschefs

Im neuen Jahr will Diers „das nachholen, was in der Vergangenheit versäumt wurde“, womit er vor allem den Bankettbereich meint. Denn er ist eben nicht nur der Botschafter der Grande Cuisine im Gourmetrestaurant, sondern als Küchendirektor auch wirtschaftlich für alles Kulinarische in einem Haus verantwortlich, in dem täglich 200 Essen rausgegeben würden, 50 davon im Gourmetbereich. Seine Brigade besteht aus 28 Köchen, und er sei froh, dass er zwei „Top-Souschefs“ habe, denen er mehr Verantwortung übertragen wolle. So könne es für ihn im neuen Jahr „mehr schöpferische Zeit“ geben – und auch mal einen gemeinsamen Urlaub mit seiner Frau, den ersten seit sechs Jahren. Susanne Diers aber, die als Restaurantleiterin Aufbauarbeit geleistet habe, will sich nun anderen Managementaufgaben widmen.

In der Alten Sonne in Ludwigsburg hat Laurent Durst weiterhin seine Frau Kerstin Pozybill als Restaurantleiterin an seiner Seite. Auch hier hat es 2012 Veränderungen gegeben, wurden Gourmet- und Bistrobereich zusammengelegt – mit der Folge, dass die Alte Sonne nun ohne Stern ist und zwei Punkte im „Gault Millau“ verloren hat. Durst hat mit der Abwertung gerechnet, wie er sagt, obwohl ihm die Entscheidung zur „Fusionierung“ nach fast zehn Jahren Sterneküche natürlich nicht leichtgefallen sei. Doch unter der Woche war das Gourmetabteil häufig nicht ausgebucht, derweil im Bistro viele Gäste abgewiesen werden mussten. Der „Riesendruck“ der Spitzenköche, sich zu behaupten, herrscht eben nicht nur in der Küche, wenn sie gleichzeitig Unternehmer sind.

„Freier kochen“ ohne Stern

Aber der Elsässer stimmt sich positiv für die Zukunft ein. „Freier kochen“ könne er nun und lockerer mit den Gästen umgehen. Die würden das neue Konzept gut annehmen, was auch bedeutet, dass an ein und demselben Tisch „als Rückblick“ das Fast-Sterne-Menü „Alte Sonne“ bestellt werden kann, derweil das Gegenüber vielleicht „nur“ ein Nierleragout möchte. Zusätzliche Bestätigung für Laurent Durst: „Den ,Bib Gourmand‘ haben wir ja weiterhin.“

Diese Anerkennung des „Guide Michelin“ für ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis (konkret: drei Gänge bis 35 Euro) ist für viele Gäste wichtiger als ein Stern. Dennoch stehen in Stuttgart acht Sterneküchen drei mit einem „Bib Gourmand“ gegenüber: Fässle, Vetter und Goldener Adler – allesamt Restaurants, die vom „Gault Millau“ nicht aufgeführt werden.

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